Lagerfeuer

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Lf. Nr. 33 Matsuyama, Sonntag, den 27. August 1916

Rumänien.

Seit 14 Tagen ist als der zehnte unserer Gegner Rumänien auf den Kampfplatz getreten. Weniger als bei irgend einem der bisherigen Gefolgsleute des Vierver-bandes durchschauen wir die Zusammenhänge, die nach mehr als zwei Jahren äußerer Neutralität Rumänien zu dem Entschluß der Beteiligung an dem Krieg geführt haben, und die meisten von uns werden auch bei Rumänien weniger als bei den anderen Gegnern eine Vorstellung von seiner geschichtlichen und politischen Rolle haben.
Ein rumänisches Reich besteht erst seit 1859. Damals wählte die Nationalver-sammlung der Walachei den kurz vorher zum Fürsten der Moldau gewählten Obersten AlexanderCuza auch zu ihrem Fürsten und bewirkte damit die Vereinigung jener beiden bis dahin stets getrennt gewesenen Staaten, von denen die Moldau den nördlichen, die Walachei den südlichen Zipfel des heutigen Rumänien umfaßt. Die Vereinigung erfolgte in einem gewissen Gegensatz zu den benachbarten Großmächten. Die Möglichkeit zu einem derart selbständigen Vorgehen der Rumänien war eine mittelbare Folge des Krimkrieges, der dem bisherigen Vormunde Rumäniens, Rußland, den Arm gelähmt hatte. Der neue Fürst, der den Namen Alexander Johann I. annahm, stützte sich bezeichnenderweise weder auf Österreich noch auf Rußland, sondern auf Napoleon III., während er äußerlich ein Vasall des türkischen Sultans war. Er begann mit weitegehenden Reformen der Verwaltung, des Gerichts- und Unterrichtswesens und der sozialen Verhältnisse. Er kam dabei in starken Gegensatz zu den Bojaren (dem Adel) und entschloß sich 1864 nach napoleonischem Muster zu einem Staatsstreich und einer Abänderung der Verfassung, wurde aber 1866 durch eine Verschwörung zur Abdankung gezwungen. Die Rumänen boten ihren Fürstenfron zuerst dem Grafen Philipp von Flandern aus dem Coburger Hause, einem Brüder des Königs

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der Belgier, an. Er lehnte ab, dagegen nahm der darauf gewählte Prinz Karl von Hohenzollern-Sigmaringen die Wahl an und wurde im Oktober 1866 vom Sultan anerkannt. Das verhältnismäßig große Ansehen, dessen sich Rumänien in Europa erfreut, verdankt es im wesentlichen der überaus geschickten inneren und äußeren Politik dieses hohenzollernschen Fürsten, dessen Neffe und Nachfolger heute gegen uns kämpft. Er übernahm ein fast bankrottes Land voll schwerer innerer Parteikämpfe unter so scharfem Widerspruch Österreichs gegen seine Person, daß er heimlich durch das österreichische Gebiet in sein Land reisen mußte, und 11 Jahre später, beim Ausbruche des Russisch-Türkischen Krieges 1877, trat das junge Rumänien als Bundesgenosse von durchaus selbständige Bedeutung neben Rußland hervor und erkämpfte sich vor Plewna durch ein wohlgeschultes Heer die volle Unabhängigkeit von der Türkei, die durch die Königskrönung 1881 besiegelt wurde. Der Ruhm von Plewna hat das rumänische Heer bis heute begleitet, obwohl es nie wieder das Kriegsglück versucht hat; denn auch die Erwerbung des Silistriagebites im Laufe des zweiten Balkankrieges 1913, in dem das Heer allerdings mobil gemacht war, erfolgte ohne Kampf. So wird sich in dem jetzigen Kriege zeigen müssen, ob dies Rumänien auch nach dem Tode seines eigentlichen Begründers noch Bedeutung besitzt, die jener ihm zu geben wußte.
Rumänien tritt jetzt auf mit dem Anspruche, die ungarischen Gebiete mit überwiegend rumänisch sprechender Bevölkerung sich anzugliedern. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Siebenbürgen (= Transsylvanien) und das Banat, d.h. die Landschaft nördlich der Donau um Temesvar. Vom Standpunkte des freilich hier recht anfechtbaren Nationalitätsprinzips ist gegen diese Forderung wenig einzuwenden; denn Siebenbürgen ist die eigentliche Heimat des ganzen rumänischen Volkes, und das Banat wurde von den Rumänen besiedelt, nachdem die Siege des Prinzen Eugen am Ende des 17. Jahrhunderts die Türkenherrschaft dort vernichtet hatten. Aber es gibt zu denken, daß die jetzt geforderte

