Nr. 43

Lagerfeuer

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Lf. Nr. 43 Matsuyama, Sonntag, den 19. November 1916

Etwas aus I. W. 2. I. Patrouillen..

Von den 165 Mann Besatzung von I. W. 2 kamen dauernd 24 Mann auf Feldwache Höh. 58, 16 Mann Werkswache, 10 Mann Blockhausbesatzung und ca. 30 Mann auf Kommando in und außerhalb dem Werk (Schreiber, Telephonisten, Köche, Sanitätsmannschaft, Ordonnanzen und Arbeitskommando). Der Rest – in Bereit-schaft und Reserve eingeteilt – hatte die laufenden Arbeiten zu erledigen. Da gab es 200 Schotterblenden und Tausende von Sandsäcken aufzufüllen, Walllampen-deckungen, eingedeckten Weg von Kaserne bis Feuerlinie, Ausbessern der Schützenstellung an beiden Flanken, Anlage eines doppelten Stolperhindernisses und vieles andere. Ende September waren die Hauptarbeiten weit vorgeschritten. Gegen Überraschungen waren wir gesichert.
Im Abschnitt vor I. W. 1-2-3 war der Gegner noch nicht so weit vorgedrungen wie am linken Flügel. Dort stand er ca. 900 m vor I. W. 4 und 5. Truppen von uns sind nicht mehr draußen; also müssen wir sehen, was der Feind treibt. Aus den Werken werden Patrouillen vorgeschoben, deren Hauptaufgabe die Erkundigung japanischer Artilleriestellungen war.
Die ersten Aufklärungen durch I. W. 2 - Patrouillen erreichten nichts Wesent-liches. Es konnte nur festgestellt werden, daß der Feind das Gelände zwischen den Werken und Höhe 83 - Höhe 86 - Kloster Yükuan - Höhe 135 - Höhe 209 –Tien-tschiatsun und Fouschanso noch nicht besetzt hatte, aber es doch durch starke Patrouillen aufklären ließ. Die Entfernung einer Anzahl Hilfsziele für japanische schwere Artillerie vor den Walderseehöhen wäre nur noch zu erwähnen.
Eine Patrouille am 2. X., ausgeführt von Herrn Obleutn. d.R.

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Schlicker, Fw. B., Sgt. Ke, Gefr. d.L. H., Gefr. Schn., Landwehrm. Kr., D., die bis Kloster Yükuan und Höhe 135 vorging, stellte fest, daß das Dorf Tsopoling von ca. drei Kompagnien Japanern besetzt war, im Kloster eine Feldwache steckte, die durch die Rawinen nach den Häusern südlich der Walderseehöhe Verbindung unterhielten. Ein japanischer Verbindungsmann wurde erschossen.
Diese Patr. sollte uns auch die Stimmung unter den Chinesen erkennen lassen.
Am 4. X. trafen wir ausziehende Chinesenfamilien auf dem Wege zwischen beiden Höhen 83. Fw. Bunge, der die chinesische Sprache sehr gut beherrscht, unterhielt sich mit einem der Familienaberhäupter darüber, wo und wieviel Japaner sie gesehen hätten, ob Infanterie, Kavallerie, Artillerie usw. Der „Lan Yen“ wollte aber nicht recht mit der Sprache heraus. Er stand sichtbar unter dem Schrecken des Erlebten. Erst als wir ihm versicherten, daß er von uns nichts befürchten haben, und als wir dann den Rest unseres Frühstücks an die Kinder verteilten, taute – – – – ein anderer der Chinesenen auf und sagte Verschiedenes aus, das von allen andern Chinesen bestätigt und ergänzt wurde. Nun äußerte sich auch der Lan Yen. er versicherte aber gleich wieder: „Ta Yen buschewuo!“ Großer Herr ich sage nichts. Der Krieg ist zu schrecklich. Da bin ich nun 18 Jahre mit meiner Familie im Schutzgebiet, habe seitdem mein gutes Auskommen gehabt, und wir sind zu etwas Wohlstand gekommen. Nun vernichtet der Krieg alles. Die letzte Ernte ist zum allergrößten Teil auf den Feldern geblieben und verdorben. In Tsopoling – dem bisherigen Wohnort des Alten – sind bisher schon viele Häuser zerstört und über 70 Chinesen getötet oder schwer verwundet worden. Viele ibing (Japaner) sind da und Sie werden es sehr schwer haben TaYen,

