Lagerfeuer

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Lf. Nr. 19. Matsuyama, Sonntag, den 4. Juni 1916

Die Anpassung der Tiere an ihre Umgebungsfarbe.

Auf den Bäumen, Sträuchern, Kräutern und Blumen unserer Lagergärten kann man die grünen Laubfrösche in großer Menge beobachten. Sitzen sie auf grünen Blättern oder auch im grünen Grase, so sind sie lebhaft grün gefärbt. Haften sie an grauen oder braunen Stamm, oder sind sie auf die staubgraue Erde verschlagen, so ist ihre Farbe graugrün oder grau gesprenkelt. Es sind aber nicht andere Arten, wie vielfach geglaubt wird, sondern sie haben nur die Farbe ihrer Umgebung nachgeäfft. Auffallend ist auch, daß z.B. dieser kleine Frosch auf einer leuchtend roten Rosen- oder Rhododendronblüte nicht die rote Farbe annimmt, sondern die hellgrüne Farbe beibehält. In dieser farbenprächtigen Umgebung hebt er sich dadurch aber eben so wenig ab, als wenn er die rote Farben angenommen hätte. Er kann nicht wie viele andere Tiere die rote Farbe imitieren.
Das Vermögen vieler Tiere, ihre Farbe der Umgebung anzupassen, ist verbreiteter, als allgemein bekannt ist, und bildet das einzige Schutzmittel kleiner, wehrloser Tiere gegen die ihnen nachstellenden Feinde. Die Umfärbung an die Umgebung ist, wie schon Darwin gesagt hat, nützlich zur Erhaltung der Art.
Auf den ersten Blick erscheint der Mechanismus, der die Farbenkopie der Umwelt ermöglicht, ziemlich einfach zu funktionieren. In den Hautdecken dieser Tiere liegen allenthalben drüsenähnliche kleine Organe umher, die mit Farbstoffgemischen gefüllt sind. Die Hauptfarben sind an winzige Körnchen gebunden und sind schwarz, blau, gelb und rot. Das Drüsenorgan selbst ist beweglich. Es kann sich flach in die Breite spannen,

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dann sind die Farbstoffkörnchen über eine große Fläche verteilt. Schwimmen die roten obenauf, so ist es rot, haben die gelben die Oberhand, so ist es gelb, sind die gelben von einer Schicht blauer unterlegt, so kombiniert sich der Eindruck zu grün. Jedes Drüschen kann sich aber auch eng zusammenziehen. Dann wird es zu einen dunklen, undurchsichtigen, balligen Punkt. Das Tier ist schwarz oder braun.
Es ist auch leicht begreiflich, daß durch das Licht diese Farbenmuster aus der Haut des Tieres herausgeholt werden. Wer aber, oder besser was, fängt diesen Lichtreiz auf und verwandelt seinen Kraftstrom in Wirkung? Es ist nicht so, daß die Haut einer photographischen Lumiereplatte gleicht, die jede Farbenvorlage vernunftlos kopiert. Dann wäre das ganze Tier an der Anpassung nicht beteiligt. Diese lebenswichtige Farbenimitation würde sich dann fern von seinem Willen, seinen Sinnesorganen und seinen Gehirn abspielen, und das ganz Tier wäre in diese Angelegenheit ebensowenig verwickelt, wie die Glasplatte, die die lichtempfindliche Schicht auf ihrer Frontseite trägt.
In dieser Frage ist auch wieder der Versuch entscheidend gewesen. Man braucht ein Tier nur zu blenden, und die Nachäffung der Umgebungsfarbe hört auf. Ja, man kann das Auge ganz unversehrt lassen und braucht nur die Nervenfaser zu zerschneiden, welche das Gehirn mit den Farbstoffzellen verbindet, und man mag einen Laubfrosch oder einen die Fähigkeit der Farbenanpassung besitzenden Plattfisch vor sich haben, und man hat dem Tier durch die Zerstörung dieser Verbindung die Fähigkeit der Farbenanpassung für immer genommen. Das heißt aber, daß die Farbenwandlung kein Hautwunder, sondern ein Augen- und Nervenwunder ist.
Dadurch ist der ganz Vorgang aber viel verwickelter geworden,

