Lagerfeuer 1-34

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Lfd No. 34 Matsuyama, Sonntag, den 17. September 1916

Matsuyama Teil II



Tier- und Pflanzenwelt von Matsuyama.
Von R. Klautke.

Mit 4 Tafeln nach Zeichnungen von H. Freisewinkel.

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Pflanzen- und Tierwelt Matsuyamas

Jeder Reisende, der Japan betritt, ist erstaunt über die ungewöhnliche Ver-schiedenheit der Pflanzenwelt und ihre Üppigkeit. Man sieht die Fichte und Kiefer des Nordens friedlich nebeneinander mit dem Bambus und sogar mit der tropi-schen Palmen. Die Palmengrenze geht in Norden unserer Insel Schikoku vorüber. Reisfelder wie in Indien wechseln mit Gersten- und Weizenfeldern unserer Heimat oder folgen aufeinander. Dazwischen bieten riesige Kampferlorbeerbäume tiefen kühlen Schatten, wie diese nur noch auf Formosa wachsen. Die Zahl der bekannten Pflanzenarten ohne die Moose und die anderen niederen Pflanzen hat 3000, eine verhältnismäßig große Zahl erreicht. Von Waldbäumen besitzt Japan, dazu wird allerdings Korea gerechnet, 186 Arten gegen 85 in Europa. Der Grund hierfür ist wohl zu suchen in dem milden Klima, in dem reichlichen Regenfall und in den bequemen Verbindungsgliedern, der Inseln und Inselgruppen, die eine Einwanderung von Pflanzenarten aus dem asiatischen Festland und der südlichen asiatischen Inselwelt begünstigen. Einen großen Einfluß auf die Zusammensetzung der hiesigen Flora hat sicher auch die Eiszeit gehabt. Der Raum verbietet es, darauf näher einzugehen. Auf etwas muß ich noch aufmerksam machen, das ist die Gleichheit der japanischen Flora mit jener der benachbarten Küsten Asiens. Wenn Korea und auch China in botanischer Hinsicht erst völlig durchforscht sein werden, wird sich noch mehr herausstellen als bisher, daß viele Arten, die hier als heimisch (als japonica) gelten, festländische sind. Man weiß heute schon, daß einige sehr verbreitete Pflanzen erst in historischer Zeit eingeführt worden sind. (Teestrauch mit dem Buddhismus und der Orangen- oder Apfelsinenbaum im 8. Jahrhundert)
So weit die allgemeine Betrachtung. Da meine Ausführungen eine Erinnerung für alle, die an diesem Orte in Gefangenschaft leben, sein soll, beschränke ich mich weiterhin nur auf das, was wir in unseren Gärten und auf Spaziergänge sehen konnten, und was allgemein in die Augen fällt. Zu spezialisieren hätte keinen Zweck, da ein Laie sich doch nicht orientieren

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könnte.
Die erste Ernte ist vorüber. Meistens war Gerste (Hordeumvulgare) und zwar die 6-, 4- und 2-zeilige, und Weizen (Triticumvulgare) zu sehen, zwei als Brotgetreide wichtige Arten. Die Ränder dieser Getreidefelder waren häufig mit der weißen Gemüsebohne (Phaseolusvulgaris), der sogen. Saubohne (Viciafaba) und der gelblichen Felderbse (Pisumsatioum) eingefaßt. Ganz vereinzelt sieht man einige Maispflanzen (Tea mays) und den in Nordchina so massenhaft angebauten Gauliang (andropogonSarghum). Verhältnismäßig kleine Flächen sind mit Kartoffeln (Solanumtuberosum) bestellt. Wahrscheinlich sind diese nur für die Kriegsgefangenen und die andern hier lebenden Europäer bestimmt. Eine der Kartoffel verwandte Pflanze, die Eierpflanze (Solanummelongena), wird dagegen häufig angebaut. Wir haben im vorigen Sommer die violetten, eierförmigen Früchte in großen Mengen für unsern Küchen geliefert bekommen. An dieser Stelle erwähne ich noch folgende für unser Essen verarbeitete Gemüse: verschieden Kohlarten, Kohlrabi, Salate, Spinat, weiße Rüben, Mohrrüben (Karossen). Auch die in China so häufige Süßkartoffel (Batatasedulis), in Japan erst 1698 eingeführt und auch die Erdnüsse (Arachishypgaea) sind wenig zu finden.
Wenn man von erhöhten Platze im Frühlinge über das satte Grün der Getreide-felder schaut, fallen uns hin und da kleine violett leuchtende Flächen auf. Sie sind mit einer Futterpflanze bebaut, dem chinesischen Tragant (Astragalussinicus). Er kommt auch wild oder verwildert an Wegrändern und den Ufern der Teiche und der Gräben vor.
Allen denen, die vom Lande stammen, wird aufgefallen sein, daß die Getreide-felder anders als bei uns bestellt werden. Weizen und Gerste werden nicht in die eben geeggte Fläche gesät, sondern in erhöhte Furchen gestreut. Das hat seine guten Gründe. Die Bevölkerung ist hier so dicht und die bebauungsfähige Fläche in dem gebirgigen Lande (nur 12%) so gering, daß jeder Bauer nur ein kleines Stück sein eigen nennt oder