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aber wir wünschen Ihnen alles Gute und viel, viel Glück!“
Auskunft von einigermaßen militärischem Werte konnte aber keiner von ihnen geben. Sie waren wohl auch kaum aus ihren Hütten oder Erdlöchern heraus-gekrochen, nachdem sich unsere Kameraden aus dem Vorgelände zurückgezogen hatten.
Am 6. X. mit drei Mann unterwegs, stellten wir fest, daß die Japaner einen Verbindungsgraben von der großen Rawine bei Kloster Yükuan bis zur Rawine nordöstlich Tientschiatsun ausgehoben hatten. Der Graben war nicht besetzt; auch kein Posten war zur Bewachung zurückgeblieben, wie wir beim Durchsuchen des Grabens erwarteten. Ich bedauerte nur, keine Minen mitgenommen zu haben. Ein paar kleine Ladungen von je 3-4 kg Pikrin hätte dem Gelben das Passieren des Grabens doch etwas peinlich machen können. Die Japaner arbeiteten nur nachts in diesen Graben und preßten auch Chinesen zu dieser Arbeit, wie zurückgelassenes chinesisches Werkzeug bewies.
Am 9. Oktober war die Patr., geführt von Fw. Bunge, reicher an Erfolg. Diesmal hatten wir und darauf versteift außer dem bekannten Abschnitt auch die Höhe 209, 5 von oben anzusehen und Ausschau zu hatten. Unterwegs trafen wir auf Höhe 83 die Patr. Vfw. Kettig I.W.1, die von Hsianyan kam und uns über verschiedene japanische Posten unterrichtete. – Auf Höhe 209,5 hatten wir schon vom Werk aus japanische Posten festgestellt, und wir vermuteten daher auch heute den Gipfel von denselben besetzt. Unbemerkt gelangten wir bis an einen felsigen Absatz, etwa 15 m unterhalb des Gipfels; hier bot sich ein prachtvoller Ausblick. Das ganze Gelände hinter Höhe 88 bis Litsun war bedeckt mit arbeitenden Japanern, die in ein und zwei Gliedern von 8 bis 16 Mann neben- und hintereinander mit Abständen von etwa doppelter Gliederlänge in der Richtung auf Yangtschiatsuen

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und Hohsi Material schleppten (etwa zwei Bataillone schätzten wir). Auf der Straße Litsun - Yangkotschuang große Wagenkolonnen Richtung Tschükotschuang. Jeder Mann der Patrouille war mit einem mehr oder weniger guten Glase ausgerüstet; außerdem hatten wir das 3-4 m lange Fernrohr aus I.W.2 mitgenommen und konnten nun das 7-8 km breite Gelände bis Litsun gut übersehen. Fw. B. zeichnete in die Karte ein, während einer nach dem andern sich die Objekte durch das große Rohr ansah.
„Was ist denn das?“ entfuhr es mir unwillkürlich. „In der Richtung auf Hohsi-Hoyai ausgehobene Stellungen gerade vor dem kurzen Steinbrücke an der kleinen Höhe?“
„Donnerwetter ja, das sind ja Artilleriestellungen“, sagte Fw. B., als er das große Rohr darauf gerichtet hatte. „1, 2, . . . . 15, 16 Geschützstellungen, zwei Geschütze stehen nach draußen, da an der Stellung nach uns zu!“
Auch durch die drei Zeißgläser war das auszumachen. Jeder einzelne überzeugte sich durch einen Blick durchs große Rohr.
„Nun einzeichnen und nach Hause, unser Zweck ist erfüllt; – ein schöner Erfolg für heute“, sagt Fw. B. erfreut.
Ich ärgerte mich aber noch lange wegen eines Fehlschusses. Ganz ohne Zwischenfall war die Erkundigung doch nicht verlaufen. Als wir weit genug an der Höhe heraufgestiegen waren, um einen Überblick über das nähere und weitere Vorgelände gewinnen zu können, fielen der ganzen Patrouille die arbeitenden Japaner vor uns natürlich sofort auf. Die Patrouille blieb auf dem erwähnten Absatz zur weiteren Beobachtung.
„Ich übernehme die Sicherung!“ sagte ich zu Fw. B. und strebte dem felsigen Gipfel zu. Kaum oben angelangt, sehe ich zehn Schritt vor mir den einen japanischen Posten in einem Sackleinwandmantel mit Kapuze zwischen den Felsbrocken liegen. Gerade ein schmaler Streifen

