Lagerfeuer

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Lf. No. 7 Matsuyama, Sonntag, den 12.März 1916.

Von Singapore nach Bangkok.

Von den vereinigten Malay-Staaten im Süden begrenzt erstreckt sich vom 6. bis zum 21. Grad nördlicher Breite Siam, das Reich des weißen Elefanten. Bangkok, die heutige Hauptstadt des Landes, ist von der Handelszentrale Südost-Asiens Singapore in etwa 4 Tagen zu erreichen. Die „Delhi“, ein kleiner schmucker Dampfer des Norddeutschen Lloyd, soll uns übers Meer nach dem „Venedig des Ostens“, wie Bangkok seiner vielen Kanäle wegen gepriesen wird, führen.
Heiß brennt die Tropensonne herab, als wir um das Kap Romania herum den Kurs noch Norden nehmen. Lang hingestreckt auf unseren Liegestühlen genießen wir das herrliche Panorama, das sich vor unseren Blicken entrollt. Wunderbar klar liegt zu unserer Linken die malayische Küste. Aus dem Grün der Mangobäume legen die mit Stroh bedeckten, auf Pfählen erbauten Hütten der Eingeborenen: Majestätisch überragen Kokos-, Betel- und Rotangpalmen die kleinen Häuser. Hin und wieder verkünden Rauchsäulen das Abbrennen der Reisfelder. Am letzten Tage vor der Ankunft in Bangkok taucht vor uns eine Insel mit zwei hohen Bergen auf: Das Eiland Koh Dchuen eine beliebte Erholungsstätte für Europäer und Siamesen. Hell leuchtet der herrliche Badenstrand zu uns herüber. Zur Rechten erscheint die Insel Koh Kram, ein geschätzter Ausflugsort der Nimrode Bangkoks und von zahlreichen Hirschen, Wildschweinen und Bären bevölkert. Immer neue Inseln tauchen auf, und endlich nachmittags 1 Uhr erreichen wir die Barre Pakenam, die dem Hafenplatze Bangkoks vorgelagert ist. Unter Barren versteht man Schlamm oder Sandbänke, die ständig vor Flußmündungen

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in Bildung begriffen sind und dadurch den Zugang zum Strome versperren und die Hochseeschiffart sehr behindern. In einigen Fällen ist das Befahren sonst schiffbarer Flüsse durch Seeschiffe unmöglich gemacht, in anderen müssen die Schiffe warten, bis die Flut ein Befahren der Barre gestattet. Das letztere trifft für uns zu, aber erst um 5 Uhr nahm. können wir unsere Reise fortsetzen um die etwa 25 km entfernte Hauptstadt zu erreichen. Noch ehe wir selbst an Bangkok herangekommen sind, begrüßt uns der auf einer Insel an der Mündung des Menams hübsch gelegene Tempel (Siam. Wat) Klang Nam. Er wurde im Jahre 1830 unter der Regierung des Königs PhraNangKlao (1824-53) vollendet und zeigt uns zum ersten Male siamesisch-buddhistische Tempelbaukunst. Hochaufragend leuchtet die kegelförmige, in Ringen abgesetzte, sich zu einer langen Spitze verjüngende Pagode herüber. Durch die untergehende Sonne wird der so schön gelegene Tempel blutrot beschienen. Wir haben Klang Nam passiert, als einige siamesische Zollbeamte an Bord kommen. Sie tragen weiße Halbschuhe, lange weiße Strümpfe, einen grünen oder blauen vorn und rückwärts zu einer Pumphose aufgerafften Sarong (siam. Panung, ein 1 m breites und 2 m langes Tuch, welches um die Hüften geschlungen wird und als Rock dient), der einen Teil der Oberschenkel unbedeckt läßt, darüber ein Jackett mit silbernen Knöpfen (altes siamesisches Geld), einen weißen Tropenhelm mit dem Wappen des Königs. In ihrer kleidsamen Tracht machen sie einen sehr guten Eindruck auf uns. Nach Einbruch der Dunkelheit geht der Dampfer in der Mitte des Stromes vor Anker, um erst am nächsten Morgen weiterzufahren. Wir sitzen auf dem Promenadendeck, von den beiden Ufern des Menams (siam. Meh=Mutter, Nam=Wasser,