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Vereinigung des rumänischen Volkes in der ganzen Geschichte bisher nie bestan-den hat und auch nie ausdrücklich angestrebt worden ist. Das hängt mit der merkwürdig passiven Rolle, die die Rumänen stets gespielt haben, zusammen. Ein kurzer Blick auf ihre Geschichte mag dies zeigen.
Im 2. Jahrhundert n. Chr. unterwarfen die Römer, hauptsächlich unter Kaiser Trajan, die dakischen Völkerschaften im Norden der Donau und im Osten des Theiß. Eine kurze Zeit hindurch fand auch eine lebhaften Auswanderung römischer Kolonisten in dieses Land statt; aber unter dem Drucke der westgotischen Einwanderung von der unteren Donau her gaben die römischen Kaiser schon um 270 das Land nördlich der Donau endgültig auf. Trotzdem hat sich hier in dem von der Völkerwanderungen wenig berührten Gebirgslande eine romanische Sprache bis heute erhalten, während die Balkanhalbinsel, soweit nicht griechische Kultur herrschend blieb, überwiegend die Sprache der slavische Einwanderer annahm, die nach dem Abebben der Hunnenflut und der Gotenzüge vom 6. bis zum 10. Jahrhundert ihren Weg einerseits durch Bulgarien bis nach dem Peloponnes, andererseits durch Ungarn bis nach Kroatien und Serbien fanden. Diese Fähigkeit der Nachwirkung der verhältnismäßig kurzen römischen Herrschaft ist um so bemerkenswerter, als wir bis zum Jahre 1000 eigentlich nichts von den Rumänen mehr hören. Die Geschichte Südost-Europas wird in dieser Zeit allein beherrscht von den asiatischen Stämmen, die nördlich und südlich um die östlichen Karpathen herum nach Europa einwanderten und sich teilweise mit den Slaven mischten. So kamen im 6. Jahrhundert die Bulgaren nach der untern Donau und dem Balkan, die Awaren nach Ungern. Ihnen folgten die Magyaren, die zunächst neben dem Volksstamm der Bessen in Bessarabien Wohnsitze einnahmen, bis sie, von den Petschenegen westwärts gedrängt, nach Ungarn weiterzogen und hier 896 das Awarenreich vernichteten. Seitdem hat innerhalb des Karpathenbogens politisch kein anderer Einfluß geherrscht als der der Magyaren und der Deutschen, bis im 16 Jahrhundert die Türken