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des Körpers oberhalb der Steine war noch zu sehen. Der Japaner betrachtete sich durchs Glas das Gelände in der Richtung auf I.W. 2-3.
„Den fangen wir“, sagte ich und gab Gefr. (später Uoffz. d.R.) Schn., nachdem ich 5-6 Schritt zurückgeschlichen war, durch Winken zu verstehen, er solle auf der andern Seite um den Gipfel herumlaufen; es gäbe da etwas zu fangen. Schn. verstand sofort und schmunzelte, gab „klar“ und machte sich sofort auf. Das war auch etwas nach seinem Sinn.
Kaum an meiner früheren Stelle angekommen, sehe ich, wie das Gewehr des Japaners im Anschlag auf die Patrouille blitzt. Knieanschlag, den Revolver hoch – Zielen – Schuß – – und „Nakai“ schreit das Luder und stürzt wie besessen hinter den nächsten großen Felsbrocken.
„Da kommst du gerade recht zu meinem Landsmann“, sagte ich, aber der Vor-gang hatte sich so schnell abgespielt, daß Schn. noch gar nicht da sein konnte, und ich hatte nur noch Zeit, einen zweiten Schuß aus dem Revolver abzugeben, der aber scheinbar nicht traf. Der erste Schuß hätte ihm den Garaus gemacht, aber gerade einen Zoll unter der Oberkante auf dem Felsen traf er auf. Die vielen Felstrümmer und „Kusseln“ begünstigten das Entkommen des Gelben, der auf dem Hang zum Tayaupaß hinunter zu seiner Feldwache flüchten wollte. Er kam aber nicht weit. Die Schüsse hatten natürlich die Patroulle alarmiert, und H., der alte Meisterschütze, gab ihm mit dem zweiten Schuß einen Treffer. Der Japaner stürzte, versuchte aber noch, mühsam kriechend zu seiner etwa 200 entfernten Feldwache zu kommen; aber mit dem dritten Schuß bekam er den Rest. Er blieb liegen. Nun setzte aber von beiden Seiten langsames Kleckerfeuer ein und der Aufenthalt dort oben wurde ungemütlich, da wir keine Schützen sehen konnten, selbst dagegen auf der äußersten unbewachsenen Kuppe leicht

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zu entdecken waren.
An der Stelle, an der der japanische Posten lag, fand ich einen japanischen Brief, den ich als Andenken einsteckte.
Am Nachmittage des 9. X. erzielte ein Feuerüberfall auf die erkundeten Stellung sehr guten Erfolg.
Während der Parlamentärbesprechung am 13. X. vorm. war bei uns in I.W.2 alles ruhig. Kein Sandsack wurde angerührt. Ich hätte aber gerne wissen mögen, wie auf der Feindesseite gewühlt worden ist.
Am 17. unternahm ich mit meinen früheren Kameraden die letzte Patrouille über Tientschiatsu hinaus. Die Japaner waren schon bis zu dem genannten Orte vorgedrungen und hatten zur Weiterführung ihres Verbindungsgrabens zwischen beiden großen Rawinen in der letzteren schon den Weg gebaut und beim Dorfe die Trace gezogen. Auch Postenstellungen waren dort ausgehoben und der Dorfrand für etwa 30 Mann zur Verteidigung eingerichtet. Auch große Stapel Holz und Reisig waren bereit gelegt. Zur Sicherung unseres Marsches mußten wir die vielen Unterschlupf und Erdhöhlen an den Steilhängen der beiden Rawinen untersuchen. Sie waren glücklicherweise alle leer, sonst wäre wohl die Patrouille nicht vollzählig heimgekehrt. Ein Unterstand in der Mitte der südlichen Rawine war aber von den Japanern besetzt. Schn. und ich wollten die Insassen schon mit Handgranaten bedecken, (die ich stets auf Patrouille bei mir führte). Wir war noch 6 bezw. 8 Schritte davon entfernt, als uns Fw. B. eiligst zurückrief. Kleine japanische Abteilungen hatten unsere Patrouille bemerkt und rückten hinter dem Kamm der Höhe 110 - etwa 300 von uns rechts seitwärts – vor, wahrscheinlich, um uns den Rückzug abzuschneiden. Auch von der nördlichen Rawine kamen etwa zehn Mann vorgerückt; wir waren nur fünf Mann. Fw. B., Sgt. Ke., Uoffz. H., Schn. und Gefr. D., ein alter Legionär. Es war jedenfalls die Sicherung der japanischen Arbeitskräfte, die nur