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vollständiger Name des Flusses: MenamIschaePhya) leuchten die Feuer in den Hütten der Siamesen, klingen gedämpft siamesische Musikinstrumente und der melodische Gesang der Eingeborenen zu uns herüber. Millionen von Leuchtkäfern beleben die beiden Ufer, so daß es scheint, als seien Bäume und Sträucher mit unzähligen winzigen Lichtern bedeckt - ein herrlicher Anblick. Das Wasser plätschert leise gegen die vor Anker liegende „Delhi”, hin und wieder huscht ein Segelschiff oder ein Boot vorbei, sonst tiefe Stille. Nördlich sieht man einen hellen Schein, Bangkok. Leider wird unsere Träumerei bald gestört, denn unliebsam machen sich Plagegeister in Gestalt von Anopholes (Stechmücken), den Malariaträgern, geltend, und wir flüchten in unser Moskitonetz. Am nächsten Morgen erreichen wir Bangkok. Die Stadt liegt lang hingestreckt an beiden Ufern des Menams und zählt etwa 800000 Einwohner. Viele Kanäle durchziehen die Stadt, und ein reges Leben herrscht auf denselben. Bangkok ist eine noch junge Stadt, sie wurde 1772, nach der Zerstörung der alten Hauptstadt Ayuthia durch einen Einfall der Birmesen, gegründet. Durch König Tschulabongkorn drangen nach Siam, insbesondere nach Bangkok, europäische Kenntnisse und Kultur. Europäisch gedrillte Truppen in blauer Uniform und Tropenhelm marschieren durch die Stadt, an den Straßenkreuzungen stehen Schutzleute mit reinem Knüppel in der Hand und regeln den Verkehr, elektrische Straßenbahnen klingeln durch die Straßen, über eine Brücke keucht ein langer Güterzug, und vom Himmel heben sich die hohen Masten der Station für drahtlose Telegraphie. (Bangkok hatte drahtlose Verbindung mit unserer deutschen Station auf der Insel Jap.) Auf dem Menam liegen Kriegsschiffe, ihre Flaggen zeigen den weißen Elefanten auf rotem Grunde, Dampfer schleppen 20 bis 25 große Reisboote nach den Mühlen, überall wimmelt es von Sampan,

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und gravitätisch schreiten Elefanten durch die Stadt. Auf den Straßen sieht man in ihren farbigen Gewändern Siamesen, Javaner, Camdodjaner, Chinesen, Malayen, Hindus, Birmesen und Ananiten. Wir nehmen einen Wagen um den Palast des Königs, der außerhalb der Chinesen- und Europäerstadt gelegen ist, zu besichtigen. Nach längerer Fahrt an der alten Stadtmauer vorbei taucht von weitem das auf einem Hügel gelegene Wat Saket auf. Von dort oben hat man eine herrliche Aussicht auf Bangkok und Umgebung. Wir kommen an vielen herrlichen Türmen vorbei, die in Gold und künstlerisch gewählten Farben prangen: Zeugen einer alten, ehrwürdigen Kultur. Jetzt wird der große Park des ehemaligen kronprinzlichen Palais passiert, der Wagen biegt um die Ecke, und vor uns liegt eine breite gerade Straße, auf beiden Seiten in regelmäßigen Abstande mit Tamarindenbäumen bepflanzt. Zur Linken erheben sich moderne Gebäude, wie z.B. das Kriegsministerium, der Justizpalast, um eine Kavalleriekaserne. Vor der Kaserne stehen als Schmuck viele Kanonen: es sind alte, von Frankreich und Rußland gekaufte Geschütze aus der Zeit Napoleons. Vor dem Kriegsministerium spielt die Regimentsmusik in ihrer kleidsamen Uniform europäische Weisen, und wundersam berührt es uns, so fern von der Heimat die „Lustige Witwe“ und „Sah ein Knab ein Röslein stehen“ zu hören. Im Hintergrund steht eine Abteilung Soldaten, die Gewehre pyramidenförmig zusammengestellt. Auf der breiten Straße promenieren Offiziere, Europäer und Angehörige fast aller Länder Asiens. Plötzlich kommt Bewegung unter die Lauschenden, die Menge teilt sich, und majes¬tätisch schreiten 3 große Elefanten des Weges einher, von je einem Mann geritten. Die Farbe der Tiere ist ein schmutziges Rosa und hinter den Ohren fast weiß. Die Tore