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in Pacht hat, von dem er und seine zahlreiche Familie leben muß. Er ist also genötigt, seinen Besitz auf die größtmöglichste Weise auszunutzen; er muß tunlichst mehrere Ernten erzeugen. Da das angebaute Land fast ausnahmslos in den Schwemmlandebenen liegt, würde das Unkraut in dem feuchtwarmen Klima in viel größerem Maße wuchern als bei uns zu Hause. Die Bebauung muß also derartig sein, daß das Getreide von Unkraut rein gehalten werden kann. Außerdem fallen hier so häufige und so starke Regen, daß das sich nur allmählich verlaufende Wasser den Getreidepflanzen sehr schädlich werden könnte. Da es sich aber in den tiefen Rinnen zwischen den Furchen sammelt, stehen die Wurzeln hoch und trocken. Wir haben alle an den Feldern die vielen Dunggruben gesehen. Da eine Viehzucht und Viehwirtschaft nicht besteht, ist der Inhalt der Aborte, die menschliche Jauche, der einzige natürliche Dung. Bei dieser Art der Bebauung kann, so zu sagen, jede Pflanze einzeln und wiederholt gedüngt werden. In welchem Maßen künstlicher Dung verwandt wird, entzieht sich meiner Kenntnis.
Während das Getreide im Reifen steht, sehen wir schon die Vorbereitungen für die zweiten Ernte. Kleine Flächen stehen unter Wasser. Aus diesem sprießen spitze, hellgrüne Pflänzchen, der junge Reis, welcher, wenn das Getreide fort ist, eine bestimmte Größe haben muß, um verpflanzt werden zu können. Der Acker wird nach der Ernte sofort umgepflügt, oberflächlich geebnet und unter Wasser gesetzt. Dann wird die Jauche in das Wasser gegossen, in welchem sie sich gleichmäßig über die ganze Fläche verteilt. Nach dem vollständigen Ebenen beginnt nun das Einpflanzen des jungen Reises. Es ist eine wenig angenehme Arbeit, die von Männern und Frauen unter glühender Sonne und bis an die Knien im Schlamm watend, vollbracht wird. Bambusstangen mit daran befestigten Marken dienen dazu, die Pflanzen in regelmäßige Reihen zu bringen. Der in der Ebene

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wachsende Reis ist eine Sumpfpflanze (Orysastiva). Das erklärt uns, warum die Felder ständig unter Wasser gehalten werden. In der Gegend zerstreut liegen größere Becken, die das Wasser sammeln. Von dort wird es durch praktisch angelegte Leitungssysteme über die terrassenförmig angelegten Felder geleitet. Wie ich erfahren habe, ist dieses von den einzelnen Gemeinden durch strenge Vorschriften geordnet, eine eigenmächtige Berieselung also ausgeschlossen.
Ende Oktober oder Anfang November ist der Reis reif und wird geerntet. In höher gelegenen Teilen, wo eine regelmäßige Bewässerung nicht möglich ist, wird der weniger ertragreiche Bergreis (Oryzamontana) angebaut.
Auf kleinen, unter Wasser stehenden Parzellen findet man eine Pflanze, deren Blattstiele bis 5 Fuß lang werden, und deren sehr große Blätter pfeilförmige Gestalt haben. Leucocasiagigantea oderColocasiaantiquorum. Die erstere hat grüne Stengel, die letztere ist etwas kleiner und ihre Blattstiele sind violett angelaufen. Die dicken fleischigen Wurzelstöcke der beiden werden von den Japanern gekocht oder als trocken konserviertes Gemüse gegessen.
Strohschober, die auf allen Feldern stehen, auch Hecken und Häuser sind mit einer Kürbisart (Luffacylindrica) berankt. Die gurkenähnliche Frucht hat im Inneren ein dichtes Fasergewebe. Sie wird im reifen Zustande abgenommen und getrocknet. Durch Klopfen werden die fleischigen Bestandteile entfernt und ein Netzgeflecht bleibt übrig. Diese Luffaschwämme bilden einen wichtigen Handels-artikel und werden zu Badeschwämmen, Einlegesohlen, zu Mützen usw. ver-arbeitet.
Auf stehenden Gewässsern, besonders auf dem Graben, der die japanische Kaserne umgibt, auch auf den Teichen unserer Lagergärten schwimmt eine rötlichen Pflanzendecke. Sie setzt sich aus vielen einzelne Exemplaren einer Wasserfarnart zusammen (Azolla pinata).

