Lagerfeuer

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Matsuyama, Sonntag, 16. Juli, 1916

Die chemische Großindustrie und ihre Bedeutung
im jetzigen Kriege

Wir haben unseren Feinden im Weltkrieg gewaltige Überraschungen bereitet. Unseren Feldherrngenien trat der deutsche Chemiker hervorragend zur Seite. Und die Brut heulte, als sie sah wie er einen nach dem andern ihrer Pläne uns niederzuwerfen zunichte machte. Furchtbare Sprengstoffe für unsere Granaten und Schrapnells, Antriebstoffe für unsere Kraftfahrzeuge, Luftschiffe und Flugzeuge, Treiböle für Schiffsmaschinen und Unterseeboote, Heil- Arznei- und Desinfektionsmittel, Kautschuk, Heiz- und Beleuchtungsmittel, Dünger, Nährmittel, alles stellt die von jeder äußeren Zufuhr abgeschlossene chemische Großindustrie heute mit im Lande vorhandenen Mitteln dar. War sie vor dem Kriege unerreicht, so zeigt sie jetzt erst recht der ganzen Welt ihre überragende Bedeutung, die sie der gewissenhaften, peinlich genauen Arbeit ihrer Gelehrten verdankt. Wir können unendlich stolz sein auf unsere Burg der Wissenschaft. Wenn Bismarck seiner Zeit sagte, kein Land der Welt könne uns den preußischen Leutnant nachmachen, so läßt sich das gleiche heute von dem deutschen Chemiker behaupten.
Schon vor Jahren hat der Chemiker gelernt, auch den Abfallprodukten

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der Industrie und Landwirtschaft seine Aufmerksamkeit zuzuwenden, und wir haben heute aus den Zeitungen ersehen, daß kein Fettrestchen, kein Papier oder Tuchfetzen, kein Stoffrest überhaupt achtlos bei Seite geworfen werden darf, sondern dem Reich abzuführen ist, das durch seine Wissenschaftler noch wer weiß was daraus fertigen läßt.
Verfolgen wir den Weg, den das Werden der Erzeugnisse unserer chemischen Industrie nimmt, rückwärts, so gelangen wir schließlich auch auf ein Abfallprodukt, mit dem man früher absolut nicht anzufangen wußte, dessen Beiseiteschaffen äußerst lästig war. Es ist der Teer, der sich bei der Gasfabrikation in ziemlichen Mengen bildet. Die ersten eingehenden Untersuchungen des Steinkohlenteers führte der deutsche Chemiker August Wilhelm von Hofmann aus. Die von ihm aufgestellte Theorie bildete das Fundament der Goldgrube, zu der sich in den folgenden Jahren, etwa nach 1860, die Industrie des Teers und seiner Produkte entwickelte.
Der Ertrag, den allein die Herstellung der Teerfarbstoffe aus dem Steinkohlenteer zieht, beläuft sich an 400 Millionen Mark. Bedenkt man, daß vor dem Kriege unser Vaterland rund 90% des Gesamtverbrauches der Welt in Teerfarben lieferte, so läßt sich die Höhe des Tributs ermessen, den uns das Ausland als Anerkennung unserer Leistungen auf wissenschaftlichem Gebiete zahlen mußte.
Der Ruf nach der "Befreiung von der deutschen Chemie" ertönt daher seit Anfang des Weltkrieges lebhaft in allen feindlichen Staaten, aber auch im neutralen Ausland, besonders in Amerika. Von der Zufuhr der deutschen Farbstoffe durch das Ausfuhrverbot abgeschlossen leidet die ausländische Textilindustrie in empfindlichster Weise. Der Präsident der englischen

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Handelskammer erklärte im Unterhaus, daß in keiner Industrie die kriegerischen Maßnahmen von seiten Deutschlands England härter getroffen hätten, als in der Farbenindustrie. Die englische Regierung unterstützte durch bedeutende Geldmittel die Gründung der Britisch Dyns Ltd. Das vorgesehene Kapital ist aber anscheinend immer noch nicht voll eingezeichnet, da die Fachleute dem gedachten Plane sehr skeptisch gegenüberstehen. Eine Annahme, daß aus dem Unternehmen innerhalb nahezu zweier Jahre noch nichts geworden ist, läßt die Meldung des „Deutschen Überseedienstes“ vom 10. Juni zu, wonach mehrere holländische Frachtdampfer von den Engländern gezwungen wurden, ihre Anilinfarbenladung, die für Niederländisch Indien bestimmt war, zu löschen. Die Engländer haben vorher versprochen, die Farben, obwohl sie in Deutschland hergestellt sind, durchzulassen. Da sie aber selbst in großer Verlegenheit um Farben sind, schrecken sie auch hier vor Wortbruch und Diebstahl nicht zurück.
In Rußland soll die Regierung 6 Millionen Rubel zur Gründung einer russischen Farbstoffgesellschaft ausgeworfen haben. Ob die wirklich in die richtigen Taschen gekommen sind?
In Italien wurde durch eine Parlamentskommission die Frage geprüft, auf welche Weise der deutschen chemischen Industrie beizukommen sei. Dabei hatte das Land kürzlich das Pech, daß sie bestehendes größtes Werk ein Raub der Flammen wurde.
In Amerika wird neben reichlicher Geldunterstützung auch das Mittel der Gesetzgebung als Waffe schon jetzt offen gegen Deutschland gebraucht. Das sogen. "Damping"-Gesetz ist bereits in Kanada in Kraft getreten, und man erwägt seine Einführung in den Vereinigten Staaten. Danach ist