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das südöstliche Ungarn unterwarfen und auch Siebenbürgen tributpflichtig machten. Siebenbürgen hat dabei stets eine gewisse Sonderstellung eingenommen unter einem magyarischen oder einem halbmagyarischen Wojwoden, der sich militärisch stützte auf eine um Klausenburg angesiedelte magyarische Militärkolonie, die sog. Nation der Szekler.
Wechselvoller waren die Schicksale der Moldau und der Walachei. Wie oben schon erwähnt wurde, daß die Rumänen das Banat erst besiedelten, nachdem Prinz Eugen die Türken daraus vertrieben hatte, so sehen wir auch in dem südlichen und östlichen Vorlande der Karpathen das rumänische Volk erst eine Rolle spielen, seitdem um 1100 die Einwanderung der Kumanen und der Petschenegen zerschellt war an dem Panzerwall des byzantinischen Reiches.
Damals war die Moldau von ihren bisherigen Bewohnern, dem Petschenegen, entblößt, und über den Jablonica-Paß wanderten von Siebenbürgen her Rumänen ein. Sie blieben Untertanen des magyarischen Königsgeschlechts der Arpaden, wie sie es in ihrer siebenbürgischen Heimat gewesen waren. Die gleiche Entwicklung finden wir im Süden der Karpathen zu beiden Seiten des Alt-Flusses. Hier dehnt sich die Arpadenherrschaft in das ehemals kumanische Gebiet hinein aus. Aber als im Anfange des 14. Jahrhunderts die Arpaden aussterben und das Haus Anjou an ihre Stelle tritt, sehen wir fast gleichzeitig in der Moldau und in der Walachei selbständige Herrschaften entstehen. Wurde die Sprache dieser beiden Reiche auch die rumänische, so waren die Herrscher doch schwerlich rumänischen Blutes. Bogdan, der die Moldau unabhängig macht, trägt einen slavischen Namen, und das Haus Basarab, das in der Walachei von etwa 1325 an bis zum Jahre 1654 geherrscht hat, erinnert an Slaven und Asiaten teils durch die Namen seiner Fürsten, teils durch deren wenig ansprechenden Beinamen, wie z.B. „der Teufel“, „der Pfähler“ und der „kleine Pfähler“.
Wilde Kämpfe im Innern und auch nach Außen gegen Ungarn und Türken erfüllen die Geschichte der Walachei. Für die Moldau kam als

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dritter Gegner noch Polen hinzu. In beiden Gebieten tritt nur je eine Herrscher-persönlichkeit von überragenderer Bedeutung in diesen Jahrhunderten hervor. In der Moldau ist es Stefan der Große (1457 - 1504), in der Walachei Michael der Tapfere (1593 -1601). Beide sind Kriegshelden, denen es vorübergehend gelingt, in Siebenbürgen, der Moldau und der Walachei gleichzeitig eine Art Herrscherstellung zu gewinnen, aber nur für kurze Zeit und unter stetem Wechsel zwischen ungarischer bezw. österreichischer, polnischer und türkischer Oberhoheit. Im wesentlichen ist schon im 16. Jahrhundert das türkische Übergewicht in der Moldau wie in der Walachei entschieden, während Siebenbürgen auch in dieser Zeit noch Herrscherpersönlichkeiten von europäischer Bedeutung hervorbringt, wie die Bathorys, Rakoczy und Bethlen Gabor. Die Familie Bathory führt übrigens ihren Stammbaum auf einen eingewanderten deutschen Adligen zurück, wie denn deutscher und zum Teil auch italienischer Einschlag in den magyarischen Adelsfamilien sich mehrfach

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findet, die in Siebenbürgen eine Rolle spielen, die mit dem kumanischen Einschlag in der Walachei verglichen werden kann. Ein wichtiger Gegensatz ist aber immer zwischen dem Lande innerhalb und außerhalb des Karpathenbogens bestehen geblieben. Während im Osten und Süden die verschiedenen Bevölkerungselemente miteinander verwuchsen durch den einigenden Kitt der rumänischen Sprache, blieb in Siebenbürgen die rumänische Hirtenbevölkerung stets getrennt von der magyarischen Kriegerkaste und den deutschen Kolonisten, die den berühmten Erzbergbau dort schufen und die siebenbürgischen Städte gründeten. Bekannt ist ja, daß auch der Orden der Deutschritter im Burzenlande, der Gegend um Kronstadt, von 1211 - 1224 die Grenzwacht gegen die Kumanen hielt, bevor er seine Tätigkeit auf das Preußenland richtete.
Noch mehr trennte sich das Schicksal der beiden Gruppen des rumänischen Volkes seit dem Niedergange des Türkenreiches. Siebenbürgen wurde der türki-schen Vormundschaft durch österreichische Waffen entrissen (1637 und endgültig durch den Frieden von Carlowitz 1699). Aber der österreichische Vorstoß nach der Walachei hinein, der das Gebiet westlich des Alt-Flusses von 1718 - 1739 unter österreichische Herrschaft brachte, war von kurzer Dauer. Die Moldau und die Walachei blieben noch den größten Teil des 18. Jahrhunderts hindurch völlig in der Gewalt der Türkei, die schließlich auch die Wojwoden nach ihrem Belieben ernannte. Das klerikale und weltliche Griechentum, das sich von Konstantinopel aus in die Verwaltung des Osmanenreiches einschlich, beteiligte sich mehr und mehr auch an der Aussaugung des rumänischen Volkes. Sein erster noch gemäßigter Vertreter war Nikolaus Maurokordato, der im Anfange des 18. Jahrhunderts Wojwode in der Moldau sowohl als in der Walachei war. Erst die Siege Katharinas II. von Rußland brachten den rumänischen Staaten eine gewisse Selbständigkeit. Im Frieden von KutschukKajnardje sicherte sich Rußland ein Schutzrecht über die Moldau und die Walachei, die zwar unter türkischer Oberhoheit blieben, aber wieder eingeborene Wojwoden erhielten.