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Pflanzen(1)
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Eine besonders in der buddhistischen Lehre viel genannte und eine große Rolle spielende Pflanze ist die Seerosenart Nelumbo, der sogen. Lotus (Nelumbonucifera). Auf den schattigen Teichen schwimmen seine großen, kreisförmigen, bei einzelnen Arten trichterförmigen Blätter, zwischen denen die prächtigen, tulpenähnlichen Blüten stehen.
Von den Japanern hoch geschätzt wird die Blüte der Wistaria(Wistariabrachybotrys und Wistariachinensis). Besonders sind damit am Wasser stehende Lauben bepflanzt. Da die in großen Trauben hängenden blaßblauen Blüten vor den Blättern kommen, erscheinen die Lauben in einen duftenden bläulichen Schleier eingehüllt.
Am Rande der Teiche findet man die verschiedenen Iris-Arten. Auch diese Blüten stehen beim hiesigen Volke in hohem Ansehen und werden zur entsprechenden Zeit besucht.
Der Herbst ist die Jahreszeit der Chrysanthemen. Wir haben die prächtigen Blüten in den einzelnen Ausstellungen wiederholt bewundern können, wir haben auch gesehen, wie sie zu allen möglichen Formen umgearbeitet werden: Götter, Boote, Brücken usw. Die Mannigfaltigkeit ist verblüffend. Da gibt es nicht nur jede Farbe, sondern auch jede Form. Manche tragen fünf oder sechs Arten von verschiedener Farbe. Auf einer einzigen Pflanze hat man bis 1320 Blüten hervorgebracht. In anderen Fällen wird die ganze Energie der Pflanze auf eine einzige Blüte konzentriert, die dann ein kopfgroßes zerzaustes Monstrum hervorbringt. An dieser Stelle möchte ich die Reihenfolge der Blüten aufzählen, wie sie im Laufe des Jahres vom japanischen Volke bewundert werden.
1. Weiße Pflaume (Prunusdomestica) (Januar bis Anfang März)
2. Kirschblüte (Anfang April)
3. Paeonie (Paeoniaofficinalis)(Ende April)
4. Wistaria (Erste Woche im Mai)
5. Azaleen (Erste Hälfte des Mai)
6. Iris (Erste Hälfte des Juni)

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7. Winde (Ende Juli bis August)
8. Lotus (Anfang August)
9. Chrysanthemen (Anfang November)
10. Die Farbe des Herbstlaubes, besonders des Ahorns (Nach Murray)
Ein japanisches Landschaftsbild kann man sich ohne Bambushaine gar nicht denken. Der Bambus ist eine Grasart mit sehr schnellem Wachstum (2-3 Fuß innerhalb 24 Stunden), innerhalb eines Sommers erreicht er seine volle Größe. Was wir als Bambus bezeichnen, gehört drei verschiedenen Gattungen an. Der japanische Botaniker Matsumura hat 50 verschiedene Arten gezählt, ausgenommen eine Menge Spielarten. 39 davon sind heimisch, die andern sind zu verschiedenen Zeiten aus Korea, aus China und von den Liukiu-Inseln entweder als Industrie- oder Zierpflanzen eingeführt worden. Er ist gegen Witterungseinflüsse durchaus nicht so empfindlich, wie allgemein angenommen wird. Hohe Bambusrohre findet man in Gegenden, die eine mehrere fußhohe Schneedecke im Winter tragen.
In dem Bambus hat Japan ein wertvolles Geschenk von der Natur erhalten. Seine Verwendung ist eine derartig reichhaltige, daß der Japaner ohne ihn kaum auskommen kann. Zum Tragen schwerer Lasten, als Stangen zum Trocken der Wäsche, als Flaggenmaste, als Dachrinnen, Wasserleitungsröhren, als Stütze für das Fachwerk der Häuser, als Stangen für die Fortbewegung der Schiffe werden größere Arten benutzt. Die Sprößlinge mehrerer Arten werden gekocht und gegessen. Noch mannigfaltiger ist die Verarbeitung zu Gebrauchsgegenständen. Chamberlain führt auf: „Federhalter, Besenstecken, Spazierstöcke, Schirmgriffe und auf die Stäbchen der Schirme, Angelruten, Peitschen, Leitern, Meterstäbe, Kulihüte, Reusen für den Austernfang und das Auffischen von eßbarem Seegras, auch Zäune und die Häuser, Dämmen von Flüssen (große Steine werden zu diesem Zwecken in Bambusgeflechte eingeschnürt), ornamentale Böden von Verandas und Teeräumen, Reisekoffer, Fackeln, Eßstäbchen, Spieße, Vogelbauer, Fischreusen, Flöten, Trompeten, Bilderrahmen,