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der gegenüberliegenden Mauer öffnen sich, der letzte Elefant kehrt sich vor dem Durchgang noch einmal um, erhebt seinen Rüssel zum Himmel und macht eine tiefe Verbeugung. Es waren Siams weiße Elefanten, die wir gesehen hatten. Das Tor, durch das sie schritten, ist eine der Einlaßpforten zum Königspalaste, der die ganze gegenüberliegende Straßenfront einnimmt. In langer Reihe sieht man weiße und vergoldete Türme, die in ihrer wuchtigen Farbenfülle erhebend auf den Neuling wirken.
Der eigentliche Königliche Palast, in den siebziger Jahren erbaut, ist in euro-päischem Stile ausgeführt: ein Renaissancebau. Zwei mächtige Elefanten aus Marmor flankieren die Aufgänge. Der Palast hat an seinen beiden Enden und in der Mitte das in einen Turm auslaufende siamesische Dachwerk.
Wir besichtigen noch eine Infanteriekaserne, die ganz nach deutschem Muster eingerichtet ist, und beschließen unsere Rundfahrt an dem Reiterstandbild von König Ischulalongkorn. Er war der große Reformator des Landes und hat Siam zu dem gemacht, was es heute ist. In Deutschland hat er oft und gern geweilt, und in einem unserer Taunusbäder trägt eine Heilquelle seinen Namen. Er starb im Herbst 1910 nach 42 jähriger Regierung. Der jetzige König, Maha Uhariiawuth, hat 58 km von Bangkok entfernt ein herrliches Sommerpalais „Ban Pam”, das wir später auf einer Reise nach dem Norden Siams besuchen wollen.
Kneupelt.

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Tell.

Der Favorit aller weiblichen Mitglieder seines Geschlechts auf der Bolschajaulitza und ihrer Nebenstraßen, der Pascha der „City“ von Bl., das war Tell.

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Tell war ein geborener Sibiriak, aber er fühlte sich ganz als Preuße. Sein Patriotismus ging sogar soweit, daß sein einziger Anzug den er besaß und den er Sommer und Winter, jahraus und jahrein trug, aus einem wundervollen weißen Pelz bestand, mit schwarzen Flecken auf dem Rücken, an den Beinen und am Kopfe.
Wenn man Tell beobachtete, wie er auf der Straße, inmitten einer Schar von Stadtjünglingen und Dorflümmeln in nachlässiger Haltung einen Vortrag hielt, dann fiel einem immer das Wort Bismarcks ein, daß ein Deutscher sich gegenüber einem halben Dutzend Slaven stets geistig überlegen fühlen dürfe. Na und wehe, wenn sich einer von Tells Zuhörern erkühnte, ihm zu widersprechen! Man muß nur einmal beobachten, wie er auch den Kräftigsten seiner Gegner mit einem eleganten Flankengriff über den Haufen rannte!
Furchtlos und treu! Das war die Devise dieses Prachtexemplares von einem Hund. Tell und ich, wir lernten uns kennen, als er 3 Jahre alt wurde. Er ging mir damals bis ans Knie. Musterte mich das erstemal neugierig und mißtrauisch. „Weiß der Teufel, was das für ein Russe ist“, dachte er wohl bei sich. Aber als ich ihn auf Deutsch ansprach, änderte er sofort seine Haltung. Er strahlte über das ganze Gesicht. Wedelte freundlich mit dem Schwanze, was ungefähr einem kräftigen Händedruck gleichkam und begrüßte mich des weiteren mit seinem Geheul. Er sagte damit: „Freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen. Wissen Sie, wir sind wenige Deutsche hier draußen und müssen fest zusammenhalten. Verlassen Sie sich auf mich. Wir werden sicher gute Freunde werden. Geben Sie mir Ihre Hand, Landsmann!“
Tell war ein Vorstehhund. Nicht ganz reinrassig. Ein