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Im 19. Jahrhundert nach dem Frieden von Adrianopel (1829) wurde dieser russischer Schutz, der mit einer Aufsicht über die Verwaltung verbunden war, der Entwicklung der Staaten mehr hinderlich als nützlich. Die Pariser Februar-Revolution von 1848 löste auch hier einen Volksaufstand aus, der zwar von Türken und Russen unterdrückt wurde, dessen Ideen aber fortwirkten unter den veränderten Umständen, die Rußlands Niederlage im Krimkriege herbeiführte. Auf ihnen beruhte schließlich die Wahl Alexander Cuzas und die Vereinigung der beiden Staaten im Jahre 1859.
Wenn der Grundgedanke für die Vereinigung der Moldau und Walachei die politische Zusammenfassung des ganzen rumänischen Volkes sein sollte, dann ist er nach zwei Richtungen unausgeführt geblieben. Jenseits der rumänischen Grenze ist das Rumänertum nicht nur in Siebenbürgen verbreitet, sondern auch in dem jetzt russischen Grenzlande Bessarabien. Das Ziel, das Rußland mit seiner sogen. Schutzherrschaft über die christlichen Balkanstaaten verfolgte, und das allein die Aufopferung russischen Blutes zur Befreiung der Rumänen politisch rechtfertigte, war das Vorschieben seines Einflusses nach der Donaumündung als Vorstufe zur Eroberung des Bosporus. Schon 1812 wurde dementsprechend der größte Teil von Bessarabien, dem Lande zwischen Dnjestr und Pruth, dem russischen Reiche hinzugefügt. Der Rest folgte 1878. Den rumänischen Bundesgenossen entschädigte Rußland mit der südlich der Donaumündung gelegenen Dobrutscha, deren Bevölkerung mit der des übrigen Rumänien nichts zu tun hat, außer daß hier wie dort kumanisches Blut einen wesentlichen Teil bildet.
Ein politisch wirksames rumänisches „Unerlöstentum“ scheint sich jedoch unter der russischen Herrschaft nicht entwickelt zu haben. Umsomehr geschah das unter den halbparlamentarischen Verhältnissen Ungarns. Es ist bekannt, wie die Regierung von Ungarn im Laufe des 19. Jahrhunderts aus den Händen des Wiener Hofes mehr und mehr in die der Magyaren geglitten ist, besonders nach 1866. Die Magyaren begannen mit der Verkündigung eines Verfassungsstaates nach neueuropäischem Zuschnitt, in dem jede