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als man anfänglich vermutete. Es ist doch ein großer Umweg, wenn der farbenformende Lichtreiz, statt einfach von der Haut verschluckt zu werden über das Auge und das Gehirn hinweg den Farbenzellen zufließt. Und vor allen Dingen, wie sollen die Hautzellen merken, daß das Auge grün oder rot sieht, und wie ist es möglich, daß sie nach diesem optischen Eindruck ihre Farbenumwandlung vornehmen?
Darüber wußte man lange keinen Rat. Da half der Forscher Jacques Loeb mit einem einfachen Gedankengang aus der Klemme. Er sagte: „Die Tiere, welche wir auf rotem Untergrund rot, auf grünem grün werden sehen, kopieren mit ihrer Haut ja gar nicht ihre Umgebung, sondern ein Bild, das sie im Auge haben. Bei uns Menschen ist der Sehakt damit zu Ende, daß alle Gegenstände, die ins Gesichtsfeld geraten, sich mit ihren farbigen und zeichnerischen Einzelheiten auf der Netzhaut, dem Augenhintergrund, abspiegeln, und daß dieses Augenhintergrundbildchen von besonderen Nerven ins Gehirn weitergetragen wird. Dort bleibt das Bild der Außenwelt haften. Bei den zur Nachäffung der Umgebung befähigten Tieren ist das anders. Dort strahlt, wie die anatomische Untersuchung erweist, aus dem Gehirn ein besonderes Nervenfeld aus, das zu den Farbstoffzellen der Haut hinläuft. Dieses Nervensystem hebt das Gehirnbild genau so von seinem Untergrund ab, wie der Sehnerv das Augenbild von der Netzhaut abhebt und trägt es um eine Station weiter, d.h. in die farbstoffbildenden Hautzellen hinein, und hier erst bleibt das Augenbild liegen, statt wie bei uns schon im Gehirn. Die Körperhaut dieser Tiere ist sonach gewissermaßen eine zweite Netzhaut. Aber ihre sehende Seite liegt nicht nach außen, sondern nach innen, gegen das Gehirn.“
Alle bis jetzt bekannten Tatsachen über die Farbenumwandlung

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bei Tieren gehen in diesem Gedankengang Loebs ohne Rest auf. Es wird uns dadurch auch noch eine andere Tatsache erklärlich, daß die Kopie von Zeichnungsmustern gewöhnlich nicht so vollständig ist, daß sie mit einer photographischen Wiedergabe verglichen werden könnte. Wenn man nämlich flunderartige Plattfische in ein Aquarium mit schwarz-weißem Schachbrettboden bringt, so erscheint das Schachbrettmuster sehr genau auf ihrer Haut. Nimmt man ein Schachbrett mit engen Feldern, so ist das Hautbild eng gestreift, nimmt man eins mit weiten Feldern, so ist es weit gestreift, und ersetzt man die Quadrate durch Kreise, so werden auch sie imitiert. Aber die Wiedergabe der Form ist nie so exakt, wie die Wiedergabe der Farbe. Loeb sagt, das kommt daher, daß, genau wie bei unseren Apparaten zur Fernübertragung von Bildern die Muster punktweise übertragen werden. Indem nun aber zwei Umschaltestationen passiert werden müssen, nämlich im Auge und im Gehirn, werden die Bilder etwas verzerrt und auseinandergerissen. Auch muß man berücksichtigen, daß die Haut kein ebener Projektionsschirm ist, sondern ein gewölbter. Er hat Raumtiefe. Die Projektion fällt daher ähnlich aus wie in einem verschieden hin und her gebogenen Zerrspiegel.
Durch diese Ausführung glaube ich die häufig an mich gerichteten Fragen beantwortet zu haben: „Weshalb ändert der Laubfrosch seine Farbe und wie geht diese Farbenumwandlung vor sich?“
Klautke.