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eine Unterbietung der Preise des Heimatlandes seitens ausländischer Betriebe untersagt. Einführung von Hochschutzzöllen ist in allen feindlichen Ländern vorgesehen, und eifrig predigt unser meist gehaßter Gegner schon jetzt den Krieg nach dem Kriege, den Handelskrieg.
Nicht der Mangel an Farbstoffen allein kann es sein, der die feindlichen Regierungen zu diesem kurzsichtigen Tun veranlaßt. Um die Arzneimittel, die der deutsche Chemiker aus dem Steinkohlenteer gewinnt, jammern sie. Was stellen wir nicht alles allein aus der Salicylsäure her: Aspirin, Antipyrin, Pyramidon, Antifebrin, Phenacilin usw. Eine Unze Aspirin wird zur Zeit in Amerika mit 200/400 Mark bezahlt. Aus einem anderen Teerdestillat wird das bekannte Salwarsan bereitet, das in der Chemie den schönen Namen Diaminodioxyarsenobenzol trägt. Dr. Hta, der Japaner, der seiner Zeit in Frankfurt a/Main bei der Erfindung dieses Heilmittels durch Prof. Dr. Ehrlich die Tierversuche vornahm, dankt jetzt für die Gemeinsamen Arbeiten durch den Verkauf des von ihm Arsaminol genannten Präparates in Japan und Rußland.
Ich will noch kurz auf die übrigen Produkte hinweisen, die wir aus dem Steinkohlenteer gewinnen, zunächst auf das Benzol. In ihm haben wir einvorzügliches Ersatzmittel für das aus dem Erdöl gewonnene Benzin, dessen Einfuhr uns abgeschnitten ist. Dann ist da das Toluol, aus dem wir den starken Süßstoff Saccharin gewinnen, sowie unseren stärksten Sprengstoff, das Trinitrotoluol. Eine Tonne hiervon kostet in Deutschland noch genau wie im Frieden M. 450,-, während England dafür an Amerika heute 12 000,- M zu zahlen hat.
Aus Phenol stellen wir Pikrinsäure, den bekannten gelben

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Sprengstoff dar. Carbolsäure, Lysol und Cresol müssen wir als erstklassige Desinfektionsmittel nennen.
Auch die Anstrichöle, die Eisenbahnschwellen, Telegraphenstangen und Grubenhölzer vor Fäulnis schützen sollen, und die Treiböle der Dieselmotoren unserer U-Boote sind Destillate des Teers.
Ein wichtige Erfindung, auf Bestandteilen des Teers beruhend, ist erst während des Krieges gemacht worden: die künstliche Herstellung des Kautschuks im Großen, worin voraussichtlich unsere Rettung vor der Gumminot liegt.
Ammoniak, eine Verbindung der beiden Elemente Stickstoff und Wasserstoff, das zum Teil aus dem bei der trockenen Destillation des Teeres entstehenden Ammoniakwasser gewonnen wird, ist uns heute zu ganz unermeßlicher Bedeutung geworden, da es, in Schwefelsäure geleitet, einen ausgezeichneten Stickstoffdünger, das schwefelsaure Ammoniak, liefert. Unsere Feinde haben uns ja von der Salpetereinfuhr abgeschnitten. Wir mußten uns also sofort in vergrößertem Maße auf die Herstellung des künstlichen Salpeters werfen, den wir unbedingt zur Erzielung genügend großer Mengen pflanzlicher Nahrungsmittel benötigen. Wir hatten auch hier vollen Erfolg und können unseren Feinden schließlich nur danken, daß nunmehr nach dem Kriege keine Unsummen Geldes dafür nach dem Ausland gehen. Noch im Jahre 1913 hat Deutschland 774 000 Tonnen Chilisalpeter eingeführt und dafür mehr als 170 Millionen Mark bezahlt. Jetzt bleibt dieses Geld im Land und mehrt unsern Kriegsanleihen.
Durch einen besonderen Verbrennungsprozeß des Ammoniak stellen wir heute auch alle Salpetersäure her, die zur Erzeugung von Treibmitteln für Geschosse und Sprengstoffe durchaus

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notwendig ist. Stände die deutsche Chemie nicht auf so hoher Stufe, wie leicht könnten uns unsere Feinde zum Einstellen des Kampfes zwingen.
Ich habe schon erwähnt, was das Ausland bereits alles getan hat, um die Stellung der chemischen Großindustrie zu untergraben, um ihr schon jetzt ihre Absatzmärkte auch in neutralen Ländern streitig zu machen. Daß dies unseren Feinden seither noch nicht gelungen ist liegt in der absoluten Überlegenheit, in der deutschen Gründlichkeit und Zuverlässigkeit. Wenn man aber auch in heimischen Kreisen trotzdem aufmerksam den Konkurrenzkampf des Auslandes verfolgt und ihn ernst nimmt, so ist dies nicht etwa die Furcht, aus den Absatzgebieten verdrängt zu werden sondern eine starke, rechtzeitige Rüstung. Auch bei den deutschen Großunternehmen ist man zur Ansicht gekommen; Einheit macht stark! Die Teerfarbenindustrie Deutschlands hat in der ersten Maiwoche d. J. eine große Interessengemeinschaft geschlossen, die eine ungeahnte Bedeutung zu erlangen verspricht. Es ist da eine neue finanzielle Konstruktion geschaffen worden, die in der Geschichte dieses Krieges einen Ehrenplatz unter den genialen Leistungen unserer führenden Männer einnehmen wird. Es tritt damit im deutschen Industriebetriebe ein Kapital zusammen, wie wir es in gleicher Höhe bisher nicht zu verzeichnen hatten. Bekanntlich bestanden schon vor dem Kriege zwei Hauptgruppen, die untereinander eine Interessengemeinschaft aufwiesen. Die eine Gruppe umfaßte die Farbwerke Höchst, die Frankfurter Anilinfarbenfabrik Leopold Cassella u. Co. G.b.m.H., die Firma Kalle u. Co. Biebrich mit einem Aktienkapital, zuzügl. Obligationen und Reserven, von rund 140 Milliolnen Mark;