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Nation ihrer Volkszahl entsprechend zur Geltung kommen sollte. Aber die Ver-fassung wurde mehr und mehr ein Mittel zur Tyrannisierung der Nicht-Magyaren. Darunter litten ihrer kulturellen Bedeutung nach am meisten die Deutschen, ihrer Zahl nach am meisten die Rumänen. In Siebenbürgen wo die Magyaren die alten Rechte der deutschen Ansiedler vorsichtiger behandelten, blieb der alte Gegensatz zwischen den Rumänen und den ihrer geistigen und wirtschaftlichen Überlegenheit bewußten Deutschen trotz der von dem Magyaren drohenden Gefahr erhalten, im Banat aber schlossen sich Deutsche und Rumänen in der „Nationalitätenpartei“ zu gemeinsamer Abwehr zusammen.
Hält man diese Entwicklung zusammen mit den Umständen, unter denen der rumänische Staat 1859 entstanden ist, so ist es einigermaßen verständlich, daß der Haß gegen den magyarischen Unterdrücker ihrer siebenbürgischen Brüder in den politischen Kreisen Rumäniens den Anschluß an Rußland volkstümlicher macht als den an die Mittelmächte. Auch die Nebenbuhlerschaft gegenüber Bulgarien muß im gleichen Sinne wirken. Ob freilich der Entschluß zum Kriege politisch klug war, ist eine ganz andere Frage. An der Seite Österreich-Ungarns, dessen Herrschgelüste an dem Gebirgswall der Karpathen eine natürliche Grenze finden, würde Rumänien seine Selbständigkeit vielleicht besser wahren können als an der Seite Rußlands, das allein die Selbständigkeit ernstlich bedroht. Oder ist der jetzige Entschluß zum Mitkämpfen schon ein Zeichen für die Unfreiheit der rumänischen Politik gegenüber Rußland?
Die Rumänen freilich träumen vermutlich von einem Zehn-Milllionen-Staat, der im Besitz der reichen Erzschätze Siebenbürgens eine unabhängige Rolle spielen könnte. Die Geschichte muß das entscheiden. Wenn wir die Vergangenheit überblicken, dann erscheint uns das rumänische Volk als eine vorwiegend „weibliche“ Persönlichkeit, bestimmt, um beherrscht zu werden von den männlichen Stämmen, die von den Ebenen Ungarns des südlichen Rußland und der unteren Donau aus Reiche mit

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kriegerischen Grundton geschaffen haben. Da mußten dann die Karpathen die natürliche Grenzlinie der Machtteilung werden. Die Abhängigkeit von dieser geographischen Grundtatsache zieht sich durch die ganz rumänische Geschichte. Die Zukunft muß lehren, ob die Verquickung mit Kumanen und Tartaren und die Erziehung durch das Verfassungsleben dem rumänischen Volke einen neuen Geist gegeben haben, der die Fesseln der Bodengestaltung durchbrechen kann, oder ob die heutige Bedeutung Rumäniens nur das Verdienst eines Herrschbegabten Hohenzollern ist, durch dessen Wirken das Volk für eine kurze Zeit über sich selbst hinausgehoben wurde.
S.
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Einiges über die Herkunft unserer Reiterei.

Ebenfalls im 16. Jahrhundert treten, zuerst in der französischen Armee, die Dragoner auf. Diese war die „aufs Pferd gesetzte Infanterie“, anfangs Arkebusire zu Pferde, die teils vom Sattel aus schossen, wobei sie in der ersten Zeit ihr schweres Feuerrohr beim Schießen auf eine am Sattel befestigte Gabel auflegen mußten, teils aber auch im Gefecht zu Fuß verwandt wurden. So erstürmte z.B. der alte Derfflinger 1675 mit abgesessenen Dragonern die von den Schweden verteidigte Festung Rathenow. Noch 1870 waren in der preußischen Armee die Dragoner die einzigen mit Karabinern ausgerüstete Reiterwaffe, und erst im Laufe des Feldzuges wurde auch die übrige Reiterei teilweise mit erbeuteten Chassepot-Gewehren