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langhaariger Setter mit Pointerblut?. Hatte einen wunderhübschen glatten Kopf. Treue braune Augen. Er wandte nicht den Blick ab, wenn man ihn ansah. Ein idealer Jagdhund, ein scharfer Wächter. Er begleitete uns auf Bootsfahrten im Sommer, und auf Jagdausflügen und Schlittenfahrten im Winter. Wenn wir ihn nicht mit in das Boot oder in den Schlitten hereinnahmen, so lief er stundenlang am Flußufer entlang oder trabte meilenweit durch hohen Schnee. Kein Schelten, kein Steinwerfen half, wenn Tell sein Jagdfieber hatte. Er mußte mit von der Partie sein.
Auf irgend einer grünen Insel des Amur oder der Seja den Vögeln nachzujagen, eine Ente oder ein Häslein zu apportieren, das war sein Ideal. Ich entsinne mich noch der Szene, als Tell einmal eine angeschossene Ente aus dem Wasser holte. Er heulte vor Verzweiflung, weil er sie nicht fassen konnte. Zum Schlusse aber blieb er Sieger. Das waren die schönsten Augenblicke seines Lebens, wenn er ein Stück Wild anbringen konnte. Allen Deutschen Blagowestschensk war er Freund, vornehme Russen haben uns Unsummen für ihn geboten. Tell war und blieb unverkäuflich.
Er kannte unsere Ausflugsorte und Kneipen ganz genau. Lief immer ein Stück vor uns her. Tell war unser Legitimationsschein. Wir Deutschen hatten überall, wo wir auch immer in der Stadt hinkamen, Kredit. Selbst wenn uns einmal im Kellner nicht kannte, Tell war stadtbekannt. Und seine Anwesenheit genügte. Er war sich seiner Unentbehrlichkeit auch bewußt. Verlangte stets in jedem Lokale einen Teller „Saguska“, er besaß ein scharf ausgeprägtes Ehrgefühl. Wehe, wenn man ihn beleidigte

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oder gar einmal schlug! Dann sah er einen tage- und wochenlang nicht an. Und kein Schmeicheln, kein Zucker half. Sein Gemüt war unbestechlich.
Das schönste war, wenn er auf den Hinterbeinen saß, und wir ihm ein Stück Zucker auf die schwarze Nase legten. Dann hielt er minutenlang still. Bis der Zucker plötzlich auf dem Boden lag. Wir haben nie herausbekommen wie er das eigentlich machte, denn er verhielt sich vollständig ruhig dabei.
Wenn wir einmal gebummelt hatten und uns nicht recht nach Hause fanden, dann zerrte er uns in irgend eine Droschke. Jeder Izwoztschick (Kutscher) kannte ihn. Er paßte scharf auf, daß wir gut nach Hause kamen. Schlief im Winter in unseren Zimmern. Wir hatten keinen Wächter nötig, selbst im unsichersten Winter nicht. Es brauchte nur jemand die Hand an die Haustüre zu legen, der nicht einer der unsrigen war. Sofort schlug Tell an. Er witterte den Unbekannten sofort durch fest verschlossen Türen uns durch Stockwerke von ihm getrennt.
Tell hatte unzählige Nachkommen. Aber keiner derselben glich ihm. Man sah oft einen Ausdruck des Kummers darüber in seinen treuen Hundeaugen. Er hätte gerne einen ebenbürtigen Nachfolger hinterlassen. Wußte, daß seine Tage gezählt waren. Denn die sibirischen Hunde werden nicht alt. Vom kalten Schnee hatte er die Gicht, vom Herumbalgen im eisigen Wasser hatte er zuletzt einen schlimmen Husten.
Wir gaben ihn einem guten Freunde mit, der Blagowestschensk verließ. Unbeschreiblich kläglich war das Gejammer und Geheul des auf dem Dampfer verzweifelt hin- und herrennenden Tieres. Aus allen ging es nahe. Er war zwar nur ein Hund, aber was für einer!
Wir wissen nicht was aus unserm Tell geworden ist. Der Krieg

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trieb uns aus dem Lande.

