Lagerfeuer
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Lf. Nr. 14. Matsuyama, Sonntag, den 30. April 1916.
Zum 1. Mai.
Vor nunmehr 64 Jahren - am 1. Mai 1852 - wurde in Swinemünde die erste ständige Marineinfanterie-Formation errichtet. Wenn auch ihre Bezeichnung „Seebataillon“ erst einige Tage später durch Allerhöchste Kabinettsordre erfolgte, so kann doch jener Tag als Geburtstag unserer heutigen Truppe gelten.
War diese Organisation im Verein mit der übrigen damals noch preußischen Marine geschaffen worden im Anschluß an die trüben Erfahrungen im Kriege mit Dänemark 1848, welches mit wenigen Schiffen die preußischen Häfen blockierte, so sei daran erinnert, daß dieser Zeit der rein binnenländischen Handels- und Wirtschaftspolitik unseres Vaterlandes schon früher einmal eine Periode der Weltwirtschafts- und Seemachtsbestrebungen voranging.
Allerdings trifft dies nur auf den Großen Kurfürsten von Brandenburg -1640/1688 - zu, welcher als einziger deutscher Fürst Flotten- uind Kolonialpolitik trieb. Seine Zeit wie überhaupt das 17. Jahrhundert, war reich an Rivalitäts- und Konkurrenzkämpfen um die überseeische Welt. Das kleine Holland hatte ein glänzendes Beispiel dafür gegeben, wie eng politische und wirtschaftliche Macht zusammenhängen, und wie eine die andere stärkt. Was die Niederlande an der Nordsee errichtet hatten, das suchte Friedrich Wilhelm an der Ostsee zu schaffen. Seine Politik verfolgte daher nicht nur einen Konkurrenzkampf mit Holland, sondern war auch scharf gegen Schweden gerichtet.
Dieses unternahm natürlich alles, um den neuen Konkurrenten niederzuhalten. Noch im Vertrage von Labiau 1656, in dem Karl X. Gustav dem Kurfürsten die Souveränität über Ostpreußen und Ermeland zusicherte, mußte dieser auf das Recht
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Kriegsschiffe in der Osten zu halten und eine eigene Flagge zu führen verzichten. Zwei Jahre später zeigte der Krieg mit Dänemark, wie sehr Brandenburg einer Kriegsflotte bedurfte.
Aber erst im Jahre 1675, als die mit Ludwig XIV. im Bunde stehenden Schweden bei Fehrbellin geschlagen, und der Krieg an die Küsten der Ostsee getragen wurde, gelang es dem Großen Kurfürsten seine lang gehegten Pläne endgültig zu verwirklichen.
Den unmittelbaren Anstoß hierzu gab der holländische Reeder Benjamin Raule, der durch den Krieg Frankreichs gegen sein Vaterland -1672/1678 - an den Rand des Bankrotts gekommen war. Mit einem Kaperbriefe des Kurfürsten versehen, gelang es den von ihm ausgerüsteten Schiffen den Schweden innerhalb weniger Wochen 21 Kauffahrteischiffe wegzunehmen. Gleichzeitig aber organisierte er eine brandenburgische Flotte, indem er die von den Holländern gemieteten Schiffe zu einer kriegstüchtigen Seemacht gestaltete, welche sowohl im Kampfe gegen Schweden, als auch im Konflikt mit Spanien - 1680 - eine bedeutende Rolle spielte. Zu dieser Zeit wurden zum ersten Male Musketiere der brandenburgischen Armee an Bord der kurfürstlichen Flotte kommandiert. Ihre Aufgabe bestand vornehmlich in der Handhabung des kleinen Gewehrfeuers, welches nach bis um die Mitte des 19 Jahrhunderts eine wesentlichen Gefechtsfaktor bildete: Außerdem versahen jene Musketiere den gesamten Wachtdienst an Bord, sie stellten Hilfsnummern für die Geschützbedienung und verrichteten den recht umfangreicher Reinigungsdienst gemeinsam mit den Matrosen, welche in erster Linie in der Bedienung der Takelage und Geschütze ausgebildet wurden.