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Faßbänder, selbst Nägel, Schopflöffel, Teeschöpfer, Siebe, Fensterläden, Fächer, selbst Blumenvasen, besondere Apparaten verschiedener Art für den Gebrauch in den Künsten, Spielwaren und Schmuckgegenstände von unzähliger Art. Die getrockneten Hülsen der jungen Bambusstengel dienen zum Einwickeln, wie Reisbrote, Fleisch und Küchen gebraucht werden und sogar zur Konstruktion von Brücken in ländlichen Bezirken. Eine Art endlich kann durch Kochen ausgedehnt werden zu Mulden, die sehr geschätzt werden.„ Mit dieser Liste sind sicher noch nicht allen Verwendungsmöglichkeiten erschöpft; es könnte noch vieles hinzugefügt werden. Kein Material ist aber auch so billig und läßt sich so leicht bearbeiten.
Weil die niederen Teile unserer Insel subtropischen Charakter tragen, treten immergrüne Sträucher und Bäume deshalb vielfach auf: Kamelien (Camelliajaponica) und Teestrauch (Theasinensis), Rhododendron und Azaleen, Buchsbaum, Myrten, der Lorbeer (Laurusnobilis), viele ihm verwandte Arten, und vor allen Dingen Apfelsinen und Orangenbäume. Die letzteren sind in China heimisch und haben sich von dort über alle wärmeren Länder der Erde verbreitet. Wir haben alle die hellgrünen Früchte, die von Februar bis April aus dem dunkelgrünen Laube hervorleuchten, als Winterobst schätzen gelernt. Drei verschiedene Arten kommen in Matsuyama vor. Eine große Spielart der Zitrone (Citrusmedica) (aus den dicken Schalen der Früchte wird das Zitronat gewonnen), dann die eigentliche Apfelsine (Citrusaurantium) und die als Mandarinen (Mikans) bezeichneten Früchte von Citrus nobilis und seinen Spielarten.
Von anderen Obstarten ist weiter der Biwa-Baum (Eriobotryajaponica) zu erwähnen. Zwischen den langen, stark gerieften Blättern am Ende der Zweige kommen Ende November bis Dezember hie-

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durch die weißlichen Blüten hervor. (Die Blütenzeit kann sich auch bis zum Februar hinziehen.) Im Mai und Juni sind die in einem dichtgedrängten Knäuel stehenden gelben Früchte reif. Sie sind sehr wohlschmeckend und saftig.
Durch seine leuchtend roten, glänzenden und pflaumenähnlichen Früchte fällt in Juli und August der Kaki-Baum (DiospyrisKaki) auf.
Ganze Alleen, besonders in Parkanlagen, sind mit dem japanischen Kirschbaum (Prunuspseudocerasus) bepflanzt. Er wird nicht seiner Früchte, sondern nur wegen seiner Blüten gezogen. Anfang April kommen die einfachen Blüten vor den Blättern zur Entfaltung, die gefüllten etwas später. Die japanischen Familien ziehen dann mit Kind und Kegel aus, lagern sich im saftigen Gras und erfreuen sich an dem duftenden Blütenflor. Die Kirschblüte spielt im japanischen Volksleben dieselbe Rolle wie bei uns die Rose. Japanische Dichter haben sie seit den ältesten Zeiten verherrlicht. Motoori ruft aus: „Wenn jemand dich nach dem Geist des wahren Japaners fragen sollte; so deute auf die wilde Kirschblüte hin, die in der Sonne glänzt.“ Und ein japanisches Sprichwort sagt: „Die Kirschblüte ist die erste unter den Blüten, wie der Krieger unter den Männern ist.“
In vielen Spielarten sieht man den Pfirsichbaum (Persicavulgaris), dessen sammetschaligen Früchte zu den geschätztesten Obstarten gehören.
Von Palmen habe ich zwei Arten gefunden: die in den Mittelmeerländern heimische Zwergpalmen (Chamaerapsexcelsa) und eine größerer 4-5 m hohe Art (Rhapisflabelliformis).
In den subtropischen Gebieten sind die großen Wälder früherer Zeitalter vollkommen abgeholzt worden. Nur die schönen Tempelwälder geben uns noch einen schwachen Begriff ihrer einstigen Schönheit. Heute verbietet ein Forstgesetz diesen Raubbau, vielmehr werden systematische Anforstungen gemacht. In der Umgebung unseres Ortes