K. Bähr.

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Einiges über die deutsche Hochsee-Heringsfischerei

Die erste deutsche Heringsfischerei-Gesellschaft wurde auf Veranlassung Friedrichs des Großen im Jahre 1765 in Emden gegründet. Sie existiert noch heute. Im ganzen gibt es heute im Deutschen Reiche ungefähr 10 Gesellschaften, die sich mit dem Heringsfang in der Nordsee befassen. Die deutschen Gesellschaften haben stark unter der schottischen, holländischen und norwegischen Konkurrenz zu leiden. Die Einfuhr nach Deutschland in Heringen aus diesen Ländern ist sehr groß. 1913: für 73 Millionen Mark. Die Einfuhr der frischen, d.h. ungesalzenen Heringe nach Deutsch¬land ist zollfrei, die des gesalzenen unterliegt einem Zoll von 3 Mark die Tonne.
In den Monaten März-April erscheinen große Heringsschwärme aus dem Atlan-tischen Ozean an der westlich irischen Küste. Langsam ziehen sie sich die Küste hinauf und erscheinen gegen Mitte Mai bei den Shettlands-Inseln. Dort biegen sie nach Süden in die Nordsee hinein. Gegen September-Oktober erscheint der Hering auf der Doggerbank zum Laichen. Die Vermehrung ist ungeheuer, legt doch allein ein Weib¬chen 40000 bis 60000 Eier. Allmählich ziehen dann die Schwärme durch den Kanal und verschwinden im Atlantischen Ozean. Wo sie dort bleiben, ist, soweit ich weiß, noch nicht festgestellt. Man weiß nur, daß sie wieder gegen März-April an der irischen Küste auftauchen.
Anfang Mai rüsten sich die Logger der Heringsfischereien zur Ausreise. Die älteren Gesellschaften haben noch in der Mehrzahl Segel-Logger, die jüngeren fast nur Dampfsegel-Logger.

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Der Kapitän und 15 Mann bilden durchschnittlich die Besatzung. Die Ladung eines Loggers besteht in der Hauptsache aus Proviant, der Kohle in den Bunkern, je 250 Heringstonnen gefüllt mit Kohle und Wasser für die Maschine und 150 Tonnen Salz. Im Netzraum liegt das Netz, dies teure Kleinod des Schiffes. Es ist 4 km lang und stellt allein einen Wert von 30000 M dar. Ist alles an Bord, so tritt der Logger die Fahrt an. Ungefähr 3 Tage nach Verlassen des Hafens ist er auf der Höhe der Shettlands-Inseln. Gegen Abend werden die Netze ausgeworfen. Zwei Stunden dauert die Arbeit. Die Maschine steht, nur das kleine Achtersegel steht, um das Schiff in Richtung zu halten. Fürs erste ist die Arbeit getan. Alles geht zu Bett, nur der Posten steht einsam Woche am Steuerruder. Kurz nach Mitternacht beginnt das Einholen der Netze. An der Seite des Schiffes wird das Netz an Bord gezogen, kräftige Hände schlagen es kurz auf und nieder und die Heringe fallen aus den Maschen auf Deck. Ist das Einholen beendet, begibt sich alles an die Bearbeitung der Heringe. Quer über Deck wird eine Latte gelegt. Der größere Teil der Mannschaft setzt sich darauf, zwei Schiffsjungen schieben ihnen in Körben die Heringe zum Kaaken zu, d.h. mit einem scharfen Messer wird den Fischen der Leib aufgeschlitzt und die Eingeweide herausgenommen. Den auf der Latte sitzenden Mannschaften stehen 2 oder 3 ältere Matrosen gegenüber, diesen werfen 2 Schiffsjungen Tonnen zu. Die gekaakten Heringe werden in die sogenannten Kaak-körbe geworfen und den älteren Matrosen zugeschoben. Diese legen die Heringe einzeln in die Tonne, Schicht über Schicht. Zwischen jede Schicht streuen sie ein oder zwei Hände voll Salz. Ist die Tonne gefüllt, wird sie abseits geschoben. Aus der Verbindung von Heringsblut und Salz entsteht die Lake.