Im Jahre 1681 zählte die brandenburgische Flotte bereits 30
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Fahrzeuge verschiedener Größe, von denen allerdings der „Markgraf von Brandenburg“, ein bei Ostende geentertes spanisches Kriegsschiff, das einzige eigene Schiff war. Erst als durch das Bündnis mit Frankreich in den folgenden Jahren die Geldmittel etwas reichlicher flossen, erfuhr die Flotte eine umfangreiche Verstärkung durch Kriegsschiffe, die im unmittelbaren Besitz Brandenburgs standen.
Unterdessen betrieb Raule eifrig die Förderung des brandenburgischen Seehandels. Allein für dessen Ausdehnung bis zur Guinea-Küste waren die Königsberger Kaufleute nicht zu haben. Daher unternahm Raule, unterstützt vom Kürfürsten und einigen holländischen Geschäftsfreunden, auf eigene Gefahr eine Expedition nach der Goldküste, wo der „Morian“ bei Tres Puntas mit den Aschantihäuptlingen einen Vertrag abschloß, der die Möglichkeit für die Anlage einer Kolonie gewährleistete. Der Große Kurfürst, welcher die Wichtigkeit dieses Erfolges einzuschätzen wußte, begründete im Jahre 1682 „Die Afrikanische Kompanie“ eine Aktiengesellschaft mit dem Grundkapital von 50000 Talern.
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Gleichzeitig sandte er 2 Schiffe nach Tres Puntas, welche unter dem Major von der Groeben und einem Landungskorps daselbst die brandenburgische Flagge hißten und ein Fort: „Groß-Friedrichsburg“ errichteten. Die „Afrikanische Kompanie“ unterhielt eine regelmäßige Verbindung mit diesem Platze und ließ ihre Schiffe unter brandenburgischer Flagge im Mittelmeer und an Amerikas Küsten verkehren.
Ihren Sitz, der bislang in Königsberg mit Pillau als Hafen war, verlegte der Kurfürst 1683 auf Grund seiner ungünstigen Lage und der Abneigung der Königsberger Kaufleute nach Emden. Hier wurde auch im Jahre 1684 die „Kompanie des Marines“ gegründet, welche bereits im folgenden Jahre zu einem „Marinebataillon“ erweitert wurde. In ihm haben wir die Stammtruppe der Marineinfanterie zu erblicken.
Ihre Aufgabe war gleichzeitig bedeutend erwetert worden. Sie sollte nicht nur als Besatzung an Bord, sondern auch zur Verteidigung der afrikanischen Forts dienen. Diese erfuhren noch eine Vermehrung durch die Besitznahme der Insel Arguin 1685 an der Küste des heutigen Senegambien.
Die Haupthandelsprodukte der „Afrikanischen Kompanie“ waren neben Gummi, Straußenfeder, Gold und Elfenbein auch Negersklaven, für welche auf der dänischen Insel St. Thomas eine besondere Handelsstation mit Plantagenbau errichtet wurde. Jene Zeit bezeichnet den Höhepunkt der brandenburgischen Unternehmungen.
Als der Große Kurfürst im Jahre 1688 starb, erlahmte das Interesse an der Kolonialpolitik, und als Raule 1697 von der Leitung zurücktrat, ging die Gesellschaft allmählich ihrem Bankrott entgegen. Das durch den Nachfolger Friedrich
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Wilhelms neu gegründete Königreich Preußen -1701- war zu sehr innerhalb seiner eigenen Bestandteile, sowie an seinen Grenzen in Anspruch genommen, als daß es die Politik des Kurfürstentums hätte fortsetzen können. Friedrich Wilhelm I. verkaufte 1721 die gesamten afrikanischen Besitzungen an Holland. Die Flotte wurden aufgelöst und mit ihr im Jahre 1757 auch das Marine-Bataillon.
Für mehr als ein Jahrhundert kehrte der deutsche Handel zu einer rein binnenländischen Handels- und Wirtschaftspolitik zurück.