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Kriegerheimstätten

Es war einmal eine Zeit, da hatten die meisten unserer Volksgenossen ein eigenes Heim. Und das ist kein Märchen. Heute haben die wenigsten eins. – Der größte Teil unseres Volkes,

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und zwar ein stets wachsender, wohnt in den Städten, und von ihnen wieder der größere und am schnellsten wachsende Teil in den Großstädten in der Mietskaserne.
Was bedeutet nun diese Behausungsart für unser Volk?
1) Die Mietskaserne ist teuer. Je geringer das Einkommen, ein desto größerer Bruchteil muß für die Wohnung ausgegeben werden, und je weniger kleinere und schlechtere Zimmer eine Wohnung hat, desto verhältnismäßig teurer ist sie. Also gerade umgekehrt wie es eigentlich sein sollte. Jede mit viel Kämpfen und Erbitterung errungene Lohnerhöhung, jede Aufbesserung der schmalen Beamtengehälter wird immer wieder durch Mietssteigerung verschlungen. Alle diese Bestrebungen der unteren und mittleren Volkskreise um Hebung ihrer Lebenshaltung werden so zur trostlosen Sisyphus-Arbeit.
2) In weiten Volkskreise kann das politisch wie moralisch so überaus wertvolle Gefühl nicht aufkommen, selbst teilzuhaben am Vaterlande, mit ihm verbunden zu sein durch Eigenbesitz eines, wenn auch noch so kleinen Stückes Heimatboden.
3) Die meisten Wohnungen sind trotz - und wegen - ihres verhältnismäßig hohen Preises so klein, überfüllt und ungemütlich, daß sie das Gefühl eines Heimes gar nicht aufkommen lassen können, namentlich wenn der Preis dazu zwingt, wie leider in überaus vielen Fällen, Schlafgänger zu nehmen. Und das „Heim“ ist die Grundlage des „Heimat“-Empfindens, ist die Voraussetzung eines wirklichen Familienlebens! Wo kein Heim, da ist auch kein Platz für eine ordentliche Hausfrau. In manchen Fällen könnte wohl die Berufsarbeit verheirateter Frauen mit allen ihren Gefahren vermieden werden, wenn sich der Frau in einem kleinen Garten mit Gemüse und Obst, verbunden mit etwas Geflügel- und

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Kleinviehzucht ein hinreichendes Betätigungsgebiet böte mit der Aussicht auf diese Weise zum Haushalt beizusteuern, ohne dabei an der Erfüllung ihrer Pflichten als Hausfrau und Mutter gehindert zu werden.
4) Was für Menschen wachsen in der Mietskaserne auf?
a) Erstens einmal sehr wenig! Die Mietskaserne hat eine abschreckend niedrige, die bei weitem niedrigste Geburtsziffer. Sollten sich unsere Großstädte auf sich selbst verlassen, wären sie schon bald ausgestorben. Nur durch den dauernden Zustrom frischen Blutes vom Lande und aus den kleinen Städten erhalten sie sich und wachsen noch so stark. Ist doch auch die Mietskaserne kein Haus für Kinder: “sie stören“! - Auch wenn wir von den leider schon nicht mehr vereinzelten Fällen absehen, in denen Hausbesitzer sich im Mietsvertrage das Ausbleiben jedes Familienzuwachses versprechen lassen und bei „Zuwiderhandeln“ den Mieter an die Luft setzen (allerdings erkennen die Gerichte eine fristlose Kündigung aus diesem Grunde nicht an!), so ist doch leider nicht zu bestreiten, daß Familien mit Kindern oft und solche mit viel Kindern fast immer Schwierigkeiten haben, eine anständige und gesunde Wohnung zu bekommen. Und dann ist ja in der Mietskaserne auch kein Platz für Kinder; sie machen nur große Kosten, ohne irgendwie nützlich zu sein.
b) von diesen wenigen Kindern erreichen viele kein hohes Alter: In der Mietskaserne ist die Säuglingssterblichkeit am größten, größer als auf dem Lande und in den kleinen Städten mit ihren schlechteren Hygienischen Einrichtungen.
c) Die Mietskaserne ist der Herd unserer schlimmsten Volksseuche, der Lungenschwindsucht. Fehlt es ihr doch an den besten Vorbeugungs- und Heilmittel: Sonne und Luft. – Erfolg der gesundheitlichen Verhältnisse in der Mietskaserne: Von Hundert derer,