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nachts an den Arbeitsstellen tätig waren und am Tage sich wieder etwas zurückzogen.
Wir mußten zurück. Bis tientschiatsun sogar reichlich fix. Als ich aber an die großen Strohhaufen bei der Steinplatte kam, dachte ich: „Nein, das geht nicht. Wir wollen auch sehen, was heute Nacht hier vor sich geht“, und steckte den größten Haufen in Brand. Daneben war von den Japanern der zu bauende Weg angerissen.
Dobert schleppte die Reisigbündel heran. Die andern drei Mann waren unmittelbar hinter uns in Stellung gegangen. Das Feuer faßte aber nicht so gut wie erwartet, . . . aber es hatte sch auch schon lagen der Junior gemeldet, der bedient sein wollte. Dich am Feuer kehrt und – – – hiiiii - zck! hiiii - hiiii - zck! zck! pfiffen die japanischen Vogel um uns. Aber D. schleppte mit voller Seelenruhe die Reisig- und Strohbündel aus der Nähe heran. Das hohe Singen der japanischen Geschosse verstärkte sich.
„Jetzt wird’s aber Zeit“, sagte ich zu ihm und lüftete den Rand des Strohhaufens, damit sich das Feuer besser einfressen konnte.
„Es sind die beiden letzten2, entgegnete mir D. eine Idee schneller gehend, „nur paar Halm liegen noch. Na, die Japaner werden schön fluchen.“
„Nun aber Trab!“ In schnellsten Tempo über die Steinplatte flitzend, immer begleitet von den japanischen „Kanalljenvögln“.
„Na, es war wohl brenzlig?“, sagte mich Fw. B.
„Gewiß, aber das ist’s hier auch noch!“ Wir hatten uns inzwischen etwa 100 von der Stenplatte entfernt, und die Japaner waren bei dieser angekommen. Diese Schlumpschützen steckten doch tatsächlich nach jedem abgegebenen Schuß den Kopf in den Dreck! Kein Wunder, daß sie uns vorhin auf 300 und jetzt auf 100 m nicht trafen.
„Jedesmal ein Mann liegen bleiben, die andern in Kürzen Sprüngen zurück!“, befahl Fw. Bunge. Die Patrouille kehrte heil

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zurück.
Am 18. morgens glomm der Strohhaufen noch.
Auf dem heutigen Patrouillengang verloren wir leider unseren tapferen Dobert. Fw. Bl klärte mit drei Mann in Richtung Tientschiatsun auf und hatte zwischen diesem Dorfe und Höhe 58 ein fast zweistündiges Gefecht mit etwas einem Zug japanischer Infanterie. Hierbei fiel D. durch Kopfschuß. Die Patrouille war in eine sehr ernste Lage geraten. Vor sich ahtten sie den Feind auf etwa 400 m, hinter sich die kahle Höhe 58. Weit ausgeschwärmt lag sie in einem nassen Graben und feuerte; zum Schluß noch aus zwei Gewehren. Eins war versandet und unbrauch-bar geworden. Aber die Japaner wagten doch keinen Vorstoß, der die drei Mann unbedingt erledigt hätte. Aber an D., der etwa 30 Schritt abseits lag, konnte niemand mehr heran, und mit ihm ging sein Gewehr und das große Fernrohr aus I.W.2 für drei Tage verloren. Die große Rawine nördlich Höhe 58 begünstigte die Annäherung japanischer Patrouillen. Um diesen Verkehrsweg zu sperren, legte der Pioniertrupp I.W.2 in einer Nachtschicht gedeckt durch die Feldwache von I.W.2 eine Draht- und zwei Tretminen.
Am 21. X. gewaltsamen Aufklärung durch eine 80 Mann starke Abteilung aus I.W. 1, 2 und 3. Die Japaner wurden von Tientschiatsun zurückgedrängt. Fw. B. holte bei dieser Gelegenheit das Gewehr und das Fernrohr des am 18. gefallenen D.
Die Japaner waren schon bis Höhe 58 vorgedrungen und hoben dort an den Steilhängen der großen Rawine Unterstände aus. An einer solchen Stelle legten I.W. 2-Pioniere einer elektrische Tretmine, deren Wirkung von dem japanischen Artillerieoffizier, der nach dem Fall Ts.’s in der Minenkommission war, selbst beobachtet wurde. Die Anzahl der Toten und Verwundeten wollte er nicht verraten.
Die Arbeiten in I.W. 2 und auf dem Glacis sind nun vollständig