Mit dem Erwachen Deutschlands aus seiner politischen Ohnmacht in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts, mit dem durch Dampf und Eisenbahn mächtig angeregten Erwerbstrieb des deutschen Kaufmanns richteten sich die Bestrebungen unseres Vaterlandes zum ersten Male wieder auf eine Einigung im Innern und handelspolitische Machtentfaltung nach außen. Aber eine nationale Handelspolitik ohne eine deutsche Flotte war nicht möglich. Denn wie sollte sich der Kaufmann hinauswagen, wenn er auf keinen Schutz rechnen konnte? So wurde damals die deutsche Flotte eine Herzenssache aller Deutschen, insbesondere aller Wortführer der Opposition. Nicht nur Freiligrath huldigte ihr, auch Georg Herwegh widmete ihr eines seiner wirkungsvollsten Gedichte:
Erwach mein Volk mit neuen Sinnen,
Blick in des Schicksals goldnes Buch,
Lies aus dem Sternen dir den Spruch:
Du sollst die Welt gewinnen!
Erwach mein Volk, heiß deine Töchter spinnen!
Wir brauchen einmal wieder deutsches Linnen
Zu deutschen Segeltuch.
usw.
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Trotz alledem blieb „die deutsche Flotte“ vorläufig nur einer der zahlreichen idealen Wünsche jener Zeit.
Erst der erste Krieg Schleswig-Holsteins gegen Dänemark 1848, in welchem preußische und andere deutsche Bundestruppen den Schleswig-Holsteinern zur Hilfe kamen, gab Veranlassung zu den Anfängen einer „Deutschen Seemacht“.
Die Dänen blockierten die deutschen Häfen und machten jeglichen Seehandel unmöglich. Dieser Umstand in Verbindung mit dem russischen und englischen Einfluß führte zum Waffenstillstand von Malmoe, durch welchen die Siege des preußischen Generals Wrangel wieder fruchtlos gemacht wurden.
Dafür ging man aber nunmehr preußischerseits ernstlich an den Bau einer Flottille. Am 5 September 48 - also ca. 4 Wochen nach Abschluß des Waffenstillstandes - überwies eine preußische allerhöchste Kabinettsordre die Angelegenheiten einer Küstenflottille dem Kriegsministerium. Gleichzeitig trat eine Marinekommission unter dem Prinzen Adalbert von Preußen zusammen. Wie zur Zeit des Großen Kurfürsten so wurden auch jetzt wieder zur Ergänzung und Vermehrung des Personals an Stelle der fehlenden Marinesoldaten Infanterie-Kommandos der Armee gestellt, während die Seeleute für den Dienst in der Takelage gebraucht wurden. Die Seeoffiziere wurden wie zur Zeit Raules der Handelsmarine entnommen.
Neben dieser preußischen Organisation schritt nun auch die deutsche Zentralgewalt zum Ausbau einer Flotte. Bei dieser fand der Organisator der brandenburgischen Flotte Raule einen würdigen Nachfolger in der Person des Reichskommissars und späteren Admirals Bromme (genannt Brommy), der bereits in den griechischen Freiheitskämpfen eine Rolle gespielt hatte und nunmehr mit der Gründung einer „Deutschen
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Flotte“ betraut wurde.
Diese Organisation bildete sonach neben der preußischen einen selbständigen Faktor unter der schwarz-rot-goldenen Flagge, welche die seit dem 29. VI. 48 unter dem Erzherzog Johann zu Frankfurt a/Main herrschende provisorische Zentralgewalt versinnbildlichte. Mit Erschaffung der letzteren war der deutsche Bund aufgelöst worden, um erst wieder am 30. Mai 1851 zusammenzutreten.
Unter diesen Umständen konnte es nicht wundernehmen, daß England die neuentstehende Seemacht nicht anerkennen wollte. Der damalige Premierminister Lord Palmerston ließ sich sogar zu der hochmütigen Äußerung hinreißen, daß er jene Flagge nicht kenne, und daß er jedes Schiff, welches unter derselben Flagge fahre als Piratenschiff ansehen würde.