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die schließlich das Alter der Wehrfähigkeit erreichen, liefert die Großstadt beinahe nur halb so viel Krieger wie das Land.
d) Über die moralische Wirkung braucht nicht viel noch ergänzt zu werden. - Kein Heim: Wirtshauslaufen, Trunksucht, Familienzerrüttung. – Zu enges Zusammenwohnen, womöglich noch mit Schafgängern: Streitigkeiten, Unzucht, Verbrechertum. Die Zahlen der Kriminalstatistik reden da genug.
Das ist also das Bild von der Zukunft unseres Volkes: Ein aussterbendes, körperlich geschwächtes, seelisch angefaultes Geschlecht!
Schon lange sind auf diese Zustände und Gefahren die besorgten Blicke unserer Sozialpolitiker gerichtet, und schon längst ist in immer weiteren Kreisen die Erkenntnis durchgedrungen: Wir müssen dem Deutschen ein Heim verschaffen, eine kleine aber ausreichende Wohnung mit etwas Garten, ein Heim, das sein eigen sei, das nicht jeden Aufstieg in der Lebenshaltung durch Mietssteigerung hemmt, das weite Kreise fester mit der Heimat verbindet durch das Gefühl des Eigenbesitzes an einem Stück Vaterland, ein Heim, wo Platz, Licht und Luft ist für Kinder, wo auch sie und die Hausfrau sich nützlich machen können durch gesunde Arbeit im Garten für den Haushalt.
Aber alle hoffnungsvollen Anläufe zur Verwirklichung dieses Gedankens hatten bisher keinen Erfolg. Jetzt ist der richtige Augeblick gekommen, hier in letzter Stunde entscheidend einzugreifen:
Unsere Krieger sollen es nicht wieder haben wie nach 1871, als den heimkehrenden Sieger die große Mietssteigerung (die auch diesmal mit Sicherheit zu erwarten ist) und eine schreckliche Wohnungsnot erwarteten, die schließlich selbst zu blutigen Unruhen Anlaß gab. Diesmal wollen wir aus der Geschichte lernen. - Zu Hause hat sich ein „Hauptausschuß für Kriegerheimstätten“ gebildet, der den Gedanken verwirklichen will: Jeder von den

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Kriegern, die uns allen den vaterländischen Boden durch Einsatz ihres Lebens gesichert haben (und die Familien derer, die dabei ihr Leben opferten!) sollen das Recht auf eine Heimstätte haben. Der Boden dazu ist vom Staat, Gemeinde oder gemeinnützigen Stiftungen, nötigenfalls im Wege der Enteignung zu stellen („Heimstättenausgeber“) ohne Gegenleistung einer Barzahlung; nur gegen Übernahme der Verpflichtung zur Zahlung einer bestimmten jährliche Summe (Rente). Auch für den Hausbau soll dem Käufer soweit wie möglich das Geld aus öffentlichen Mitteln vorgeschossen werden.
Es wird ja manchen geben, der aus Berufsrücksichten ein solches Heim nicht gründen kann oder will; aber jeder, der es will, soll es auch können.
Auch auf dem Lande sollen Heimstätten errichtet werden, „Wirtschaftsheimstätten“: Gärtnereien, landwirtschaftliche Anwesen kleinbauerlichen Umfangs. Auch dies ist eine dringende Notwendigkeit. Ist doch das Land der Gesundbrunnen unseres Volkes, schöpft doch die versiegende Großstadtbevölkerung aus ihm immer wieder zur Auffrischung, ist doch jeder Mensch, der auf dem Lande lebt, für die Gesundheit, Sittlichkeit, Fortpflanzung und Wehrkraft unseres Volkes von höchster Bedeutung - vorausgesetzt, daß er auf eigener wenn auch noch so kleiner Scholle lebt und nicht gezwungen ist sich mit Lebensbedingungen zufriedenzugeben, wie sie der Wettbewerb der mehr als genügsamen Wanderarbeiter aus dem Osten verursachet, und die die besseren und aufstrebenden unter ihnen notwendig in die Stadt treibt (Landflucht). - Deshalb ist es von höchster Bedeutung, daß wieder mehr Deutsche und weniger Volksfremde auf deutschen Boden wohnen und arbeiten, und das ist nur möglich durch Ansiedlung von Eigenbesitzern. Das hätte dann auch noch die erfreuliche Wirkung, die für unsere Grenzverteidigung