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beendet. Die Feldwache Höhe 58 ist zurückgezogen, da sie in zu gefährdeter Lage war. Ein japanischer Überfall auf diese kostete uns zwar nur zwei Verwundete, aber die Feldwache hätte leicht hanz abgeschnitten werden können, und wir hätten im I.W. 2 diesen Verlust sehr gespürt.
Die eine Mine in der Rawine nördlich Höhe 58 hatte gewirkt, und die Japaner vermieden von nun an diesen Weg. Eine am Rawinenkopf gelegte Versuchsleucht-mine – Tretmine – wurde leider durch Regen zerstört. Die Pionierpatrouille zur Sicherung der Minenfelder haben aufgehört. Die Pioniere im Werk haben ihre Kleinarbeiten noch zu erledigen. – – – Vorrat. Es sind noch weitere Handgranaten und Wurfminen gebrauchsfertig zu machen, Pulverladungen für letztere in genü-gender Anzahl und verschiedener Stärke (5 - 10 - 15 - 20 - 30 - 40 - 60 und 100 gr.) abzuwiegen und v. a. Verschiedene Versuche, Handgranatenzünder behelfsmäßig anzufertigen (Schlagzünder aus leeren Patronenhülsen), und die Herstellung eine Nachtvisiers, zeigten keinen vollen Erfolg. Es fehlten die notwendigen Hilfsmittel.
Ketscher.

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Im Verpflegungsamt Tsingtau während der Belagerung..

Nach Ausbruch des Krieges eilte auch ich mit vielen anderen Kameraden aus Hongkong nach Tsingtau und wurde dort zunächst der 6. Kompagnie zugeteilt, nach wenigen Tagen aber zum Verpflegungsamt abkommandiert, da ich ja schon während meiner aktiven Dienstzeit und den Übungen in der Reserve im Proviantamtsdienst ausgebildet worden war unter dem schönen Titel „Feldmagazinbeamtenstellvertreter“.
Mein erster Eindruck vom Verpflegungsamt war insofern

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eine Enttäuschung, als ich an die großen Proviantämter der heimatlichen Garnison und Festungen gewöhnt, hier in Tsingtau zunächst nur ein kleines Büro in einem chinesischen Haus und sechs große Lagerschuppen vorhand, wovon einer noch als Bekleidungskammer des Geschwaders benutzt wurde.
Das Amt war einem Marinezahlmeister unterstellt , dem zwei Unteroffiziere als Magazinverwalter beigegeben waren, nebst einer kleinen Zahl chinesischer Arbeiter. Nach meinem Eintritt wurden noch drei weitere Unteroffiziere d.R. zum Verpflegungsamt kommandiert, die gleich nur unter dem vorerwähnten schönen Titel ausgebildet waren.
Bei meinem Eintritt am 10. 8. 14 war schon der „Eiserne Bestand“ für 14 Tage an die aktiven Truppenteile ausgegeben, und es verdroß mich, daß ich infolge meiner späten Ankunft nicht Gelegenheit hatte, vom ersten Mobilmachungstag an der Ausgabe dieser Portionen und Vorräte beiwohnen zu können, denn gerade diese im Frieden so sorgfältig vorbereitete Arbeit hätte ich nun gerne auf ihre Wirksamkeit geprüft.
Für die Friedensstärke der Garnison war für etwa ein Jahr genügend Proviant in den Schuppen aufgestapelt außer den Mobilmachungsbeständen für die gleiche Zeitdauer.
Die Verstärkungen, die aber bei Kriesgsausbruch von allen Teilen des Ostens herbeiströmten, schien man viel zu gering veranschlagt zu haben; ebenso schien man mit der Notwendigkeit einer völligen Verpflegung der Zivilbevölkerung der Festung gerechnet zu haben, was alles nur darauf schließen läßt, daß die Garnison eben nur gegen chinesische Aufstände oder Ähnliches Schutz bieten sollte, nicht aber gegen eine allgemeine Blokade zu Wasser und zu Lande. Rechnet man nun die angekommenen Reserven auf etwa 1300, das Ostasiatische Marinedetachement mit rund 500 Mann,