Inzwischen führte die Einsetzung einer Statthalterschaft in Schleswig-Holstein durch die deutsche Zentralgewalt zum zweiten Kriege gegen Dänemark 1849. Diesmal verliefen die Operationen gegen die feindliche Seestreitkräfte günstiger. Bei Eckernförde wurde durch Küstenbatterien das Linienschiff „Christian VIII.“ in Brand geschossen und die Fregatte „Gefion“ genommen. Die neu gegründete deutsche Flotte lieferte den Dänen bei Helgoland ein Seetreffen, war aber dann genötigt, untätig in der Wesermündung zu liegen. Der Juli desselben Jahres brachte bereits die Beendigung dieses Krieges durch den Abschluß des Waffenstillstandes von Berlin, infolgedessen Schleswig unter neutrale Verwaltung gestellt und von preußischen und schwedischen Truppen besetzt wurde.
Nunmehr ging man in Preußen an eine sofortige Reorganisation der während der letzten Monate schnell aufgebrachten Seestreitkräfte. Eine kriegsministerielle Verfügung von 23. Dezember 1849 verordnete die Einteilung des Marinekorps mit dem
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Prinzen Adalbert als Chef in ein „Matrosen- und ein Marinierkorps“. Wie der Namen sagt, sollte ersteres lediglich das seemännische Personal aufnehmen, während das Marinierkorps analog der Armee seinen Mannschaftsbedarf durch Landersatz-Mannschaften zu decken hatte. Nach dreijähriger Dienstzeit traten diese ebenso wie die Matrosen zur Marinereserve bezw. nach weitern 4 Jahren zu Seewehr über.
Im Jahr 1850 bestand dieses Marinierkorps aus 2 Kompagnien unter einem Stabsoffizier und war dem Marinekommando zu Stettin unterstellt. Jedes größere Kriegsschiff der preußischen Marine erhielt ein kleines Detachement dieser Truppe.
Dieses war wie zur Zeit der kurbrandenburgischen Flotte dazu bestimmt, Hilfsmannschaften in den Batterien zu stellen, den recht umfangreichen Wachtdienst zu versehen und im Gefecht das „Kleingewehrfeuer“ auszuführen. Dieses spielte in damaliger Zeit bei den Seekämpfen noch immer eine wichtige Rolle.
Die Uniform dieser Mariners war nichts weniger als schön. Sie bestand aus einem dunkelblauen Waffenrock mit gleichfarbigem Kragen und Aufschlägen. Auch die Mütze war dunkelblau und zeigte auf der Vorderseite ein aus gellem Tuch geschlagenes K. M. Außerdem wurden an Land eine Helm mit Kugelaufsatz getragen.
Wenn auch diese preußische Organisation im Vergleich mit anderen seefahrenden Staaten recht bescheiden zu nennen war, und ihre Verwendung im dritte dänischen Kriege 1850 kaum in Frage kam, so war doch eine Grundlage geschaffen, auf der sich die preußische und späterhin die deutsche Flotte aufbauen konnte.
Im Gegensatz dazu blieb die Bundes-Kriegsverfassung unwirksam wie vor 1848. Bei der Ohnmacht und Schwerfälligkeit der deutschen Bundesverfassung, die gemeinsam Finanzen nicht
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kannte, so daß der vorläufigen Reichsregierung und dem Bundestag eigene Mittel nicht zur Verfügung standen, mußte die eben geschaffene deutsche Flotte zu Grunde gehen.
Noch vor Abschluß des Londoner Protokolls, welches den schleswig-holsteinischen Freiheitskämpfen zu Gunsten Dänemarks ein Ende setzte, wurde die deutsche Flotte durch den oldenburgischen Staatsrat Hannibal Fischer versteigert (2. IV. 1852). Der größte Teil der Schiffe wurde von Preußen übernommen, auf das nunmehr der Schutz der deutschen Seeküste übergegangen war.
So endete das deutsche Flottenunternehmen unter dem dröhnenden Gelächter Europas. Das deutsche Volk aber empfand dieses mit einer Posse endigende Drama als Schmach und Schande.