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finden wir - außer bei den Tempeln - nur noch an den Ufern des Flusses im Süden der Stadt Bäume, die in Norden des Landes bis heute ausgedehnte Waldungen bilden. Es sind hauptsächlich Ulmen, Eichen und Erlen. Ich will nicht einzelne Arten aufzählen, weil diese sehr schwer zu unterscheiden sind, sondern erwähne nur, daß es in Japan über 20 verschiedene Eichen gibt, gegen zwei bei uns zu Hause. Auf sonnigen Grasplätzen am Flusse blüht in großen Mengen ein Kraut: die wohlriechende Nachtkerze (Oenotheraadorata).
Zwei Ahornarten habe ich bestimmt: eine mit sehr zierlichen, an den Rändern oft rot angelaufenen Blättern, Acer palmatum, im Garten des Kokaido, und eine mit etwas größeren Blättern, Acer japonicum in Dairinji.
Verschiedene, dem in anderen Teilen Japans wachsenden Lackbaum verwandte Arten, kommen hier wild vor im Dogopark und in den Lagergärten. Hauptsächlich sind es Rhussilvestris und Rhustrichocarpa. Die Blätter des letzteren färben sich im Herbst leuchtend rot (ein Exemplar im Garten des Kokaido): Alle enthalten einen scharfen ätzenden Saft, der als Holzbeize dient.
An den Teichen steht vielfach eine Weide mit langen und dünnen Zweigen. Es ist die bei uns an Grabstätten häufig zu findende Trauerweide (Salixbabylonica).
In besonderem Ansehen steht in Japan der merkwürdige Ginghobaum (Ginghobiloba). Wie die Mehrzahl unserer Laubbäume wirft er im Herbst seine Blätter, die langgestielt und lederartig sind und die infolge ihrer Keilform und ihrer strahlig verlaufenden Nerven überaus sonderbare Gebilde darstellen. Wissenschaftlich ist er insofern interessant, als er seinen Fortpflanzungsorganen nach zu den Nadel-bäumen gehört, seinem äußeren Aussehen und Verhalten nach den Laubbäumen gleicht. Er stellt ein Bindeglied zwischen Nadel- und Laubbäumen dar.
Alle Hügel und Berge, die für Ackerbau nicht geeignet sind, sind

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mit Kiefern bestanden. Hauptsächlich ist es die dichtblütige Kiefer (Pinusdensiflora). Sie machen dort einen ziemlich kümmerlichen Eindruck, erreichen aber am Fluß beträchtliche Größe und Stärke.
Von andere Nadelholzgewächsen finden wir besonders am Schloßberg und an Tempeln den orientalischen Lebensbaum (Thujaorientalis) mit mehreren Spielarten, die ihm nachentstehende glatten Chamaecyparis und die schöne hohe Cryptomeria japonica, die auch derartig geschnitten werden kann, daß sie dichte Hecken bildet. Das Holz der beiden letzten Arten eignet sich besonders zu Lackwaren.
Kiefer, Pfirsich, Ahorn und andere werden in Gärten und Töpfen in ihrem Wachstum künstlich zurückgehalten und zu den wunderbarsten Zwergformen gezogen.
Es wären noch viele eigenartige Kräuter und Bäume anzuführen, sie liegen aber meiner Ansicht nach über dem allgemeinen Interesse. Die angeführten Arten genügen wohl, dem Leser einen allgemeinen Begriff der hiesigen Vegetation zu geben und einiges Interesse für die hiesige Pflanzenwelt zu wecken.
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Ebenso wie die Flora gleicht auch die Tierwelt Japans der der benachbarten Gebiete Asiens. Die Erklärung hierfür liegt wie dort in dem Zusammenhang des Inselreiches in früheren Erdperioden mit dem Festlande und in den bequemen Verbindungsgliedern zwischen den beiden. Da die Nord-Süd-Ausdehnung von tropischen Breiten bis zu den kältesten Gebieten der gemäßigten Zone reicht, ist natürlicherweise die Gesamttierwelt, besonders die niedere, mannigfaltiger zusammengesetzt als die Deutschlands.
Was haben wir nun von Tieren in Matsuyama gesehen?
Alle Haustiere, die wir in unserer Heimat haben, Rinder, Pferde, Schweine, Katzen und Hunde, kommen auch hier vor. Da eine Rinder- u. Pferdezucht in unserem Sinne nicht besteht, unser Auge sich nicht an weiten Triften mit weidenden Herden erfreuen kann, ist die Qualität der Tiere