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so gefährliche Besetzung weiter Grenzstriche durch Massen volksfremder Landarbeiter einzudämmen. Natürlich können diese Wirtschaftheimstätten nur an beruflich geeignete Bewerber mit angemessenem Betriebskapital verliehen werden.
Zu nachhaltiger Wirkung der geplanten Maßnahmen ist allerdings notwendig dafür zu sorgen, daß das ausgegebene Land auch seinen Zweck als Heim erfüllt und nicht beliebig wieder als Spekulationsobjekt verwendet werden kann!
Es sind daher folgende Vorkehrungen erforderlich:
1) Da die Heimstätte nicht eine beliebige Geldanlagen sein soll, sondern die Grundlage des Familienlebens, kann sie nur mit Zustimmung der Ehefrau veräußert werden.
2) Der „Heimstättenausgeber“ hat das Recht auf Rückübertragung des Eigentums gegen Ersatz der Baukosten usw. - wenn das Grundstück seinen wahren Zweck nicht mehr erfüllt, also wenn der „Heimstättner“ es verkaufen will, es selbst nicht mehr dauernd bewohnt oder bewirtschaftet bei dauernd grober Mißwirtschaft und bei Übergang an andere Erben als die nahen Verwandten.
3) Zur wirtschaftlichen Sicherstellung soll dienen:
a) Rente ist nur mit allseitiger Zustimmung ablösbar.
b) Hypotheken dürfen nur eingetragen werden wegen Darlehen, die zu Bauten oder Verbesserungen des Grundstückes verwendet sind. Sie dürfen nicht ewig stehen bleiben sondern müssen dauernd getilgt und die getilgten Beträge gelöscht werden.
c) Für andere Forderungen darf das Grundstück nicht belastet und auch nicht versteigert werden.
4) Die Heimstätte darf nicht geteilt werden, auch nicht im Erbfalle.
Im übrigen ist noch zu bemerken, daß natürlich auch schon

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vorhandener Beisitz muß in Kriegerheimstätten umgewandelt werden dürfen, und daß von den Bewerbern in erster Linie die ortsansässigen Kriegsbeschädigten, die Kriegerwitwen und die kinderreichen Familien berücksichtigt werden sollen.
Diesen Grundsätzen des „Hauptausschusses“ haben sich schon über 2500 Behörden und Organisationen angeschlossen.
Dr. Knoll.

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Fischen verboten!

Wenige Tage später, nachdem man uns hier in Kokaido eingesperrt hatte, wurden in dem Fischteich unseres kleinen Gartens zwei Tafeln aufgestellt mit der Aufschrift:
„Es ist verboten in diesem Teich zu fischen!“
Nur auf deutsch, nicht auch noch wie auf den verschiedenen anderen Verbotstafeln, auf japanisch.
Unsere Gefängniswärter befürchteten wohl, daß wir die schönen, fetten Karpfen aus dem Teich wegfangen würden, um sie im Kochgeschirr zu dressieren.
Im Anfang der Gefangenschaft. als wir nur eine Kartoffel, dreiviertel Ei und ein bischen {sic!} starre Talgsauce als Hauptmahlzeit erhielten, mag die Befürchtung, die gefüllten Fischteiche möchten die ausgehungerten Soldatenmagen zum Mundraub verleiten, begründet gewesen sein. Als sich später aber die Verpflegung etwas besserte, wenigstens quantitativ, bekamen wir neben Reis auch soviel Fischspeisen, Fisch gekocht und gebraten, Fisch „verlängert“, Fischragout und Fischlapskaus, daß wohl „keiner“ mehr Appetit auf einen „Extra“-Fisch hatte, wenn schon die gestohlenen Früchte am süßesten schmecken sollen.
Wohl griff der Schmetterlings-, Ratten- und Mäusemarder H.