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zur anderen Gruppe gehörten die Badische Anilin- und Sodafabrik, die Farbenfabriken vormals Friedrich Bayer, Elberfeld, die Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation, Berlin, mit etwa 149 Millionen Mark. Hierzu kommen jetzt noch rund 13 Millionen Mark der chemischen Fabrik Weiler-ter-Meer. Bei dem jetzigen Zusammenschluß handelt es sich also um ein Eigenkapital von run 300 Millionen Mark. Berechnet man jedoch den Wert der Aktien, bezw. Anteilscheine dieser 7 Fabriken, so ergibt sich eine Kapitalvereinigung von rund 1 Miiliarde Mark. Es besteht weiterhin die Aussicht, daß die wenigen sonst noch in Betracht kommenden Farbenfabriken sich der neuen Interessengemeinschaft angliedern werden. Dadurch ist den Werken die Möglichkeit gegeben, auf Grund höchster Vervollkommnung ihrer Erzeugnisse (denn sie werden ihre Erfahrungen gegenseitig austauschen!) ihre Waren in einer Güte und zu einem Preise anzubieten, wie es der ausländischen Konkurrenz trotz aller erdenklichen Maßnahmen niemals möglich sein wird. Die deutschen Werke hatten vor dem Kriege erhebliche Werte im Ausland stecken, deren Höhe (Außenstände und Filialfabriken) der Frankfurter Zeitung zufolge 100 Millionen Mark wesentlich übersteigen soll. Was davon zu retten sein wird, liegt heute noch völlig im unklaren. Die sicher großen Verluste wird die neue Gemeinschaft leichter ertragen als das einzelne Unternehmen.
Der deutsche Geist aber wird es sein, der die Welt von Jahr zu Jahr in immer größeren Maße zum Erstaunen zwingen wird!
C. Leonhardt.

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Ein Elfantenritt von Tschieng Mai an die siamesisch-
burmanisch-indochinesische Grenze

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Mühsam geht es den Berg hinauf. An einem schattigen Fleckchen am lustig dahinsprudelnden Bergbache unterhalb des Wat "Doi Sutaep" machen wir eine kurze Rast. Mit frischen Kräften geht es wieder weiter, und nach wenigen Minuten steilen Anstiegs betreten wir den Außenhof, den Pomeranzen und Ficusbäume beschatten. Eigenartige steinerne Tiergestalten zu beiden Seiten des Eingangs sind die symbolischen Wächter des Heiligtums, halb Schlange halb Lindwurm. Der Aufgang zum Tempel, der wie bereits erwähnt 1100 m hoch liegt, ist sehr romantisch, mächtige Ungeheuer bewachen die Stufe, die Treppengeländer stellen ihren breiten Schlangenleib dar. Die Treppe weist über 100 Stufen auf, so daß der geringelte Schwanz auf ihrer Höhe, dem oberen Ende, von unten kaum zu sehen ist. Zu beiden Seiten des stark beschädigten Aufganges aus Ziegelsteinen erheben sich angepflanzte Koniferen. Von der Höhe sehen hölzerne Bauten für verschiedene Gottheiten, darunter auch für einen weißen Elefanten, herab. Nach Besteigen der Treppe bleiben wir geblendet an der Türe stehen. Die Goldpracht der 25 m hohen Phradjedis leuchtet grell zu uns hernieder. Ein großer Buddha ist in einer Nische an den Seitengängen untergebracht. Einen herrlichen Blick hat man von hier oben auf die Ebene. Unter uns liegen fast greifbar die Häuser von Tschieng Mai, die verfallenen Phradjedis und Wats der Ebene, die satten gelben Reisfelder, die zierlichen Bambusstauden und schlanken Palmenhaine. In

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kurzen Schleifen windet sich der glänzenden Mäping aus dem Norden zwischen Reisfelder und Dörfer gleich einer silberschillernden Schlange, davon anschließend nach Nordosten ein welliges Hügelgelände, das sich terrassenförmig aufbaut. Von Norden blickt das über 2700 m hohe Gebirge des Doi Djung Dao herüber. Seine Ähnlichkeit mit dem "Wilden Kaiser" von Berchtesgadener Land aus gesehen, ist so erstaunlich, daß wir unwillkürlich unser altes bayrisches Lied: "Jo, Seppei wann geh mer den wieder mal eini ins Landei Tirol" anstimmen müssen. Sogar der charakteristische Elmauer Halt — Einschnitt in dem zerklüfteten Gebirgssystem ist in diesem einzigen Kalkmassive von Mutter Natur nicht vergessen. Die höchste Erhebung Siams, der 2900 m hohe Doi Intanon, grüßt in bläulichen Dunst zu uns herüber.
Traumbefangen verlassen wir die Verehrungsstätte Buddhas, Die Siamesen und Laoten verstehen es meisterhaft ihre Heiligtümer an den schönsten Fleckchen des Landes zu errichten.
Der Abstieg erfolgt auf langsamerem, hin und wieder von Eingeborenen beliebten Wege, die Holz als Brennmaterial zur Stadt hinabbringen. Auf dem rötlichen Lateritgrunde, der mit festem Gneis wechselt, geht es entlang, die üppige Waldvegetation des Wasserfalls zur Rechten, den Diptorocarpaceen Wald zur Linken, das weite Panorama auf die abendlich beleuchtete Ebene von Tschieng Mai vor uns. Da macht der verbreiterte Pfade, auf dem uns holzholende Chinesen, wallfahrende Burmanenpriester begegnen, eine scharfe Biegung. Zu unseren Füßen liegt, in eine Felsnische im Wasserfall eingebaut, ein Heiligtum, das die Meo (Meo sind ein Volksstamm unter französischem Protektorate, am Mekong wohnend) vor etwa 15 Jahren errichteten. Im hellen, von Säulen getragenen Tempel sind eine Menge Buddhafiguren untergebracht. Eigenartige Tiergestalten