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dazu die Mannschaften der im Hafen liegenden Schiffe der Handelsmarine, den Landsturm und die Festungsfeuerwehr, die Menagen der Polizei, der Hafenpolizei, der Post, des Hafenamtes, der Lazaretthilfspersonals und eines Teiles der Zivil-beamtenschaft, bedenkt ferner, daß nach wenigen Tagen schon die Grenzen zu Wasser und zu Lande enger gezogen oder gesperrt waren, so kann man sich vorstellen, wie knapp die vorhandenen Vorräte plötzlich bemessen waren. Freilich hatte die Intendantur in Friedenszeiten Kontrakte mit den größeren Firmen der Stadt für Kriegslieferungen geschlossen gehabt; doch auf deren Vorräte waren viel zu gering und diese Häuser hatte auch ein mit einer möglichen Blokade in diesem Umfange gerechnet.
Man konnte die Verpflegungsstärke gegen ca. 2000 Köpfe im Frieden um auf 5000 angewachsen rechnen und mußte es daher als ein Glück betrachten, daß das Geschwader beinahe vollständig ausgelaufen war und wegen der späteren Blokade auf Verpflegung von unserer Seite keinen Anspruch mehr machte; denn hierdurch wurden ja die Kriegsbestände für ein Jahr und die noch vorhandenen Friedensbestände des Geschwaders mit seiner Verpflegungsanzahl von 3200 für die Garnison frei, welche Vorräte unabhängig von den Beständen der Landtruppen im Verpflegungsamt lagerten. Hätte man auf diese wertvollen Zuwachs in Proviant verzichten müssen, so wäre einem längere Dauer der Belagerung von vorneherein ausgeschlossen gewesen. Da die eigentliche Blokade gegen den 25. 8. 14 vollständig vollzogen war, blieben uns bis dahin nur etwa 14 Tage, in welchem es unsere Hauptaufgabe sein mußte, noch herbeizuschaffen, was irgend zu haben war.
Besonders handelte es sich um „frischen“ Proviant aus der Umgegend; doch blieb dieser mit Ausnahme von lebenden Vieh ziemlich beschränkt, und auch hierfür konnten die Futtermengen im gleichen Verhältnis

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nicht beschafft werden. Über Tientsin wurden durch Vermittlung deutscher Firmen aus dem Innern Chinas alle erhaltbaren Mengen Frisch- und Dauerproviant angefordert, namentlich Kartoffeln und kamen auch von letzteren ca. 20 Eisenbahnwagen endlich zusammen an, aber in welchem Zusatnde! Diese für uns so wertvolle Feldfrucht wurde auf den verschiedenen in französischer, chinesischer oder englischer Verwaltung sich befindlichen Eisenbahnen vielfach unnötig, d.h. in böser Absicht längere Zeit aufgehalten, umgeladen, oft mehrere Tage im Freien dem Regen ausgesetzt und dann der heißen Sonne, so daß bei Ankunft in Tsingtau schon die kleineren Hälfte, weil verdorben, weggeworfen werden mußte; beim Einlagern zeigten sich noch weitere 10% verfault, und trotz sorgfältigen Sortierens verdarben doch noch täglich große Mengen. Der ganz Vorrat hiervon war daher auch schon Ende Oktober vollständig aufgebraucht, und es gab von da ab selbst für hohe Preise in Tsingtau keine Kartoffel mehr. Diese Frucht blieb abe schließlich das einzige, an dem es während der Belagerung vollständig mangelte Weiße Bohnen in Säcken und Erbsenkonserven, die zu gleicher Zeit über Tientsin angekommen waren, konnten besser und in genügender Menge angeliefert werden. Mehl konnte weniger aufgebracht werden, doch war glücklicherweise davon in der Stadt und in den Lagerschuppen des Hafens mehr als man erwartet hatte, so daß während der ganzen Zeit unverkürzte Brotportionen verausgabt werden konnten. Die kontraktlich verpflichteten Bäckereien Nottbusch und Otto, denen die Militärbrotlieferungen übertragen waren, hatten ebenfalls noch große Vorräte zur Verfügung, so daß sogar noch eine ausgiebige Herstellung von Eierteigwaren, Landnudeln usw. befürwortet werden konnte, umsomehr als zwei Eierproduktenfabriken am Platze waren. Ebenso wurde viel Hartbrot hergestellt, welches jedoch kaum mehr zur Verwendung kam. Weitere Lebensmittel,