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natürlich nicht mit der unserer Heimat zu vergleichen. Für den Japaner sind sie eben nur Last- und Zugtiere. Daß es hin und wieder recht gute Exemplare gibt, haben wir vergangenes Jahr auf der landwirtschaftlichen Ausstellung gesehen. Der Esel, das Schaf und die Ziege fehlen.
Füchse sind noch vor kurzer Zeit am Schloßberg vorgekommen. Es ist wohl anzunehmen, daß sie mit Wildkatze, Marder und Dachs noch in den umgebenden Bergen zu finden sind. Wild: Hirsche, Rehe, Hasen, Kaninchen, scheint völlig ausgerottet zu sein, wenigstens ist mir weder ein lebendes noch ein totes Exemplar vor Augen gekommen. Fledermäuse haben wir häufig am Abend durch die Luft flattern sehen. Zehn Arten kommen hier vor. Der an und für sich nützliche Maulwurf zerwühlt auch hier die Gemüsegärten und Getreidefelder. Der Igel fehlt in ganz Japan. Über die Mäuse und Rattenplage brauche ich wohl keine Worte zu verlieren; wir haben sie in unseren Lagern genügend kennen gelernt. Damit wären die Säugetiere erschöpft, wenigstens all, welche ich als Gefangener beobachten konnte.
Auf den Schlag der Finken, das Trillern der Lerche, überhaupt auf den vielstimmigen Gesang unserer heimischen Vogelwelt haben wir hier verzichten müssen. Die japanische Nachtigall (Cettiacantans) habe ich im Vorbeigehen bei Vogelhändlern und in einzelnen Häusern gesehen und gehört. Zu einer Beobachtung im Freien hatte ich keine Gelegenheit. Sicherlich wird sie in den Gebüschen an den Bergwässern und den Bächen der Ebene leben. Der Gassenbube Spatz treibt auch hier sein Unwesen. An den auf den Dornen unserer Gartenhecke aufgespießten Laubfröschen macht sich der rotrückige Würger (Laniuscollurio) bemerkbar. Die Hausschwalbe baut auch an dem Balkenwerk der Häuser ihr Nest. Rabenkrähe und Kolkraben erfüllen mit ihrem heiseren Geschrei die Luft. Vereinzelt sieht man eine Weihe und einen Bussard. Am Kokaido kommen fast regelmäßig Rohrdommeln vorbei. Tauben und alle anderen Geflügel werden als Haustiere gehalten. Strandläufer sind auf den Sand-

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bänken am Unterlauf des Flusses zu beobachten. Fasanen, Reiher und Kraniche gibt es in der Umgebung nicht.
In Hecken lauert eine blaugraue Eidechse (Enmecex oder Prestiodonaninquelineatus) auf Fliegen, Mücken und Käfer. Das Männchen hat auf dem Rücken vier schwarze Streife, das Weibchen zwei braune und zwei schwarze. - An Mauern, Felsen (Dogo) und Steinen ist eine schmutzig graue Eidechse zu finden (Trachydromustrachydromaides). Auffallend ist bei ihr der lange, peitschenartige Schwanz. - Der grau und braun gefleckte japanische Mauergecko (Geckojaponicus) macht unserem Kokaido in jedem Sommer seinen Besuch. Durch die merkwürdig gebauten Füße - die Zehen sind scheibenförmig und haben auf der Unterseite häutige Blättchen - wird er befähigt, an senkrechten Wänden und an der Zimmerdecken umherzulaufen, um Fliegen und Mücken zu fangen.
Von giftlosen Schlangen habe ich drei Nattern festgestellt. Elaphis virgatus, bis 5 Fuß lang, aschgrau mit schwarzen Längsstreifen, lebt in den Hecken und dichten Ahorngebüschen unserer Gärten. Sie ist in diesem Jahre nicht so oft getötet worden wie im vorigen. Man scheint sich überzeugt zu haben, daß sie vollkommen ungefährlich, vielmehr nützlich ist. Verhältnismäßig weniger kommt die braune, am Bauche weißliche Tropidonotusmartensi vor. Auch diese ist ungefährlich. An und in den Reisfeldern sieht man die bis 3 Fuß lange, oberseits hellgrau mit schwarzen Flecken, an der Unterseite leuchtend rot mit dunkleren Flecken gezeichnete Tropidonatus tigrinus.
In ganz Japan gibt es nur die giftige Viper (TrigonocephalusBlomhoffi). In unserem Garten habe ich sie noch nicht gesehen. Sie soll aber im Gebüsch und Unterholz auf den Hügeln und Bergen der Umgebung vorkommen. Sie wird bis drei Fuß lang und ist leicht an dem kurzabgesetzten Schwanz, dem rautenförmigen, abgeschnürten Kopf und den dunklen Schlängelstreifen auf dem aschgrauen Rücken zu erkennen. Die beiden Streifen zu beiden Seiten des Körpers setzen sich aus kreisförmigen Flecken zusammen.