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gelegentlich mit der Hand zum größten Gaudium der zuschauenden japanischen Posten einen dicken Karpfen, der in der Wollust des Laichens weniger vorsichtig war und allzu nahe am Ufer laut und lustig plätscherte, doch ließ er ihn immer wieder laufen, vielmehr schwimmen. Sonst aber können sich die Bewohner des Teiches eines durch uns nicht gestörten Daseins erfreuen. Wir tun ihnen nichts zuleide.
Nein, ich will auch gar nicht von „großen“ Räubern und Dieben erzählen, die man nach dem Volksmunde gewöhnlich ja immer laufen läßt, sondern von einem ganz „kleine“, einem gefiederten, der aber auch nicht gehängt wurde.
Am hellen, hohen Mittag, einer zum Diebstahl sonst wenig geeigneten Tageszeit, sitze ich an einem „Lieblingsplatz“ im Garten (d.h. sofern ein Gefangener den einen Platz seiner Zelle lieber hat als den andern) in der Sonnenseite, im Schutze der Wallhecke.
Wenn ich die Nase von meinem Buch erhebe, so sehe ich zunächst einen corpus faul auf einem Sorgenstuhl ausgestreckt, hinter meinen Fußspitzen ein Stückchen vom Wege, dann das grasbewachsene Ufer des Teiches, eben links davon eine kleine Kiefer, die sich schon seit Jahren zu überlegen scheint, ob sie sich nicht lieber ins Wasser stürzen soll, so weit hängt sie über den Uferrand hinaus. Dann kommt das Wasser des Fischteiches. Flinke, zierliche Schwalben, im blauschwarzen Frack, mit weißer Hemdenbrust und braunem Halstuch jagen im eleganten Fluge den Mücken nach. Der Teich schlängelt sich nach dem Hintergrunde. Überhängende Binsenhalme verbergen ihn dann den Blicken. Schöngeformte Silberweiden, deren lange Ruten mit dem Winde spielen, rahmen das Bild ein. Das rostbraune Binsendach einer Laube blickt noch durch den grünen Rahmen und aus weiter

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Ferne schimmert die blau-violette Nebelkette der Berge herüber.
Wie ich dem ruhigen Fluge eines schönen weißen Taubenpaares nachschaue, da flitzt etwas glänzend buntes über die Wasseroberfläche hin, taucht im Fluge einmal kurz ins Wasser ein, erhebt sich wieder und setzt sich auf den obern Rand der einen Tafel:

„Fischen verboten!“

Es ist ein kleiner Vogel von gedrungener Gestalt, mit großem Kopf und langem Hals: ein Eisvogel. Unbeweglich hockt er da und schaut mit philosophischer Ruhe ins Wasser.
Da stürzt er sich plötzlich mit reizendem Kopfsprung reißend schnell herab, taucht mit einem Stoß ins Wasser und wie er wieder auffliegt und sich abermals auf den Tafelrand setzt, blinkt ein silbernes Fischlein in seinem Schnabel. Es wehrt sich zappelnd noch ein Weilchen, dann verschwindet es im schluckenden Hals seines Jägers.
Wieder hockt der Vogel unbeweglich auf seinem Anstand und lauert auf neue Beute. Auf seinem schönen Gefieder glänzen noch die Wasserperlen. Die prachtvollsten Farben hat sich der kleine Kerl zu seinem Kleid geben lassen und geschmackvoll hat er sie zusammengestellt, daß es einen herrlichen Kontrast abgibt: lasurblau und blaugrün, rostfarben ziegelrot und zimmetbraun.
Zweimal taucht er vergeblich ins Wasser, beim nächsten Mal hat er wieder einen zappelnden Stichling geräubert.
Warum er nur immer wieder nach der Tafel zurückfliegt:

„Fischen verboten!“

um da seinen Raub zu verzehren. Wahrscheinlich kann er von da aus sein Revier am besten übersehen.
Oder will er sich lustig machen über die japanischen Vorschriften? Warum nicht! Er kann's sich ja erlauben. Er ist ja „vogelfrei.“ Gebe der Himmel, daß wir von uns recht bald dasselbe sagen

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können, daß wir wie unser kleiner Räuber hier auf japanischer Verbote pfeifen können.

„Fischen verboten!“
Lt.
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Über einige Artikel des hiesigen Museums.