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zieren die Friese.
Am Fuße des Doi Sutäp wird kurze Rast gehalten. Die Dorfbewohner bringen uns Kokosnüsse, deren mit Angosturabitter gemischter Fruchtsäfte nach der heißen Tour uns vortrefflich munden. Die Sonne ist bereits hinter dem westlichen Gebirge versunken, als wir müde und hungrig wieder unser Heim erreichen. –
Endlich haben wir alle Vorbereitungen zu einer Reise von Tschieng Mai nach Kiang Sen beendet. Noch vor Tagesgrauen versammelt sich vor unserem Hause unsere aus mehreren Elefanten, Treibern, Trägern, einem Boy und einem chinesischen Koch bestehende Karavane. Wir besteigen unsere Elefanten, die uns an die siamesisch-burmanisch-indochinesische Grenze bringen sollen. Eine tiefe Verbeugung der Frau Elefas kündigt uns an, daß sie bereit sei uns auf ihren breiten Rücken zu nehmen. Mit einer graziösen Bewegung, soweit man bei einem solchen Koloß von Grazie sprechen kann, reicht sie uns ihr "Vorderpfötchen", das wir als erster Stufe benutzen, um uns zugleich mit einem Klimmzug höher hinauf zuarbeiten. Der luftige Platz trägt den großen Elefantensattel. Wir richten uns dort oben häuslich ein, und gebrauchen den Sattel als Bett, in dem wir so ziemlich den ganzen Tag schreiben und arbeiten. In interessanten Gegenden wird, wenn es nicht regnet, der Sitz verlassen. Machen sich die Stechfliegen unangenehm bemerkbar, so wird das Moskitonetz eingespannt. Um keine Zeit zu verlieren, nehmen wir auch die Mahlzeit hoch zu Elefant ein. Allerdings muß man sich erst an die schaukelnde Bewegung des Sattels, die bei manchen eine Art Seekrankheit hervorruft, gewöhnen. Vor dem Sattel waltet der Treiber, auf dem Hals des

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Elefanten sitzend, seines Amtes. Mit einem Stachel sticht er hie und wieder das Tier hinter die Ohren, die empfindlichsten Stellen, es dadurch zur schnelleren Gangart anfeuernd. Dabei klingen die hinter den Ohren angebrachten Glöckchen recht vernehmlich.
Wir sitzen also glücklich zum erstenmal auf dem Rücken eines solchen Riesen und frohgemut geht es in den frischen Morgen hinein. Unser Weg führt zunächst durch die alte Stadt. Von der Höhe grüßt aus dem schön gefärbten Wald das Wat Doi Sutäp herab; der Gipfel sieht wolkenfrei auf uns nieder. Reistragende Rinderherden ziehen an uns vorüber. Aus den Sträuchern auf dem Stadtwall und aus den Schlingpflanzen einer verfallenen Phradjedi ertönen die Gesänge vieler Vögel in die frische Luft. Der alte Wassergraben ist mit dem trügerischen Grün der Wasserpflanzen überzogen. Aus den Hütten schauen in ihre warmen Tücher gehüllt, neugierig die Laoten uns nach. Die Häuschen liegen in freundlichen Gärten mit Mango-, Areca- und Kokospalmen. Von allen Seiten kreuzen reistragende Laotinnen in schmucker Tracht unsern Weg.
Auch der zweite Stadtwall liegt jetzt hinter uns. Vor uns breitet sich die Ebene in einen zarten Dunstschleier gehüllt, aus. Zwischen den Reisfeldern stehen Buschwerk, Bambusstauden und Palmen, die Anzeichen für zerstreut liegende Ortschaften. Das Land ist dank seiner Fruchtbarkeit dicht bevölkert. Die Häuser der Dörfer ruhen hier auf sehr hohen Pfählen, um den Büffeln und Kühen während der Nacht als Unterstand dienen zu können. Letztere schwanken im Preise zwischen 25/40 Tikal (38/62 Mark). Überall finden wir Schweine-, Hühner- und Entenzucht. Ein kleines Ferkel ist bereits für den Preis von 1 Tikal (1,56 Mark) zu haben.