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versehen.
Da die Kürassiere bei den immer mehr Beweglichkeit erfordernden Kämpfen allmählich recht schwerfällig wurden, errichteten Friedrich Wilhelm I. 1721 als leichte Kavallerie ein Husarenkorps. Dieses wurde bereits von Friedrich II. auf 10 Regimenter zu 10 Schwadronen vermehrt. Die Husaren trugen an Stelle des schweren Kürasses die leichte ungarische Attila und führten anstatt des großen Pallasches den krummen Säbel.
1745 erhielt die preußische Armee die ersten Lanzenreiter. Es war dies ein polnisches Bosniakenkorps, das anfangs Husarenuniform trug. Bereits im Siebenjährigen Kriege wurde es auf 10 Schwadronen vermehrt. Als 1795 ein Towarczys Regiment muhammedanischer Tataren in preußische Dienste trat, wurde dieses ebenfalls dem Bosniakenkorps angegliedert. Dies waren übrigens nicht die ersten Towarczys in hohenzollernschen Diensten. Bereits der Große Kurfürst hatte 1675 zwei aus Polen geworbene Reiterkompagnien Towarczys aufgestellt, die damals allerdings nicht mit Lanzen bewaffnet waren. Diese beiden Kompagnien wurden aber 1676 auf Verlangen der polnischen Regierung wieder aufgelöst. Nach den polnischen Teilungen wurde eine neue, nur aus polnischen Edelleuten bestehende Lanzenreitertruppe gebildet. Zu diesem Zwecke wurde 1800 das Bosniakenregiment in ein Regiment zu 10 und ein Bataillon zu 5 Schwadronen Towarczys umgewandelt. Als 1807 im Frieden zu Tilsit die polnischen Gebiete wieder verloren gingen, wurde aus den Towarczys das erste und zweite Ulanenregiment gebildet.
Als jüngste unserer Reiterwaffen kamen schließlich noch die Jäger zu Pferde hinzu. Damit durch die vielen Abgaben der Kavallerie an Meldereitern und Ordonanzen für die höheren Stäbe die Gefechtskraft der Regimenter nicht zu sehr geschwächt würde, gründete man besondere Meldereiterschwadronen, die, nur mit Pallasch und Revolver ausgerüstet und lediglich für diesen Zweck ausgebildet werden sollten. Schon nach einigen Jahren gab man aber diese Spezialtruppe wieder auf und faßte

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die vorhandenen Schwadronen in Regimenter Jäger zu Pferde zusammen, deren Zahl durch die letzten Heeresvermehrungen auf 13 erhöht wurde.
Heutzutage besteht die Bewaffnung unserer gesamten Kavallerie aus Lanze, Karabiner und Degen bezw. Pallasch. Hinsichtlich ihrer taktischen Verwendung wird zwischen den verschiedenen Arten kein Unterschied mehr gemacht. Nur in wirtschaftlicher Beziehung unterscheiden wir noch zwischen schwerer und leichter Kavallerie, in dem die Kürassier die schwersten Leute und größten Pferde erhalten; dann folgen die Ulanen, Jäger zu Pferde, Dragoner und schließlich Husaren, die die kleinsten Maße für Reiter und Pferd haben. Entsprechend der Größe der Pferde sind natürlich auch die Rationen verschieden. Im allgemeinen rechnet man die drei ersten Gruppen zu schweren, die beiden letzten zur leichten Kavallerie.
T.
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Übersicht über das Alter, den Beruf, das Herkunftsland und den letzten Aufenthaltsort der Kriegsgefangenen von Matsuyama.

Die folgenden Angaben beziehen sich auf alle hiesigen Kriegsgefangen, deren Gesamtzahl 415 ist.
1. Alter.
Es sind folgende Jahresklassen vertreten:
Geburtsjahr Anzahl
1868 1 am 1. 10. d. Js. haben ihr 48. Lebensjahr 1 vollendet.
1869 1 am 1. 10. d. Js. haben ihr 47. Lebensjahr 1 vollendet.
1870 2 am 1. 10. d. Js. haben ihr 46. Lebensjahr 2 vollendet.
1871 1 am 1. 10. d. Js. haben ihr 45. Lebensjahr 1 vollendet.
1873 1 am 1. 10. d. Js. haben ihr 43. Lebensjahr 1 vollendet.
1874 2 am 1. 10. d. Js. haben ihr 42. Lebensjahr 1 vollendet.
1875 7 am 1. 10. d. Js. haben ihr 41. Lebensjahr 7 vollendet.