Wenn wir gelegentlich eines Spazierganges das hiesige Museum besuchen, so kauft wohl mancher unter uns etwas von den ausgestellten Sachen und vielleicht dürfte es interessieren, etwas näheres über einige derselben zu erfahren. Sämtliche aufgeführten Artikel werden in großen Mengen von Japan ausgeführt und eignen sich alle für Geschenkzwecke oder als Andenken an Japan. Es kämen zunächst in Frage die
Lackwaren. Das beliebteste Material für allgemeine Zwecke wie Kasten, Tische, Teebretter, Schalen usw. ist das Holz, von dem jedoch nur ausgesuchte Arten benutzt werden; den Lack gewinnt man durch Anbohren des aus China eingeführten Lackbaumes. Der Vorgang des Lackierens ist sehr umständlich und langwierig. Nachdem das Holz mit pulversierten Hanf und Leim bedeckt ist, wird der erste Lacküberzug gemacht. Nach vollständigem Trocknen wird auf diesen sogenannten Grundierungslack wieder ein feines Hanfgewebe gelegt, und diesem Grunde werden mehrere Male verschiedene Qualitäten von Lack aufgetragen. Vor jedem Überzug mit einer neuen Schicht muß die alte vollkommen trocken sein, und selbstverständlich muß die peinlichste Sauberkeit herrschen, denn kein Stäubchen darf dem Gegenstande ankleben, wenn die Arbeit gelingen soll. Aus diesem Grunde werden die besten und feinsten Lackwaren auf Schiffen hergestellt, die in die See hinausfahren. Durch schichtenweises Auftragen verschiedener Farben

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und nachheriges Abschleifen erhält man marmorierte Lackwaren. Das gewünschte Muster muß schon vor dem ersten Lacküberzug gezeichnet und bei jeder späteren Lage wieder genau umrissen werden. Ganz zum Schluß wird der Gegenstand mit einem feinen Steine geschliffen und mit einem Tropfen Öl gerieben, bis eine genügende Politur erzielt ist. Sehr schwierig ist die richtige Beurteilung des Lacks; ganz ähnlich aussehende Sachen haben oft ganz verschiedene Preise.
Häufig findet man Perlmuttereinlagen, das Material dazu entstammt einer Muschel, meistens dem japanischen Seeohr (Awabi), neuerdings aber auch vielfach aus der Südsee eingeführtem Material.
Porzellan- und Tonwaren. Man hat verschiedene Arten von Porzellan, die je nach ihren Herstellungsorten besondere Eigenschaften haben: z.B. Kanazawa, woher das reich mit Rot und Gold verzierte Kutani-Porzellan kommt; Owari, das für gewisse Sorten von Fayence und Steingut bekannt ist, Awaji, das vor allen Dingen grün und gelb glasierte Porzellan liefert. (Fayence ist Halbporzellan, eine Töpferware, die mit einer undurchsichtigen Bleiglasur überzogen ist, eine besondere Art ist die italienische Majolika). Das Dorf Seto in der Provinz Owari hat den Ton- und Porzellanwaren in allgemeinen sogar seinen Namen gegeben, denn der Japaner nennt dieselben „setomono“, d.h. Dinge aus Seto. Ferner sind berühmt: Kyoto, Nagasaki und Kagoshima. In letzterem Orte sowie in Satsuma fertigt man Satsuma Craquelee, ein Fayence Porzellan, das von vielen kleinen Rissen durchzogen ist. Diese rissige Glasur soll einmal zufällig durch unrichtiges Abkühlen des Ofens entstanden sein, sie gefiel aber dann so, daß man sie von da an absichtlich herstellte. Jetzt zählt Satsuma Craquelee zu den besten Erzeugnissen der Porzellanindustrie, für gute