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Vor der zweiten Ortschaft, die wir passieren, ist ein kleiner Stand aufgeschlagen, in dem eine junge Laotin Reis, Zwiebeln, Teeblätter zum Kauen, Likör aus Zuckerrohr bereitet, gekochtes Ochsenfleisch, Streichhölzer und Zigaretten verkauft. Diese Einrichtung ist sehr praktisch, da es von einem Marktflecken zum andern oft drei starke Marschstunden sind. Während einer kurzen Rast überholen uns zum Teil Rinderherden. Die Treiber erinnern lebhaft an den göttlichen Hirten Homers, mit Hüten aus allen Weltgegenden, Ledersandalen, kühn geschlungenen Tüchern und einem eigenartigen Tragmesser bewaffnet, laufen sie hinter den Kühen her, die der Hunger in die Stoppelfelder treibt.
Bei Ban Suenka macht der Mäping eine scharfe Biegung nach Westen. Vor den Tempeln, denen merkwürdigerweise

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die Phradjedis fehlen, stehen überall mächtige Ficusbäume. In Ban Kaiki überqueren wir das klare Bergwasser des Mä Linn. Die Elefanten stampfen bis über die Unterschenkel darin herum und bald ist seine wohltuende Klarheit verschwunden.
Daß der Elefant seinem Rücken auch bepackt ein Bad gönnen kann, dafür sorgt schon sein Rüssel. Wir müssen das öfters zu unserem Leide erfahren. Er nimmt eine voll Ladung Wasser und gießt sie über seinen Körper. So erfreulich und erfrischend es für den Elefanten sein mag, so wenig angenehm ist es für uns. Diese Belustigung soll bei ausgewachsenen Exemplaren nur selten vorkommen, unser Elefant dagegen machte sich öfters diesen Spaß. Geht er die steilen Böschungen zum Flusse hinab, dann tritt er zuerst mit seinen mächtigen Vorderfüßen ins Wasser, während er sich zugleich auf seinen hintern Extremitäten setzt. Diese zieht er dann langsam mit unnachahmlicher Grazie nach, wenn er vorne feststeht: so kann er nie das Gleichgewicht verlieren. Bei diesen Anblick müssen wir unwillkürlich an ein ähnliches Verfahren des Alpinisten in unserer Heimat denken: „Man kann ja alles benutzen um herunterzukommen, aber schön ausschauen tut's net.“
Wir passieren Muang Kuan eine größere Ngeo- oder Schan-Ortschaft. In einem der offenen Verkaufsläden massiert gerade eine Ngeofrau in eigenartiger Weise ihren Mann - sie spaziert höchst vergnügt auf seinem Unterleib herum. Die Schan, von den Siamesen auch Ngeo genannt, sind kräftige schöne Erscheinungen. Ihre Frauen fallen durch das Ebenmaß ihrer schlanken Körper und ihren verhältnismäßig weißen Teint auf. Zum Unterschied von den Laotinnen tragen sie einen an einer Seite offenen Sarong, so daß beim

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Ausschreiten auch der untere Teil des Körpers unbedeckt erscheint. Die Männer haben fast alle langes Haar, das durch einen turbanartigen Tuchaufbau gehalten wird. Sie tragen allgemein von den Frauen selbst verfertigte Wollhosen, Jacken und Kopftücher. Im Unterschied zu den Mussoe, die diese Stoffe noch blau und blauschwarz färben, haben die Schan nur weiße Kleider und überlassen ihren Frauen die buntern. Die Schan, auch die Laoten, sind alle stark tätowiert. Als Hauptmuster dienen neben Schriftzeichen die Zeichnungen von Wildschweinen, Tigern und verschiedene göttliche Fratzen. Außerdem lassen sie sich von den Priester Silber, Gold und Edelsteine in die Haut einlegen. Die runden bläulichen Flecke an Brust und Oberarm sehen sehr originell aus. Der Preis der Tätowierung beträgt 1-5 Tikal. Die Schan glauben sie sei ein Schutz gegen Krankheit, Messerstich und Schuß. Einer unserer Elefantentreiber ist besonders stark rot und blau tätowiert, vom Hals rückwärts bis zu den Waden hinab. Mit Stolz zeigt er uns unter der linken Armhöhle ein mächtiges Schwein. Der Prozeß des Einlegens wird in der Weise vollzogen, daß die Haut zusammengefaßt, in dieselbe ein Loch geschnitten und in dieses der Talisman einführt wird. Die Schmerzen, die die Leute bei dieser Operation ausstehen, sollen groß sein. Die Schan huldigen dem Opiumrauchen und Opiumessen.
Wir übernachten in einem Wat bei Muang Kuan. Nächsten Morgen geht es noch vor Sonnenaufgang weiter. Die Ortschaft ist ziemlich ausgedehnt, Monatsrosen, Granatbäume mit faustdicken Früchten stehen allenthalben in Blüte. Zweimal überschreiten wir einen kleinen Fluß, den Hue Mae Lao. Das Tal verengte sich hier und nach einer kurzen Strecke sehen wir auf einem benachbarten Hügel das Wat "Doi Dschidi" liegen.