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1876 5 am 1. 10. d. Js. haben ihr 40. Lebensjahr 6 vollendet.
1877 2 am 1. 10. d. Js. haben ihr 39. Lebensjahr 1 vollendet.
1878 4 am 1. 10. d. Js. haben ihr 38. Lebensjahr 4 vollendet.
1879 6 am 1. 10. d. Js. haben ihr 37. Lebensjahr 6 vollendet.
1880 12 am 1. 10. d. Js. haben ihr 36. Lebensjahr 9 vollendet.
1881 13 am 1. 10. d. Js. haben ihr 35. Lebensjahr 15 vollendet.
1882 15 am 1. 10. d. Js. haben ihr 34. Lebensjahr 15 vollendet.
1883 16 am 1. 10. d. Js. haben ihr 33. Lebensjahr 15 vollendet.
1884 22 am 1. 10. d. Js. haben ihr 32. Lebensjahr 18 vollendet.
1885 13 am 1. 10. d. Js. haben ihr 31. Lebensjahr 20 vollendet.
1886 22 am 1. 10. d. Js. haben ihr 30. Lebensjahr 22 vollendet.
1887 21 am 1. 10. d. Js. haben ihr 29. Lebensjahr 17 vollendet.
1888 25 am 1. 10. d. Js. haben ihr 28. Lebensjahr 27 vollendet.
1889 24 am 1. 10. d. Js. haben ihr 27. Lebensjahr 19 vollendet.
1890 29 am 1. 10. d. Js. haben ihr 26. Lebensjahr 32 vollendet.
1891 39 am 1. 10. d. Js. haben ihr 25. Lebensjahr 34 vollendet.
1892 58 am 1. 10. d. Js. haben ihr 24. Lebensjahr 57 vollendet.
1893 43 am 1. 10. d. Js. haben ihr 23. Lebensjahr 45 vollendet.
1894 18 am 1. 10. d. Js. haben ihr 22. Lebensjahr 19 vollendet.
1895 9 am 1. 10. d. Js. haben ihr 21. Lebensjahr 16 vollendet.
1896 4 am 1. 10. d. Js. haben ihr 20. Lebensjahr 4 vollendet.
Das Durchschnittsalter wird am kommenden 1. Oktober
28 Jahre 3 Monate sein.
Bei dieser Berechnung sind nur Jahre und Monate berücksichtigt, Tage nicht.
Das wirkliche Durchschnittsalter werden am 1. Oktober 3 haben
Älter als 28. Jahre 3 Monate werden 172 sein
Jünger 240
415

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2. Beruf.
Die Berufe setzen sich wie folgt zusammen:
1. Aktives Militär.
Offiziere 7
Marinezahlmeister 2
Waffenmeister 4
Unteroffiziere 42
Mannschaften 122
zusammen 177
Die Zivilberufe der 122 aktiven Mannschaften sind folgende:
Schlosser sind 21Schweizer 2
Tischler 10Hausdiener 2
Bergmann7Kellner2
Landwirt6Steiger1
Kaufmann5Handlungsgehilfen1
Schreiber4Zollbeamter1
Dreher4Musiker1
Schmied3Zeichner1
Hufschmied3Kassengehilfe1
Klempner3Goldschmied1
Mechaniker3Schneider1
Zimmermann3Friseur1
Maurer3Müller1
Maler3Bäcker1
Kutscher3Färber1
Schuster2Wagenbauer1
Metzger2Küfer1
Farmer2Steinsetzer 1
Arbeiter2Töpfer1
Hilfsmonteur2Werftarbeiter1
Kabelarbeiter1Schiffer1
Rangierer1Seemann1
Zementeur1Knecht1
Dachdecker1Fremdenlegionär1
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B. Bei Kriegsbeginn eingetreten 238. Davon sind:
Kaufmann126Kasernenwärter3
Polizeibeamte9Techn. Betriebsleiter3
Lehrer7Missionar3
Elektrotechniker6Juristen3
Gouvernementsbeamte6Schiffsoffiziere3
Techn. Betriebsbeamte5Seemann3
Kellner5Köche3
Postbeamte4Buchhändler2
Bankbeamte4Telegraphenbeamte2
Dipl. Ingenieur3Professoren2
Ingenieure3Kapitäne2
Bautechniker2Architekt2
Gärtner2Eisenbahnbeamter1
Maschinist2Techniker1
Konsulatsbeamte2Monteur1
Heizer2Musiker1
Revierförster1Maler1
Brauereiingenieur1Tischler1
Stud.-Ing.1Färber1
Redakteur1Gerber1
Apotheker1Dachdecker1
Drogist1Konditor1
Bauunternehmer1Stauer1
Fremdenlegionär 1