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die als Ladung in verschiedenen Dampfern im Hafen lagerten, wurden ebenfalls dem Amte überwiesen. In der Hauptsache waren da: grüne getrocknete Erbsen aus Japan, weiße Bohnen, Reis und Tee. Ein deutscher Dampfer mit Reis, welcher am Tage der Kriegserklärung von Hongkong abgefahren war, tauchte auf plötzlich in Tsingtau auf, obgleich meines Wissens sein Bestimmungsort alles andere als ein deutscher Hafen gewesen, nach welchem der Kapitän sich mit vieler List durchgefunden hatte.
Damit waren aber auch die Hilfsquellen so ziemlich erschöpft, und es hieß nun haushalten mit dem, was man bis jetzt zusammengehamstert hatte. Denn hinter dem letzten Kartoffelwagen stürzten die Eisenbahnbrücken zusammen, und vor der Bucht kreuzte der Feind.
Nach meiner Berechnung mußten wir nun mit unverkürzten Portionen bis Mai/Juni 1915 auskommen, und da eine Dauer der Belagerung über diesen Zeitpunkt hinaus aus anderen militärischen Gründen ziemlich unwahrscheinlich war, sind ja auch tatsächlich nur sehr unbedeutende und vereinzelte Einschränkungen befohlen worden, die sich nicht allzu stark fühlbar machten.
Den Truppenteilen in den Werken und Batterien wurde der „Eiserne Bestand“
auf sechswöchige Dauer erhöht, ein ebensolcher den Neuformationen zugeteilt, um bei einer eintretenden Abschließung der Truppen von der Stadt verbraucht zu werden, und auch um ein Ansammeln von Proviant an einer Stelle zu vermeiden, umsomehr als die Schuppen vollständig ungeschützt waren, was sich ja auch in den letzten Tagen und Nächsten der Belagerung erwiesen hat. Noch heute ist es mir unerklärlich, weshalb der Feind sein Feuer nicht früher auf diese Lager gerichtet hat, denn er hätte uns doch damit empfindlicher treffen können als an jedem andern Punkt. Wahrscheinlich

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glaubte er die Schuppen leer, eben wegen ihrer exponierten Lage, und der Verkehr zwischen den Truppen und dem Verpflegungsamt wurde ja wohlweislich in die Nacht- und Abendstunden verlegt, so daß für ein Fliegerauge der ganze Platz immer öde und verlassen schien. Aus demselben Grunde blieben auch die früher angeführten zusammengebrachten Lebensmittel in der Stadt und in den Lager-schuppen des Hafens liegen, für deren Ausgabe unser „Außendienst“ sorgte, den die eingangs erwähnten Reserveunteroffiziere versehen mußten. Der inzwischen schon eingetretene Futtermangel brachte es mit sich, daß aller Lebendproviant so schnell wie möglich abgeschlachtet werden mußte, in den Kühlhallen des Schlachthofes aufbewahrt wurde und so bis zum Schlusse der Belagerung verwendbar blieb.
So blieb der Dienst bis in die letzten Tage des Oktober leidlich ungestört, und erst von da ab fanden die Geschosse der feindlichen Batterien ihren Weg auch zu uns. Doch war dies meistens leichteres Kaliber und der Schaden war sehr gering zu nennen. Täglich wurde es jedoch ernster, und wir wurden zeitweilig durch die Beschießung zur Untätigkeit verdammt. Als nun gar in den ersten Tagen des November die Batterie Stecher ihre Stellung mehreremale in die Nähe des Verpflegungamtes legte, und vom Feinde die ganz Umgegend nachher abgesucht wurde, konnte man nur noch in den Feuerpausen zu den Schuppen gelangen; auch schien man jetz jeden Wagen, der sich dem V. A. näherte, von einem feindlichen Beobachtungspunkte aus erkennen zu können, denn er wurde sofort unter Feuer genommen.
Am 5. November verlegte Hauptmann Stecher seine Batterie unserem Amte gerade gegenüber neben die Straße, und da dieselbe trotz feindlicher Fliegererkundigung nicht aufgefunden werden konnte, nahm der Feind in der darauffolgenden Nacht