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Wir überqueren nun eine kleine rasige Ebene, durch die sich ein schwefelreicher Bach schlängelt.
Am nächsten Tage erreichen wir die am Fuße des Gebirges gelegene größere Stadt Djeng Dao. Leider wurde unsere Hoffnung, das Kalkmassiv des Doi Djieng Dao zu besuchen, durch große Waldbrände zunichte gemacht. Überall stehen seine herrlichen Wälder in Flammen, die Gegend in eine Rauchwolke hüllend.
Von dem Bergbache Nam Mae Guad umflossen liegt etwa drei Fußstunden von Djing Dao entfernt ein kleines armseliges Dorf Bam Tam, welches jedoch eine herrliche Tropfsteinhöhle besitzt. Wir brechen mit einigen Leuten, die mit Laternen und Bambusfackeln ausgerüstet sind, auf, die heilige Grotte zu besichtigen. Unser einstündiger Weg durch Reisfelder und Waldgrund bietet wenig Bemerkenswertes. Die letzte Strecke Weges jedoch bringt uns schon den gewaltigen Bergen des Doi Djieng Dao ziemlich nahe. Aus den Dorfhäusern kommen Jung und alt, meist nur sehr dürftig gekleidet heraus. Auf einem kleinen Berge liegt ein hübschen Wat. Gleich hinter dem Wat bietet sich dem Auge ein unvergeßlicher Anblick. Auf halber Höhe der blendend weißen Kalkwand steht eine mächtige Buddafigur; am Eingang der Höhle erheben sich Phradjedis und Wats in phantastischer Pracht am klaren von Fischen wimmelnden See, der aus dem Felsinnern sein frisches Wasser erhält. Von Weiden umrahmt, führt eine Treppe, von steinernen Ungeheuern bewacht, in die Höhle hinab. Die Felswände zieren vergoldete Buddhafiguren und Heiligtümer, den Hauptaltar krönt ein großer Budda. Eine weihevolle Stimmung überkommt uns. Noch flutet das Tageslicht in die heilige Grotte, die Goldstatuen in den Nischen malerisch mit

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bunten Sonnenstrahlen beleuchtend. Auf schwankender Bambusleiter gelangen wir zu dem Budda in der Öffnung über dem Eingange, von wo sich eine herrliche weite Aussicht auf Berg und Wald eröffnet. Vom Tempel aus betreten wir die recht hochgewölbte Innenhöhle. Auf unsicheren Bretterboden geht es zuerst noch annehmbar dahin, dann aber kommen spitzige, rissige und plattige Tropfsteingebilde, die vollendetsten, die wir jemals sahen. Die Hand stützt sich beim Scheine der Bambusfackeln haltsuchend auf die rechte Felsenplatte - da fällt gerade noch rechtzeitig ein Lichtstrahl auf eine ca. 8 m lange und armdicke schillernde Schlange, die sich dicht neben uns hinwindet. Jetzt kommen wir kriechend nach einer zweiten, mit kleinen Kalkkrystallen überzogenen Grotte: Beim Lichte unserer Laternen und Fackeln funkeln uns die Wände, gleich Millionen von Edelsteinen, entgegen. Nach 40 Minuten langen Vordringen kehren wir auf einem anderen Wege wieder in unser altes Gewölbe und von hier aus nach Djeng Dao zurück.
Die Produkte dieses Distrikts sind äußerst vielseitig, vor allem ist der Tee zu erwähnen. Der Teestrauch wächst hier allenthalben wild an den Berg- und Hügelhängen, nahe den Flüssen, Bächen und Wasserfällen. Außer den Teewäldern, deren Blätter den Leuten vor allem zum Kauen mit Salz dient, sind bei Djieng Dao zahlreiche Reisfelder. Tabak, roter Pfeffer, Melonen, Gurken, Gemüse aller Art füllen die Vorratskammern der Laoten und Schan. Kokosnußbäume, Ananas, Bananen, Pomeranzen, Mangobäume sind überall angepflanzt. Rehe und Hirsche, wilde Hühner und andere Vögel liefert der Wald: Die Ställe sind mit Büffeln, Kühen, Schweinen, Hühnern und Tauben gefüllt. Und dennoch haust unter ihnen ein schreckliches

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Gespenst, sie nennen es "Pi" (Teufel, Geist) - Todesengel wäre vielleicht richtiger - , denn viele Leute fallen dem Malaria- und Schwarzwasserfieber zum Opfer. Die Ortschaft selbst ist sauber und macht mit ihren beiden Wegen, ihren geräumigen Häusern, einen guten Eindruck.
Die Sonne geht mit ungeahnter Pracht tief rot hinter dunkellila Rauchwolken, von den brennenden Wäldern herrührend, auf, als wir Djeng Dao verlassen. Die Farbe erinnert an das Blut des "Krieges" von Stuck. Schaurig wirkt sie dort wie auch hier.
Über den Weg von Djing Dao nach Muang Fang ist wenig zu berichten. Nur einmal ist bei Kiang Ngai eine größere Paßhöhe von 900 m zu überschreiten. Die Glut der Sonne macht uns allen den Weg wahrhaftig unerträglich. Wir und besonders unsere Elefanten haben unter den Belästigungen tausender Elefantenfliegen sehr zu leiden. Gegen diese Qualgeister weiß sich der Riese jedoch zu helfen. Er bricht den nächsten besten, stark belaubten Ast ab und vertreibt damit seine kleinen Widersacher auf der vorderen Rumpfseite, während sein langer Schwanz eifrig die Rückseite bewedelt. Hat ihn aber eine Fliege empfindlich gestochen, dann nimmt er das erste beste Stück Holz, um sich damit zu kratzen.
Schon von Ferne verkünden die schlanken Arecapalmen und himmelhochragenden Phradjedis die Nähe der Provinzhauptstadt. Eine Brücke über den Nam Hue Dja, der unweit Muang Fang in den Mae Fang mündet, ist altersschwach, und unsere Elefanten weigern sich dieselbe zu betreten.
Die Intelligenz des Elefanten hat es dem Menschen sehr erleichtert ihn sich als Haustier nutzbar zu machen. Was der Elefant alles Beschreibliche und Unbeschreibliche auf Kommando