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Sind alle Heringe gekaakt und in Tonnen verpackt, werden die Tonnen zugeschlagen und unter Deck verstaut.
Glaubt der Kapitän genügend gefangen zu haben, oder herrscht Nahrungsmangel an Bord, so fährt er in seinen Heimatshafen zurück. Dort gibt es dann viel Arbeit. Zuerst wird das Netz an Land geschafft, im großen Netzraum zum Trocknen aufge¬hängt, von Netzmädchen geflickt, in großen Bassins präpariert und dann wieder an Bord geschafft. Kaum ist das Netz an Land, beginnt das Löschen der Ladung. Die gefüllten Heringstonnen werden in die Packerei gerollt, Proviant, Kohle, Wasser und Salz eingenommen und hinaus gehts wieder in die See. Im Hafen bleibt der Logger höchstens 3 bis 4 Tage. In der Packerei werden nun die Heringstonnen geöffnet, der Inhalt in große Backen geschüttet und von den Packern und Packerinnen, letztere sind meistens junge holländische Mädchen aus den Marken, sortiert und neu verpackt. Erst dann gelangen die Heringe in den Handel.
Im Handel unterscheiden wir: die Matjesheringe, d.h. Zweijährige Heringe, die noch nicht gelaicht haben, und noch keinen Milch- oder Rogenansatz enthalten; Fangzeit Mai - Juli. Ferner Vollheringe, d.h. geschlechtsreife Heringe, die den Laich noch nicht abgelegt haben, also Milch oder Rogen enthalten; Fangzeit Juli, August, September. Schließlich Hohlheringe, d.h. Heringe, die bereits gelaicht haben, also keine Milch oder Rogen mehr enthalten; Fangzeit September, Oktober, November.
Die Bezeichnung „Bismarckhering“ ist lediglich eine Handelsmarke. Die Emder Heringsfischerei-Gesellschaft schenkte Bismarck früher Jahr für Jahr eine Tonne Heringe aus ihrem ersten Fang (Matjes). Jetzt versteht das Publikum gewöhnlich

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unter dem Namen „Bismarckhering“ einen Matheshering.
Beschreibung des Netzes.
Ein Netz hat 30 m Länge und 7,50 m Tiefe. Seine Maschen sind rechteckig, die Seiten 2 bzw. 3 cm lang. Unten, am Netz befinden sich zur Beschwerung Bleie (k). 140 einzelne Netze werden zu einem ganzen zusammengebunden. Über dem gesamten Netz läuft ein Tau (a). Auf diesem sind Korke (b)festgebunden. Das Tau ist durch 2 m lange Quertaue (c) mit dem sogenannten Reeptau (f) verbunden. An diese sind wieder 3 m lange Taue (g) geknotet, an deren Enden kleine Tonnen (h) befestigt sind, die auf dem Wasser schwimmen. Das Netz ist also 5 m unter dem Wasserspiegel.
Hake.
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Responsorium Matsumanianium.

Ach wir leben so vorzüglich
und es geht uns höchst vergnüglich
und wir essen Reis und Fisch,
Fisch und Reis ist unser Fisch.
Heiliger Buddha, großer Brahma,
führ uns fort von Matsuyama.

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Tee wir trinken ohne Zucker,
Brot wir essen ohne Butter,
und wir essen Fisch und Reis,
das ist unsre Magenspeis'.
Heiliger Buddha, großer Brahma,
führ uns fort von Matsuyama.

Und wir klopfen unsre Decken,
falten glatt und gleich die Ecken,
und wir legen sie adrett,
zu dem schönsten Fremdenbett.
Heiliger Buddha, großer Brahma,
führ uns fort von Matsuyama.