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Wiederholt ist in unserem Teiche die japanische Sumpfschildkröte Clemmysjaponica gefangen worden.
Von Amphibien sind zu erwähnen der grüne Wasserfrosch (Ranaesculenta), der braune Grasfrosch (Ranatemporaria), der Laubfrosch (Hylaarboria) und die Erdkröte (Bufovulgaris). Der letztere kann eine ansehnliche Größe erreichen. Im Schlamm der Teiche leben einige Salamander- und Molcharten.
Die japanischen Gewässer sind wie die chinesischen die fischreichsten der Welt. Fischfang und Fische spielen im japanischen Wirtschaftsleben eine große Rolle. Tausenden der Bevölkerung verschafft der Fischfang Beschäftigung und Unterhalt. Fisch gehört zu den Hauptnahrungsmitteln. Wer einmal gezwungen gewesen ist, eine Zeitlang japanisch zu essen, und wer die Speisekarte japanischer Essen studiert, wird finden, daß es Fisch und immer wieder Fisch, roh, geröstet, getrocknet gebacken, zu Knödeln geformt usw. gibt. 400 Arten sollen die japanischen Gewässer bewohnen.
Im folgenden beschränke ich mich nur auf die, welche unseren Küchen geliefert worden sind, die also jeder bis zum Überdruß gegessen, und die jeder anzusehen Gelegenheit gehabt hat. Ich beginne mit dem König der japanischen Fische, dem Tai, der das wohlschmeckendste und geschätzteste Fleisch hat. Ein japanisches Sprichwort sagt von ihm: „Selbst wenn er verfault ist, ist er immer noch ein Tai.“ Es gibt mehrere Arten, die meisten sind rosarot, an der Unterseite bläulich. Es ist die Seebarschart Pagrus vardinalis. Er und die folgenden, die ich aufführe, gehören zu den Stachelflössern, anatomisch zu den Fischen ohne Schwimmblasengang (Acanthopteren). Von den anderen Seebarscharten haben wir gegessen den Isaki (Pristipomajaponicum), dem Bora (Mugilcehalotus) und den Nibe (Sciaenajaponica). Ein einziges Exemplar desselben, reichlich ein Meter lang und etwa 40 Pfund schwer, hat einmal das Abendessen für ganz Kokaido geliefert. Die Familie der Makrelon ist mit 40 Arten vertreten. Wir haben davon gesehen den Aji, die Pferdemakrele (Trachurustrachurus),

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den Saba (Scombercolias) und drei Tunfische: der von uns als großer und kleiner Schweinsfisch mit den langen Würmern in dem Rücken bezeichneten Buri auch Hamaji (Seriolaquinqueradiata), der Maguro (Thynnussibi) und der Katsuo (Thynnuspelamys).
Von Weichflössern und Fischen mit Schwimmblasengang (Physostomen) haben wir im Herbst eine Art Sardine kaufen können. Von Aalen sind in der Küche, leider zu wenig, verarbeitet worden: Der Seeaal Umiunagi (Mysufurapterus) und der Unagi (Anguillajaponica). An dieser Stelle erwähne ich die in Teichen gehaltenen Karpfen (Barbusfluviatilis), den Goldfisch (Tincavulgaris) und den Schleierschwanz (Carassiusauratus), mit vielen Spielarten. Zuletzt nenne ich noch den fliegenden Fisch Tobiuwo (Gypselurusagoo), der, wenn auch selten, in unserer Küche zu sehen war.
Die Insektenwelt Japans ist ungemein reichhaltig. Käfer u. Schmetterlinge sind gut durchgeforscht, die übrigen weniger. Bis jetzt sind etwa 140 Arten von Schmetterlingen und etwa 4000 Arten von Motten bekannt, es ist etwa 2-3 mal soviel als in Europa. Es ist also klar, daß ich die einzelnen Arten nicht aufführen kann. Unsere Schmetterling- und Käfersammler haben sich ja selbst überzeugt, wie mannigfach und farbenprächtig die Schmetterlings- und Käferwelt ist. Ich greife also nur einige heraus, die wie ich beobachtet haben, allgemeines Interesse erregt haben. Von Käfern wäre zu nennen der in den Teichen so zahlreich auftretende Gelbrand (Dycticusmarginalis) und der größeren pechschwarze Kolbenwasserkäfer (Hydrophiluspiceus).
Bienen sind selten. Nur vereinzelt sind auf den Blüten eine kleine gelblich braune Art zu sehen. Hummeln und Wespen sind vorhanden, häufig die große, gefürchtete Hornisse (Vespacrabro). Von Ameisen habe ich zwei schwarze Arten gesehen, eine große häufig an Bäumen vorkommende und eine kleine, die sich besonders in den Häusern unliebsam bemerkbar macht.