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ausführt, ist nicht zu glauben, wenn man es nicht selbst gesehen hat. Der Elefant ist nicht nur Träger, er hat noch andere schätzbare Eigenschaften. Man sollte ihn zum Beispiel zu Oberkontrolleur sämtlicher siamesischen Brücken ernennen! Mit wunderbarem Instinkt schätzt er ab, ob eine Brücke für sein schweres Gewicht passierbar ist. Ist es nicht der Fall, so stutzt er zuerst, beobachtet dies der Treiber nicht, oder hat er mehr Zutrauen zu dem Werk, so geht das Tier zwar einige Schritte vor, bleibt aber dann unbeweglich stehen, bis der Führer nolens volens mit ihm umkehrt und die Brücke umgeht. Bezüglich seiner Nahrung ist unser Dickhäuter sehr wählerisch. Im allgemeinen bevorzugt er die Bambusstauden und um sie zu erhalten, scheut er sich nicht, zum Ärger seines Treibers, vom Weg abzuweichen. Außerdem nimmt er gern Akazien, Palmen und das sog. Elefantengras. Wenn er nichts besseres hat. genügen ihn auch sorgfältig gereinigte Grasbüschel. Reis und Bananen sind ihm Ambrosia. Als Getränk schein er das klare saubere Wasser zu bevorzugen, im Gegensatz zu dem laotischen Treibern, die ihre Trinkbecher, aus dem Horn des wilden Stieres hergestellt und an einem langen Strick befestigt, gerade in die schmutzigsten Pfützen hinablassen. Wie unentbehrlich der Elefant für den Teakholzhandel ist haben wir bereits früher in Meh Puak gesehen.
Nach Umgehung der Brücke über den Nam Hun Djai und Überschwimmung desselben erreichen wir Muang Fang. Die Hauptstraße führt von Süden direkt zum Regierungsgebäude, neben dem ein kleines Sala (Rathaus) liegt. Wir beziehen einen äußerst primitiv aus Bambusstangen und darauf gelegten aufgeschnittenen Bambusstauden

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errichtete Hütte. Nach einem Besuch bei dem Gouverneur "Dschau Luang" Phya Maha Mahiti Worigsah ("Dschau Luang" = Höchster Prinz) machen wir einen Spaziergang durch die Stadt. Dieselbe überragt in einiger Entfernung der Pahombuk.
Am nächsten Morgen besteigen wir das siamesisch-burmanische Grenzgebirge des Pahombuk. Der erste Teil des Aufstiegs weist verhältnismäßig wenige Hindernisse auf, abgesehen von den Balken-Bambusbrücken, die über die Gießbäche und tiefer Schluchten führen; sind doch in den verschiedenen Teilen des Berges Mussoe-Ansiedlungen, zu denen immerhin noch Pfade führen. Die erste in ungefähr 800 m Höhe besteht aus zwei kleine kümmerlichen Hütten, in denen sich halbnackte schmutzige Menschen herumtreiben. Unweit davon sind die von ihnen angelegten Reisfelder. Die zweite größere Ansiedlung befindet sich ca.1600 m über dem Meere. Hier sind mehrere Hütten zu einem kleinen Dorfe vereinigt. Kunstlos nebeneinander gebaut liegen die aus Holz und Bambus hergestellten Behausungen mit grasbedeckten Dächern an dem steilen Bergabhang. Die Mussoe haben nirgends Tempel oder Geisterhäuschen, sie huldigen dem Mondkulte.
Nach mühsamer Wanderung erreichen wir den 2300 m hohen Hauptgipfel des Gebirgskammes, der Siam und Burma trennt. Leider verhindert Regen und Neben jede Aussicht. So ein Tropenschauer gleicht einem tüchtigen Nassauer, nur daß bei der bisher herrschenden Hitze eine feuchte Warmhaus Atmosphäre die Luft schwängert. So rasch als möglich treten wir den Rückweg an. Ein Kampieren muß aber dennoch stattfinden, da uns die Nacht überrascht.

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Die Situation ist recht unerfreulich, da wir weder Zelt noch Lager bei uns haben. Nirgends ist ein trocknes Fleckchen zum Kochen des Reises, unserer einzigen Nahrung, zu finden; zudem ist das Holz völlig durchnäßt. Hungrig und müde erreichen wir am nächsten Morgen wieder Muang Fang.
Tags darauf verlassen wir Muang Fang. Nach Passieren der Stadt geht es in nordöstlicher Richtung in den dichten Dschungel gegen die Ausläufer des Pahombuk zu. Wir überschreiten den Hong (Sumpf) Muang Dum (Ölstadt) auf primitiver Bambusbrücke. Neben dem Wege weist der Sumpf, dessen braunes Wasser ölführend ist, Palmen von schlanken niederem Wuchse auf. Abwechselnd durch Bambusdickicht, Schilf und Savannenwald kommen wir nach Ban Mae San. Von hier hat man einen schönen Blick auf den endlich freiliegenden Pahombuk und das sich daran anschließende Dei Hun Mae Laeng Gebirge. Nach Verlassen der Ortschaft nehmen wir den Weg nach Ban Dong Fai, passieren Sala Ai und überschreiten den Nam Hue San. Die Flüsse und Ortschaften häufen sich jetzt. Vor den Wats sehen wir hier überall große Glücksfahnen an mächtig hohen Bambusstangen mit künstlerisch gemalten Buddhas. Diese Fahnen dienen gewissermaßen als Orakel: Will man irgend etwas Wichtiges unternehmen und flattern dieselben aufrecht in die Höhe, dann kann man getrost ans Werk gehen, hängen sie aber schlaff herab, dann verzichtet man lieber auf das Unternehmen.
Da wir die nächsten Tage im Urwald zu schlafen haben, verbringen wir den Nachmittag und die Nacht in einem Wat bei Ban Mai Ai. Wir wollen heute noch einmal diese "komfortable" Übernächten genießen. Da in der Nacht