Und wir wandeln hin und wieder,
in dem Höfchen auf und nieder,
wandeln ab und wandeln auf,
das ist unser Tageslauf.
Heiliger Buddha, großer Brahma,
führ uns fort von Matsuyama.

Und wir lassen Drachen fliegen,
bis die Drachen Löcher kriegen,
20 m im Geviert,
das ist unser Flugplatzflirt.
Heiliger Buddha, großer Brahma,
führ uns fort von Matsuyama.

Und wir lassen Schiffchen schwimmen,
Steinchen laden, Kohlen trimmen,

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Und ein Tümpel Wasserflöh
das ist unsre weite See.
Heiliger Buddha, großer Brahma,
führ uns fort von Matsuyama.

Quaken in dem Teich die Kröten,
schnitzen wir uns Kinderflöten,
rostiger Kessel, viel geflickt. -
das ist unsre Kurmusik.
Heiliger Buddha, großer Brahma,
führ uns fort von Matsuyama.

Und wir widmen viele Stunden,
unsern beiden Ehims-Hunden,
Frösche hupfen in Dressur,
Zirkus Schumann in Natur.
Heiliger Buddha, großer Brahma,
führ uns fort von Matsuyama.

Lernen Knicksen, lernen stricken,
häkeln, schneidern, Hemden flicken.
Gib mir doch den Fingerhut,
weil der Finger wehe tut -

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Heiliger Buddha, großer Brahma,
führ uns fort von Matsuyama.

- Könnt' es einer wohl erraten,
daß wir Krieger sind, Soldaten?? -
Ach, es weiß ein jedes Kind,
daß wir Tsingtaukämpfer sind.
Heiliger Buddha, großer Brahma,
führ uns fort von Matsuyama.

H. B.

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Erinnerungen........

Als im August 1914 die Reserven aus ganz Ostasien in Tsingtau zusammen-strömten, muß es für die Militärbehörden in der ersten Zeit oft recht schwer gewesen sein, den Ansturm zu bewältigen und aus der Masse der ungedienten Mannschaften in denkbar kürzester Zeit eine verwendbare Truppe zu gestalten. Als erschwerender Umstand kam noch hinzu, daß z.B. die Ersatzreserve sich zum großen Teil aus älteren Leuten rekrutierte, die schon jahrelang im Osten ansässig waren, wobei ihnen nie der Gedanke gekommen war, daß die noch einmal in ihrem Leben Soldat werden müßten. Und gerade von diesen Leuten erhielten nun viele gleich in den ersten Tagen auf Grund ihrer besonderen beruflichen Kenntnisse Spezialkommandos, die es ihnen unmöglich machten, an der regelrechten Kompagnieausbildung (Instruktion, Exer¬zieren usw.) von Anfang an teilzunehmen. Kehrten diese Leute dann noch Ablauf der Kommandos zur Kompagnie zurück, so galt es, so schnell wie möglich das Versäumte nachzuholen und durch guten Willen die Lücken auszufüllen, die sich unter dem Zwange der Verhältnisse notwendigerwei-

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se ergeben mußten. Kamen dann trotz allen guten Willens einmal kleine Schön-heitsfehler in der Form vor, so wurde von den Vorgesetzten mit verständnisvollen Humor darüber hinweggesehen, - wovon die nachfolgende kleine Geschichte beredtes Zeugnis ablegt.
Um die köstliche Urspünglichkeit dieses wahren Erlebnisses nicht abzuschwächen, gebe ich es genau so wieder, wie es mir verbürgt geschildert wurde.
  Ort der Handlung: Tsingtau. - Postenstand Wasserwerk.
Von dem erhöhten Damm hat man gute Fernsicht über den Hafen und einen großen Teil der Land- und Seebefestigungen. Hinter den Walderseehöhen sind im Dunst gerade noch einzelne zackige Spitzen des Lauschan zu erkennen.
  Zeit der Handlung: Ein Spätnachmittag.
Der Posten patroulliert auf der Anhöhe. -- Eine hohe Gestalt in dunklen Mantel steigt den Berg hinauf, - nährt sich ihm.
  Posten: Halt! - Wer da? - Parole!! -
  Die Gestalt im Mantel: Wenn ein Offizier kommt, brauchen Sie nicht so laut zu schrein! -
  Posten: (dauernd rührend) Ja, mir ist das aber extra gesagt worden, ich soll jedem nach der Parole fragen. - (überlegt) -Na, aber, dann kommen Sie man rauf! -