Viele verzweifelten angesichts der trostlosen politischen Lage und sahen trüben Blicks in die Zukunft, aber trotz alledem gab es Denker und Dichter genug, die sich nicht abbringen ließen von ihrem Glauben an künftige bessere Zeiten der Macht und Einigkeit.
Erwähnt seien hier nur Wilhelm Jordans weissagende Reime:
Ich seh den Tag der Garben reihen
Na, endlich, endlich weicht der Fluch
des ewigen Bundes Stunde schlug
dort seh ich meinen König reiten
Mit aller Stämme Heeresmacht.
Da fließt der Rhein – ha, welch ein Streiten
Sieg, Sieg, gewonnen ist die Schlacht.
Vom Dome tönt die Krönungsstunde,
Das Münster steht auf deutschem Grunde
Der Hansa Meeresbanner weht!
Die Idee der deutschen Einheit und Macht rettete sich aus der Revolutionszeit hinüber in die Zeit des Aufbaus und Fortschrittes.
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Die schwarze Adlerflagge der preußischen Kriegsmarine aber zeigte sich von Jahr zu Jahr zahlreicher auf allen Meeren und mit ihr segelten die seit dem ersten Mai 1852 in Swinemünde zu einem Seebataillon gehörigen
„Seesoldaten“.
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Amur-Ansiedler
Die Leibeigenschaft der russischen Bauern wurde im Jahre 1869 aufgehoben. Überall in dem weiten Reiche machten sich reformatorische Bestrebungen bemerkbar. So entstand in den 80 Jahre die Landgemeinde, der sogenannte „Mir“. Dieser Mir besteht aus den Bauern einer oder mehrerer Dorfgemeinden. Das Land, der Grundbesitz gehört allen Bauern gemeinsam. Die Bebauung des Bodens und seine Nutznießung ist eine allgemeine. Vergrößern kann sich dieser Grundbesitz nie, deswegen wird infolge der starken Volksvermehrung der Anteil jedes einzelnen an Grund und Boden immer kleiner. Das hat, besonders im dichter bevölkerten Südrußland zu großen Mißständen geführt. Man vergleiche nur einmal die prächtigen Einzelgüter der deutschen Kolonisten im Gouvernement Saratow mit den elenden Hütten der russischen Bauern dort.
Da der Mir-Bauer die Felder im gemeinsamen Interesse bestellt und nicht in seinem eignen, so besitzt er auch nicht die rechte Liebe zum Heimatboden und zur Arbeit. Dazu kommen häufig Trunksucht und mangelnden Gesundheitsverhältnisse. Die Volksbildung und Volksaufklärung steht auf einer tiefen Stufe; die Unwissenheit und die in der Leibeigenschaft durch Generationen gezüchtete sklavische Ergebenheit machen den russischen Bauern unfrei und fatalistisch. Er ist gleichgültig. Hat gleichsam den Glauben an ein besseres Dasein verloren, er nimmt alles als von
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Schicksal bestimmt hin.
Dank dem Mir ist es denn so weit gekommen, daß in gewissen Distrikten des gewaltigen Russenreichs Mangel an Grundbesitz vorhanden ist. Um dem abzuhelfen siedelt die Regierung allmählich die überflüssige Bevölkerung aus und zwar nach dem Lande, wo ungeheure Gebiete der Erschließung warten - nach Sibirien.
Die Amurprovinz, von der ich sprechen will, ist eines dieser Länder, das unermeßlich reich ist an Bodenschätzen, an Kohle und Metallen, hauptsächlich aber an Gold. (Die Amurprovinz lieferte 1910 ⅔ des russischen Goldes). Ungeheure Strecken des besten Humusbodens warten der Bebauung. Der tausendjährige Wald, die „Taiga“, beherbergt jegliches Wild und Raubzeug, die Flüsse sind reich an Geflügel und wimmeln von Fischen.