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Sachen werden sehr hohe Preise erzielt, eine Vase von 10 cm Höhe z.B. kommt auf 25-30 Yen, wenn die Malerei fein ausgeführt ist. Auf einer solchen Vase kann ein ganzer Begräbniszug dargestellt werden, die Personen sind so winzig, daß der Künstler mit Hilfe einer Lupe malen muß. Naturgemäß sind diese Art Sachen keine Massenware, sondern jedes Stück muß einzeln geprüft und ausgesucht werden. Hier im Museum ist nichts derartiges zu haben, nur der Vollständigkeit halber führe ich diese Artikel mit auf. Auch Dogo hat eine Spezialität, ein zierlich weißes Halbporzellan, das in Tobe, nicht weit von Dogo, verfertigt wird; allerdings ist dieser Platz nicht so berühmt wie die anfangs genannten. Gutes japanisches Porzellan ist immer handgemalt; meistens werden Tee- und Kaffeeservice, Blumenvasen usw. hergestellt, während die Tonwaren zum größten Teile Götter und Figuren aus der japanischen Geschichte darstellen.
Cloisonne Waren. Dies sind Metallgegenstände, auf deren Grund man durch Auflöten von Kupfer- oder Messingstreifen Fächer (franz. cloison) zur Aufnahme verschiedenfarbiger Emaillemassen angebracht hat. Hauptfabrikationsorte sind Tokyo, Kyoto und Nagoya mit Umgegend. Die besten künstlerischen Stücke werden in Kyoto hergestellt, dessen Stil sich von dem Tokyos darin unterscheidet, daß die Cloisons sichtbar bleiben, während Tokyo seinen Ruhm darin sucht, dieselben unsichtbar zu machen. Als Untergrund für die Nagoya Cloisonne wird Silber genommen und in dieses in der gewünschte Zeichnung erhaben getrieben, außerdem ist die verwendete Emaille meistens durchsichtig, so daß sich wunderbare Wirkungen erzielen lassen. Da die Herstellung fehlerloser Stücke schwierig ist und viele verderben, ist der Preis der Cloisonne Ware ziemlich hoch. Der Käufer eines Wandtellers z.B. muß nicht nur diesen bezahlen, sondern auch all die andern, die fehlerhaft

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oder verdorben und mißraten sind. Die Korbwaren sprechen für sich selbst. Zu achten ist vor allem auf regelmäßiges gutes Flechtwerk und eine schöne rötlichbraune Farbe. Erwähnen möchte ich besonders mit Bambusgeflecht umspannen Vasen, Lampenschirme usw., die in großer Anzahl ausgeführt werden und unter denen recht hübsche geschmackvolle Sachen zu finden sind. Berühmt für seine gute Arbeit ist Arima in der Nähe von Kobe. Auch im hiesigen Museum sind Bambuskörbe zu haben, ausgesuchte Qualitätsware habe ich allerdings nicht gesehen.
  Alle genannten Artikel spielen im Handel eine große Rolle; weniger im Kleinverkauf an durchreisende Fremde, als vielmehr im Ausfuhrhandel. Woche für Woche gehen aus den Hafenstädten ganze Dampferladungen nach aller Herren Länder ab. Die obige Liste könnte noch leicht erweitert werden; aber sie mag genügen, um einen kleinen Begriff der hier gefertigten Kunstgegenstände zu geben. Indessen, wie gesagt, erschöpfend ist sie nicht.
Ldv.

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Kunstausstellung in Yamagoe

Wie durch Rundfrage schon bekannt sein wird, ist in Aussicht genommen im Herbst, voraussichtlich im Oktober, in Yamagoe eine „Ausstellung von in der Kriegsgefangenschaft geschaffenen Erzeugnissen des Zeichnens und Malens“ zu veranstalten.
Die Vorbereitungen hat Herr Hauptmann Stecher übernommen. Ihm werden als weitere Ausschußmitglieder Festungsbaufeldwebel Faul, Sees. Steppan und Sees. von Holstein zur Seite stehen. Außerdem sollen die beiden anderen Lager je einen Vertreter in den Ausschuß senden.

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Für die besten Erzeugnisse sind Ehrenpreise ausgesetzt, insbesondere auch für ein Gedenkblatt an die Gefallenen von Tsingtau. Näheres ist beim Ausschuß zu erfragen.

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Rätselecke

Zweisilbig.
Nach der „Ersten“ sehnt sich fast jeder Mann,
Auch die Frauen nicht ausgeschlossen.
Wer zur „Ersten“ will, den trifft man wohl an
Auf der „Zweiten“ oft unverdrossen.
Das „Ganze“ ersehen am fremden Strand
Ein’ge tausend gefangene Krieger;
Und ist es erreicht, verlassen das Land
Sie gern, doch so stolz wie die Sieger.
A. Dt.

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