Pause.-
  Die Gestalt im Mantel: (mißt ihn mit einem langen Blick vom Kopf bis zum Fuß) Sie scheinen mir auch noch nicht lange Soldat zu sein? -   Posten: (treuherzig) Nee, das hab ich erst hier gelernt! -
(Ein erstaunter Blick)
Pause. -
Lange Pause. -

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  Die Gestalt im Mantel: (geht an den Rand des Berges und sucht mit dem Glase das Meer ab) schweigend!
  Posten: (tritt neben ihn, weist mit dem ausgestreckten Zeigefinger seewärts). Sehen Sie mal da rüber! - Wenn Sie da genau hingucken, können Sie den Rauch von den japanischen Dampfern sehen! -
  Die Gestalt im Mantel: (belustigt) Ich kann sogar noch mehr sehen! Ich sehe auch die Schiffe selbst!(Wendet sich nach andern Seite, - blickt über die Landbefestigungen).

Pause....
  Posten: (ist ihm gefolgt, eine Hand in der Hosentasche)Sie sind hier wohl fremd und wollen sich mal die Gegend ansehen? -- Da kann ich sie Ihnen ja mal n'bißchen erklären! --Das da drüben ist die Höhe 60 und...
  Die Gestalt im Mantel: Mensch, was denken Sie sich denn? --Ich habe Ihnen doch schon einmal gesagt, daß ich Offizier bin. Wissen Sie denn nicht, wie Sie sich zu benehmen haben? --
Erstauntes Schweigen --- dann
  Posten: (treuherzig) Nee! Das hat mir noch keiner gesagt!
  Die Gestalt im Mantel: Sie sind wohl ein frischer Ersatzreservist?
  Posten: Ja! Wer sind Sie denn? --
  Die Gestalt im Mantel: Ich bin Kapitän zur See von H. Y. - im Stabe Seiner Exzellenz des Herrn Gouverneurs! ---
Pause...
Erstaunen...
  Posten: Ach so! -- Ich dachte, Sie wären auch so n' Reservefritze! --
Kapitän z.S. von H.Y.: (Wendet sich lächelnd ab und geht den Berg hinunter.)
H.E.
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Rätselecke. Charade.

Das Erste ist die Zeit, in der wir leben,
Gar mancher Zweite mußt' sein Fünftes geben
Dem Vaterland, manch Dritt' und Viertes, das
Mit Fleiß und Schweiß erbaut, das Feuer fraß.
Doch will der Feind ums Ganze wieder streiten,
Werden die Ersten Fünften unserer Zweiten
Ihm gründlich wieder seinen Wunsch verleiden!
-dt.
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Raetsel

Wir sagen das Erste zu Österreich,
Der schwarzgelbe Freund sagt das Erste zum Reich,
Und beide, sie singen wie Bruder und Schwester
Ein Erstes und Zweites mit starkem Orchester.
Und die hinterm Dritten, die kriegen bald dick
Deutschlands und Österreichs Schlachtenmusik.
Das Ganze, das lieget dort drüben im Westen,
Man rechnete es bisher zu den Festen,
Da rief der Franzose das Zweite und spricht:
„Das Ganze, das ist keine Feste nicht!
Hielt es denn „fest“? Ihr sagt ja selbst: Nein!
Wie kann so'n Ding dann 'ne „Feste“ sein!“
-dt.
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Auflösung des Silbenrätsels in No.5.

1) Vulka 2) Oder3) Nerv 4) Manchester 5) Adalbert 6) Ceder
7) Kanal 8) Ente 9) Nase 10) Schwadron 11) Ebro 12) Nebel.
von Mackensen.

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