Und dies ideale Land ist uns Ausländern verschlossen. Nur Russen dürfen sich ansiedeln, nur Russen können Grundbesitz erwerben. Es liegt hauptsächlich im Interesse der Regierung, den gelben Einwandererstrom einen Damm entgegenzusetzen. Und diesen Damm baut sie auf aus den fast unerschöpflichen Reserven ihrer südrussischen Bauern. Alljährlich kommen Scharen dieser Ansiedler nach der Amurprovinz. Die Bauern werden fast kostenlos mit der sibirischen Bahn befördert. Sie fuhren bis zum Jahre 1913 bis Station Karynskaja, unweit der mandschurischen Grenze. Von dort brachte sie eine Nebenbahn über das seiner Bleibergwerke wegen berüchtigte Nertschinsk nach Stretensk. Von Stretensk aus wurden die Ansiedler auf der Schilka verschifft, die sich mit dem aus der Mongolei kommenden Aigun zum Amur vereinigt.
Ich bin 1911 von Europa auf demselben Wege herausgefahren. Unser Dampfer trug im Zwischendeck etwa 500 russische Bauern. Diesen Bauern verdanken wir, daß wir bereits am ersten Abend
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unserer Stromfahrt rettungslos festfuhren.
Seit 1913 ist die Strecke der Mittelamurbahn von Tschita bis Blagowestschensk fertiggestellt. Es ist dies eine Parallelbahn der transsibirischen Eisenbahn, die hauptsächlich strategische Wert hat, die aber auch zur Erschließung der Amurprovinz viel beitragen wird. Die Endstrecke dieser Bahn von Blagovestschensk bis Chaboroffsk (etwas 900 km) ist jetzt, wie ich aus Zeitungen erfuhr, mit Hilfe deutscher und österreichisch-ungarischer Kriegsgefangener fertiggestellt. Die Russen besitzen also heute einen Schienenweg, der vom japanischen Meere bis Deutschland auf russischem Gebiete liegt.
In jedem größeren Orte der Amurprovinz gibt es eine Ansiedlungskommission. Die Bauern erhalten von der Regierung einen größeren Landbesitz kostenlos. Saatkorn, landwirtschaftliche Maschinen werden teils ohne Kosten, teils auf langfristigen Kredit geliefert. Das zu bebauende Land befindet sich größtenteils noch im Urzustande. Es muß gerodet, geebnet werden, Brunnen müssen gebohrt, Häuser gebaut werden. Schweres Arbeiten, bescheidene Lebensweise, das sind die Grundbedingungen der ersten Jahre hier draußen.
Doch der Lohn für das Aushalten bleibt nicht aus. Der 5 Monate währende Sommer, ein Sommer, wie wir ihn in Süddeutschland haben, läßt alles gedeihen und bringt alles zur Reife. Die sibirischen Bauern sind denn auch dank ihrer Freiheiten und ihres größeren Besitzes wegen die wohlhabendsten des weiten russischen Reiches. Sie bilden den Kern der Bevölkerung und geben dem Staat die besten Soldaten: Amur-Kosaken und sibirische Schützen. Der sibirische Bauer unterscheidet sich angenehm vom russischen durch größere Lebhaftigkeit des Geistes, er ist selbstbewußt, freier in seinem Auftreten, er liebt seinen Besitz, den er gleichsam aus dem Nichts geschaffen hat, und auf den er stolz ist. Er ist überaus
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gastfreundschaftlich und gutmütig, nüchtern und solide. Ich habe selten einen so kräftige, gesunden Menschenschlag gesehen, wie ihn der sibirische Bauer verkörpert und oft und gern erinnere ich mich der Stunde, da ich unter diesen Menschen weilte.
K. Bähr.
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„Triumph“
Die Japaner haben Tsingtau blockiert, Triumph!
Mit Schiffen, nicht zu zählen, sind sie aufmarschiert
Triumph!
Die kleinen Schiffe, die achtet man nicht recht, Triumph!
Doch da kam ein fetter, ein englischer Hecht -
Triumph!
Triumph! Triumph! Der mußt auch sogleich, Triumph!
Schießen und ballern in unsern Bereich
Triumph!
Die erste Granate, die ging zu kurz, Triumph!
Sie setzte sich seitab im Felde zum -
Triumph!