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ein tüchtiges Gewitter mit starkem Regen niedergegangen war, marschieren wir am nächsten Morgen sehr spät von Ban Mai Ai ab. Von einem westlich gelegenen Hügel tönen Affen- und Papageiengrüße laut und eindringlich herab. Deutlich hören wir das Ui-U der Gibbons. In froher Stimmung erreichen wir den Mäkok. Mutig durchschreiten unsere Elefanten den hier ziemlich reißenden und ca. 150 m breiten Fluß. 300 m oberhalb unserer Furt, unweit der burmanischen Grenze, durchbricht der Fluß mit nordnordöstlicher Richung das Gebirge. Der Mäkok fließt dann südöstlich bis Kian Hai weiter, wo er durch den Nam Hue Lao verstärkt in noröstlicher Richtung dem Mäkong zuströmt. Die Ufer des Mäkok sind mit dichtem Urwald bestanden; weiter unterhalb ist eine Schilfzone. Hier fanden wir an den Bäumen eine sehr seltene Orchidee mit grünlichgelber Blüte. Am jenseitigen Ufer angelangt, kommen wir nach mehrstündigem Ritt nach Kian Kae, einer wegen Krankheit (Malaria) verlassenen Ortschaft. Langsam geht es von hier aus auf beschwerlichem durch den täglichen Regen aufgeweichtem Wege weiter. Am Himmel steht wieder ein schwarzes Gewitter. Wir erreichen noch rechtzeitig eine ausgezeichnete Quelle am Sumpf. Rasch wird das Zelt aufgeschlagen und alles zum Kampieren hergerichtet. Erst mitten in der Nacht entlädt sich das Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen. Am nächsten Morgen müssen wir gleich nach Verlassen des Lagers den reißend gewordenen Hueba Goe durchschreiten. Was wir jetzt in den nächsten Tagen auszuhalten haben, läßt sich kaum beschreiben. Die kleinsten Wasserrinnsale sind zu Gießbäche, diese zu reißenden Fluten angeschwollen. An einem Tage müssen wir 68 mal

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Gewässer durchwaten, von denen sind 50 geradezu lebensgefährlich und beschwerlich zu passieren. Heißt es doch für unsere Träger nicht nur darauf aufzupassen, in dem steinigen Bette nicht auszurutschen, sondern auch die Lasten nicht naß werden zu lassen.
Am 4. Tage der Urwaldwanderung über die zum Teil 1000 m hohe Pässe erreichen wir das erste Schan-Dorf und bald darauf Djing Hsen am Mäkok. Von hier aus geht es in einem zweitägigen ziemlich anstrengenden Ritte auf unseren gewaltigen Haustieren durch die zumeist aus Elefantengras und Sümpfen bestehende Mäkong-Ebene dahin, bis wir die mächtigen Stadtmauern der alten früheren Hauptstadt des großen Thai-Reiches, die Ruinenstadt Kiang Sen am Mäkong, unser Reiseziel vor uns erblickten. Bei herrlichen Wetter halten wir gegen Abend unsere Einzug.
Bezaubernd liegt der mächtige, reichtumspendende Mäkong da. Die gegenüberliegende indochinesische Seite, die Berge stromauf und stromabwärts werden von der scheidenden Sonne beleuchtet. Auf einem kleinen Hügel liegt das Wat Buong Saluk, unser Übernachtungsort. Die Lage desselben kann mit den berühmtesten Aussichtspunkten der Welt verglichen werden. Der weiteste Blick erschließt sich gegen Nordwesten, wo zwischen den nahe gelegenen Hügeln an beiden Uferseiten fern blaue Berge die Szenerie abschließen. Zur Rechten und Linken liegen zerfallene Phradjedis; stromabwärts wird die Hügelkette enger. Ungefähr eine halbe Stunde unter unserem Standort mündet der Mäkok, dann vollendet der Mäkong eine große Schleife über Djieng Kong, um den Gebirgen, die eine Höhe von 1100 m haben, auszuweichen. Die gegenüberliegenden französische Seite zeigt hinter einer hohen Schilfzaun Urwald. Vereinzelte Hütten von Ban Mai

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leuchten aus dem Grün hervor.
Am nächsten Morgen besuchen wir, das auf einem Berg herrlich gelegene Wat Djan Didi. Von diesem Tempel haben wir einen prachtvollen Blick hinab ins Mäkongtal gegen Yünnan zu. Allenthalben stehen auf den Höhen zwischen Bambus, völlig von Schlingpflanzen umwuchert, Pagoden. Der Platz selbst, ein alter Wallfahrtsort, wird vie von auswärtigen Buddhisten besucht. Wie wir hier oben stehen, müssen wir unwillkürlich an unseren letzten Besuch des Niederwalddenkmals denken und an die Freude, die wir fühlten beim Blick über die schönen, heimischen Berge. Dort war es der Rhein, hier ist der Mäkong, Siams Grenzfluß. Schon flattert die Trikolore bedenklich nahe und möchte ihre unersättlichen Schwingen über das ganze schöne, reiche Land jenseits des Mäkong gebreitet haben -- Siam sei auf der Hut! –
Kneupelt.

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