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Es sind geboren
			A. In Deutschland:
	1. Königreich Preußen
	   a. Provinz Ostpreußen       15
	   b.         Westpreußen       8
	   c.         Posen             3
	   d.         Pommern          10
	   e.         Schlesien        18
	   f.         Brandenburg      27  (Berlin 16)
	   g.         Schlesw. Holst.  31
	   h.         Hannover         33
	   i.         Westfalen        23
	   k.         Rheinprovinz     48
	   l.         Hessen-Nassau    21
	   m.         Sachsen          18 
                                  zusammen 	250
	2. Königreich	Bayern			15
	3.		Sachsen			27
	4.		Württemberg		10
	5. Großherzogtum  Baden			14
	6.		Hessen			5
	7.		Sachsen-Weimar		3
	8.		Oldenburg		4
	9.		Mecklbg.-Schwerin	4
	10.		Mecklbg.-Strelitz	3
	11. Herzogtum Sachsen-Koburg-Gotha	3
	12.		Sachsen-Meiningen	2
	13.		Sachsen-Altenburg	1
	14.		Anhalt			2
			Übertrag		343

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			Übertrag		343
	15.		Braunschweig		4
	16.	Fürstentum	Reuß a. L.	1
	17.		Schwarzburg-Rud.	2
	18.		Schwarzburg-Sond.	1
	19.		Lippe-Detmold		2
	20.		Schaumburg-Lippe	1
	21.	Fr. Reichsstadt	Hamburg		29
	22.		Bremen			10
	23.		Lübeck			2
	24.	Reichsland  Elsaß-Lothringen	12 
			Zusammen		407
	B. Außerhalb Deutschlands:
	1.	Österreich-Ungarn (Böhmen)	1
	2.	Schweiz				1
	3.	Rußland	a. Moskau	1
			b. Bessarabien  1 	2
	4.	China	(Futschou)		2
	5.	Sumatra				1
	6.	Afrika	(Goldküste)	1	8  
						415
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4. Letzter Aufenthaltsort.
Bis zum Ausbruch des Krieges hielten sich auf in:
A. China.
	1.	Tsingtau		218
	2.	Peking			7
	3.	Mukden			1
	4.	Tientsin		16
	5.	Tsinanfu		1
	6.	Lautschonfu		1
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	7.	Niutschwang		1
	8.	Shanghai		32
	9.	Hinghua(Chingkiang)  	1
	10.	Nanking			1
	11.	Hankau			18
	12.	Wuchang			1
	13.	Futschou		2
	14.	Hongkong		16
	15.	Canton			7
	16.	Tungkun (Canton)  	1	324
B. Indo-China					1
C. Philippinen					1
D. Siam						1
E. Rußland
	1.	Wladiwostock	  	12
	2.	Blagowestschensk   	2
	3.	Nikolajewsk a/Amur 	1	15
F. Japan
	1.	Tokio			6
	2.	Kobe			18
	3.	Yokohama 		10
	4.	Moji			2
	5.	Himeji			1
	6.	Kawaki			1
	7.	Otaru			1
	8.	Korea Seoul	1
		  Tschemulpo 	2	3	42  
			Übertrag		384
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 			Übertrag		384
G. Auf Schiffen
	1. Kriegsschiffe
	    a. S.M.S. „Iltis“		3
	    b. S.M.S. „Jaguar“		1
	    c. S.M.S. „Otter“		1
	    d. S.M.T.	S. 90		1	6
	2. Handelsschiffe.
	    a. „Prz. Eitel Fr.“ Tsingtau  9
	    b. „Durendat“	Tsingtau  2
	    c. „Dk. Rickmers“	Tsingtau  1
	    d. „Albenga“	Hankau	6
	    e. „Chiengmai“	Bangkok	1
	    f. „Deventry“	Dalny	1
	    g. „Staatssekr. Krätke“ Honol. 1	21
				zusammen	27
H. Auf Reisen in bezw. durch Ostasien		4 
						415 
Möller.

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