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Die Stubenfliege (Muscadomestica) tritt zwar häufig auf, doch wird sie meiner Ansicht nach nicht dermaßen zur Plage wie in den ländlichen Bezirken unserer Heimat. Wahrscheinlich ist der Grund dafür in dem Mangel an Viehwirtschaft zu suchen. Dung ist nämlich der Brutplatz der Larven. Aus diesem Grunde treten wohl auch die Bremsenarten so wenig auf. Von anderen Fliegen ist die Schlammfliege (Eristalistenax), wenigstens in Kokaido durch ihre im schlammigen Wasser lebende Rattenschwanzlarven an bekanntesten. Der lange dünne Schwanz der Larven kann sich einige cm lang strecken, bis er der Oberfläche erreicht und dient dann als Atemröhre. Die Larve wurde sehr treffend mit einem Unterseeboot verglichen, das sein Periskop über das Wasser erhebt, um Ausschau zu halten.
Eine große Plage bilden verschiedene Stechmückenarten, alle unter dem Sammelnamen Moskitos zusammengefaßt. Die Fiebermücken (Anopheles) finden sich auch darunter. Glücklicherweise ist die Malaria hier nicht heimisch, diese Fieberkrankheit wärmerer Breiten für uns nicht zu befürchten.
Der Menschenfloh (Pulexirretans) ist in den Sommermonaten unser größter Quälgeist. - Die Bettwanze fehlt in ganz Japan. Pflanzenwanzen sind zahlreich. Im Teich lebt der zu den Wanzen gehörige Wasserskorpion (Nepacinerea).
Im Juli und August erfüllten die auf Bäumen lebenden Zikaden (Tettigis orni) die Luft mit lautem, schnarrenden Geräusch.
Von Heuschrecken habe ich die Laubheuschrecke (Locustaveridissima) gesehen. Nahe verwandt mit ihr ist die durch ihren Gesang bekannte Grille (Gryllus). Aus dem Boden kommt häufig an die Oberfläche die plumpe Maulwurfgrille (Gryllotalpagryllotalpa), deren vorderes Beinpaar, wie beim Maulwurf, schaufelförmig ausgebildet ist. Besonders Interesse ist der Gottesanbeterin (Mantisreligiosa) zugewendet worden. Die Vordergliedermaßen sind zu Raubbeinen umgewandelt, die mit scharfen Stacheln besetzt sind und taschenmesserartig eingeschlagen werden können. Sie dienen dem Tier als Fangorgan beim Ergreifen von Fliegen

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und anderen Insekten.
Häufig wird man in Garten, seltener im Zimmer durch einen großen Tausendfuß mit lebhaft roten Beinen (Scolapendra) erschreckt, dessen Stich seiner Kieferfüße nicht ungefährlich ist.
Die Menge von Netzen an Bäumen, Hecken und Häusern läßt auf die große Zahl der hier lebenden Spinnen schließen. Erwähnen möchte ich nur die kleine, besonders in Hecken sich aufhaltende Trichterspinne und eine große, auf dem Hinterleib gelb und schwarz gestreifte, deren Name ich nicht feststellen konnte.
Süß- und Salzwasserkrabben, zusammen mit Krebsen bevölkern die japanische Gewässer. Einmal ist unserer Küche eine Languste Ise-ebi (Palinurusjaponicus) geliefert worden. Auf Bestellung konnte man früher den Garneelenkrebs Kuruma-ebi (Peneuscanaliculatus) kaufen. An dieser Stelle nenne ich noch die Wasser-Assel (Asselusaquaticus) die im vorigen Jahr so zahlreich auftrat, daß unser Küchenbrunnen dadurch verunreinigt wurde.
Schnecken und Muscheln trifft man auf dem Lande und im Wasser in großen Mengen, Von Dunker sind von Weichtieren (Mollusken) an 1200 Arten beschrieben worden. Dr. Rein hält diese Zahl noch für viel zu klein. Auf den Straßen der Stadt habe ich oft bei den fliegenden Fischhändlern verschiedene Tintenfischarten gesehen. Sie werden von den Japanern gern gegessen.
Der Regenwurm soll das letzte Tier sein, das ich anführe. Die nun folgenden Tierklassen und Tierarten entziehen sich in den allermeisten Fällen durch ihre geringe Größe der unmittelbaren Beobachtung. Gerade diese Klein- Tierwelt ist ungemein zahlreich, und es wäre noch manches interessante Tier zu nennen. Leider fehlt mir zur Bestimmung das allernotwendigste Hilfsmittel: das Mikroskop. (Auf Befehl der Hohen Zensur zurückgeschickt).
Klautke.

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