Die zweite Granate lief zu lang, Triumph!
Sie lief ins Gehölz auf den Gimpelfang
Triumph!
Ei, ei, wie traf die dritte ins Ziel, Triumph!
Im Schweinekoben sie niederfiel
Triumph!
Gleich lief auch schon die vierte herbei - Triumph!
Sie schlug einem Weibe die Töpfe entzwei
Triumph!
Die fünfte sauste mit großem Gesumm, Triumph!
Doch zum Platzen leider war sie zu dumm
Triumph!
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Die sechste, die ging reichlich daneben, Triumph!
Was hätte das können ein Unglück geben
Triumph!
Alleweil nach solchen gewaltigen Schießen, Triumph!
Mußten sie wieder die Rohre begießen
Triumph!
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Es ist immer die alte Geschicht, Triumph!
Der Krug geht zum Brunnen bis daß er zerbricht!
Triumph!
Triumphus war im Schießen nicht lahm, Triumph!
Bis er einen Treffer am Heck bekam!
Triumph!
Der erst Schuß von Huitschinhuk! Triumph!
Da hatte der liebe Triumph genug
Triumph!
Er schwankte zum Dock; schlagseit und schief, Triumph!
Und Reuter meldete Sieg und rief;
Triumph!
Noch einer, wie er! Mit ihm im Bund, Triumph!
Sie schössen Tsingtau längst in den Grund!
Triumph!
Da lachten die Hähne; die Henne gegackt, Triumph!
„Bravo, Reuter! Das war schön gesagt!“
Triumph!
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Ein halbes Jährlein war alles stumm (Triumph?)
Da dacht er: „Versuchen wir’s andersherum!“
Triumph!
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Nun dampft er zum Dardanellenhang, Triumph!
Betrieb mit Granaten Forellenfang.
Triumph!
Der Türke saß am Kanonenhaus, Triumph!
Ihm ging beim Schießen das Pfeiflein nicht aus
Triumph!
Bauz bumm! Da hob der Triumph die Brust, Triumph
Ein heimlich Torpedo, es nahm ihm den Pust.
Triumph!
Nun liegt er im tiefen Meeressumpf, Triumph!
Der Held! Entschlafen! Triumph! Triumph!
Und immer wieder Triumph!
H. B.
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Jahrestage des Kriegs.
Mai 1915
1. V. | Eroberung von Schaulen. |
7. V. | Versenkung der Lusitania. |
8. V. | Eroberung von Libau |
9. V. | Siegreiche Kämpfe bei Ypern. |
9. V. | Beginn der großen englisch-französischen Frühjahrsoffensive südwestl.
Lille und bei Arras. |
23. V. | Kriegserklärung Italiens an Österreich. |
25. V. | „Triumph“ an den Dardanellen versenkt. |
25. V. | Unterzeichnung des chinesisch-japanischen Abkommens. |
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2. V. | Durchbruch durch die russische Front bei Tarnow-Gorlice:
Am Abend dieses Tages ist die russische Hauptstellung in einer
Ausdehnung von 16 Km durchbrochen bei einem Geländegewinn
von durchschnittlich 4 km. |
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4. V. | Beendigung der eigentlichen taktischen Durchbruchsschlacht:
Feind im vollen Rückzug über die Wisloka. |
6. V. | Übergang über die Wisloka. Feind auf einer Frontbreite am 160 km im Rückzüge. |
10. V. | 8. russische Armee räumt die Karpathen. Rückzug der Russen auf den San, und Zurückweichen nördlich der Nida. Die Wirkung des Durchbruchs macht sich auf einer Frontbreit von über 300 km bemerkbar. |
12. V. | 103 000 Gefangene, 69 Geschütz, 255 Maschinengewehre. |
14. V. | Erstürmung von Brückenkopf und Stadt Jaroslau. |
17. V. | Überschreiten des San. Kämpfe südöstl. Przemysl und bei Stryj. |
24. V. | Erstürmung des Brückenkopfes von Radymno. |
31. V. | Einschließung der Festung Przemysl von Norden und Nordosten.
Beschießung der Forts. |