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die ganze Gegend unter andauerndes Feuer. Der Bekleidungsschuppen für das Geschwader wies nun schon an mehreren Stellen Einschläge von zum Teil großem Kaliber herrührend auf, und auch die andere Schuppen wurden öfters getroffen, wobei die Mauern oder die Dächer jedesmal durchgeschlagen wurden. Solche Treffer waren es auch, die schließlich noch in der letzten Nacht, 6.–7. November, den Bekleidungsschuppen in Brand setzten, dessen Feuerschein nun erst recht den feindlichen Batterien das Ziel zu zeigen schien. Denn nun hagelte es von Geschossen aller Größen, welche es uns beinahe unmöglich nachten, an eine ernsthaftes Löschen zu denken. Dieser Ansicht schien auch die Leitung der Festungsfeuerwehr zu sein, zu welcher ich nach der Stadt um Hilfe sandte, da Telephonieren längst unmöglich war: denn als der Bote nach ¾ Stunden zurückkehrte, brachte er den Bescheid, man solle es brennen lassen; es sei Sturm und an kein Löschen zu denken. Dies war auch die erste Nachricht, die wir erhielten, daß etwas Außergewöhnliches im Gange war, und ich wußte nun nicht gleich, was tun. Sollten wir nicht bloß brennen lassen, sondern auch dem Feuer noch Vorschub leisten bei den andern Schuppen, oder sollten wir die andere fünf zu retten suchen. Ich entschied mich aber schnell für das letztere und mit Hilfe eines Teils der Landsturmwache entrissen wir den am nächsten liegenden und schon glimmenden Schuppen dem gleichen Schicksal.
Es wurde 4 Uhr morgens, ehe jede Gefahr beseitigt war und nun? Ja, was nun? Es war ja Sturm, das hieß also, es ginge aufs Ganze? Sollten wir da nicht auch . . . . Aber wir hatten ja keinen Befehl und ohne Befehl unseren Posten zu verlassen?! Geht auch nicht. So holten wir denn unsere Gewehre; ich ließ laden, und verteilten uns dem ganzen Areal als Posten. Es konnte ja auch nun den Chinesen einfallen zu suchen, wo sich etwas mitnehmen ließe. Mit der Morgendämmerung ließ plötzlich die Beschließung

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nach, und wir machten einen Rundgang über das ganze Verpflegungsamt. Der ganze Platz lag voller Granatsplitter und Schrapnellhülsen, und die fünf Schuppen oder deren Dächer waren ungefähr 60 Mal durchschlagen; und doch kein weiterer Brand. Innen aber sah es fürchterlich aus. Die großen Kisten und Sackstapel waren umgestürzt, von eingeschlagenen Granaten aufgesprengt, der Inhalt zerstreut. Am Boden ein Gemengsel von Hartbrot, Backpflaumen, Milchbächen, Eiernudeln, Fleisch und Gemüsekonserven, heruntergebrochenen Dachsparren, an den Wänden ganze Panoramas von zerspritzter Butter, Preiselbeeren, Pikrinsäure. Und da kamen auch schon einzelne Soldaten die Straße herunter und riefen uns zu, wir sollten nach dem Signalberg schauen. Da, da wehte sie; die weiße Flagge. Und wir! Keinen Schuß getan! –
Die Landsturmwache zog jetzt in ihr Standquartier; wir gingen ins Büro zurück, d.h. es war einst unser Büro, denn die Granaten hatten auch hier schön gehaust. Kleine Trupps Japaner kamen schon die Deutschlandstraße herauf; da nahm ich alles Wertvolle an mich und machte von Belegen und Dokumenten ein großes Feuer, wie es die Kriegsverpflegungsvorschrift vorschreibt.
Gingen uns nur von dem beißenden Rauch die Augen über?! –
Am übernächsten Abend zeigte sich schon, daß die Japaner trotz der vielen Zeit, die sie für ihre Vorbereitungen hatten, für eine richtige Verpflegung der von ihnen gefangen genommenen Truppen nicht vorgesorgt hatten, trotzdem der Feind ja nur einen Bruchteil der Gefangenenzahl, die er angenommen, vor sich sah, und so kam es sehr vonstatten, daß wir das Feuer nicht hatten um sich greifen lassen und jetzt noch ca. 10 000 Portionen Konserven in das vorläufige Konzentrationslager nach Tapatung gebracht werden konnte.
Später verlangte eine japanische Kommission eine Aufstellung der noch vor-handenen Vorräte, und damit schloß sich auch hinter uns

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das Tor des Verpflegungsamtes.
Im vergangenen Jahr lebten wir hier in japanischer Gefangenschaft wieder einige Monate von den seinerzeit noch in Tsingtau lagernden Konserven, wodurch uns erst recht zum Bewußtsein gebracht wurde, eine wie viel bessere Qualität doch unsere deutsche Verwaltung der Verpflegung ihrer Truppen sich zum Grundsatz gestellt hat als die unserer Feinde.
R. Eckhardt.

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Silbenrätsel..

Die Erste und Zweite, sie wurden zum Tagen
Erfolgreich verwendet in früheren Tagen.
Die Dritte galt in der heidnischen Zeit
Als heilig und war den Göttern geweiht.
Das Ganze einen Namen dir nennt
Den jeder Deutsche ehret und kennt.
A. Dt.
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Auflösung des Logogriphs in Nr. 37.

Strumpf – Trumpf – Rumpf – Rum
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