Lagerfeuer
1-2-1(11)
Wöchentliche Blätter
der deutschen Kriegsgefangenen in Matsuyama, Japan.
No. 2 Sonntag, den 6.Februar 1916.
Der Einfluß des Krieges auf Arbeitsverträge.
Wer in den Augusttagen des Jahres 1914 aus den Tiefen seines Bücherschrankes das Gesetzbuch hervorgeholt hat, um sich zu überzeugen, wie ein ehrsamer deutscher Bürger im Falle eines Krieges sich seinen Gläubigern und Schuldnern gegenüber zu verhalten hat, der wird recht enttäuscht gewesen sein. Im ganzen B.G.B. kommt, von einer unwesentlichen Ausnahme abgesehen, das Wort „Krieg“ überhaupt nicht vor. Mit recht hat der Gesetzgeber davon abgesehen zukünftige Dinge, die seinem Einblick völlig entzogen sind, in Paragraphen zu zwängen. Die Folge ist nun aber, daß mancherlei Unklarheiten über die rechtlichen Folgen des Krieges herrschen.
Vielfach konnte man die Ansicht aussprechen hören, der Krieg hebe Verträge auf. Eine Erinnerung an das Völkerrecht hat wohl meist zu diesem Irrtum Anlaß gegeben; denn hier hat allerdings die Kriegserklärung vertragsvernichtende Wirkung. Aber nur die Staaten führen Krieg, nicht die einzelnen Untertanen. Auf die Verträge des Privatrechts hat die Kriegserklärung
1-2-2(12)
als solche keinen Einfluß. Alle Verträge also, mögen sie Kauf, Miete, Darlehen oder andere Leistungen zum Inhalt haben, die vor dem 1. August 1914 wirksam waren, sie bestanden auch nach der Kriegserklärung unverändert zu Recht, es sei denn, daß etwas Gegenteiliges besonders vereinbart war. Was wird aber nun, wenn eine oder beide Vertragsparteien infolge des Krieges ihre Verpflichtungen aus dem Vertrage nicht mehr erfüllen können? Am Häufigsten ist die Frage bei den Arbeitsverträgen brennend geworden. Fast jeder Hausherr, fast jeder Geschäfts¬inhaber hat sich notgedrungen mit ihr beschäftigen müssen.
Wird der Angestellte zum Kriegsdienst einberufen, so kann er seinen vertrag-lichen Verpflichtungen gegenüber seinem Geschäftsherrn nicht weiter nach-kommen. Die ihm obliegende Leistung, sein Dienst wird unmöglich, ohne daß von irgend einem Verschulden des Angestellten die Rede sein kann. Die Folge hiervon ist (B.G.B. § 323), daß der Angestellte in dem Augenblicke, in dem er seine Vertragspflichten nicht mehr erfüllen kann, seinen Anspruch auf die Gegenleistung, auf den vereinbarten Lohn, von dem betreffenden Zeitpunkte an verliert. Dies ist aber zunächst auch die einzige Folge. Der Vertrag selbst, der allerdings jetzt nur noch eine leere Hülle ist - denn keine der Vertragspflichten wird mehr erfüllt -, bleibt bestehen. Dies kann unter Umständen dem Willen der Parteien entsprechen. Man denke an den Fall, daß Meister und Gehilfe beide zu den Fahnen eilen. Das Geschäft muß während des Krieges liegen bleiben. Erleben beide den Friedens¬schluß, so hat ohne weiteres der Meister seinen alten Gehilfen und der Gehilfe seine alte Anstellung wieder.
Aber die Kontrahenten können auch anders verfügen. Zunächst kann jeder von ihnen von seinem vertragsmäßigen
1-2-3(13)
Kündigungsrecht oder, falls ein solches nicht besteht und das Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen ist, von dem gesetzlichen Kündigungsrecht (B.G.B.§621) Gebrauch machen. Aber nur in wenigen Fällen wird damit den Parteien gedient sein, denn die erforderliche Einhaltung der Kündigungsfrist macht die erwünschte Aufhebung des Vertrages im besten Falle erst nach Wochen oder Monaten möglich. Sich den veränderten Verhältnissen aber möglichst rasch anzupassen ist das allgemeine Bestreben. Dem Fabrikherrn, den der Krieg zwingt einen Teil seiner Betrieb zu schließen und Arbeiter, einberufene und nicht einberufene, zu entlassen, muß an einer raschen Lösung der Anstellungsverträge gelegen sein.
Eine sofortige Aufhebung des Vertrags ist möglich auf Grund der Bestimmung des Gesetzes, daß ein Dienstverhältnis von jedem Teil ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (B.G.B. §626). Der Kriegsausbruch als solcher ist noch kein „wichtiger Grund“ im Sinne des Gesetzes, der zur sofortigen Vertragsaufhebung berechtigt. Aber die, die Person der einzelnen Kontrahenten treffenden Folgen des Kriegsausbruches können, und werden sehr häufig, einen wichtigen Grund bilden. Die Einberufung des Angestellten wird sowohl für diesen selbst als auch für den Geschäftsherrn ein wichtiger Grund sein können, das Dienstverhältnis ohne weiteres zu lösen. Dem Geschäftsherrn insbesondere kann rechtlich nicht zugemutet werden einen Vertrag, der durch die militärischen Verpflichtungen des anderen teils auf absehbare Zeit inhaltslos geworden ist, weiter bestehen zu lassen, nur etwa, um dem Angestellten den Platz für die Zeit nach seiner Rückkehr freizuhalten.
Der Geschäftsinhaber kann aber unter Umständen, auch ohne daß der Angestellte einberufen wird, zur fristlosen Kündigung
1-2-4(14)
berechtigt sein. Nötigt nämlich der Krieg den Geschäftsherrn seinen Betrieb einzustellen oder einzuschränken, so muß man ihm zubilligen, daß er, so hart es auch im Einzelfall für die Arbeitnehmer sein mag, zur sofortigen Entlassung von Angestellten aus wichtigem Grund schreiten darf. Von diesem besonderen Kündi¬gungsrecht darf er aber natürlich nicht zu irgend einer ihm gerade gelegenen Zeit im Verlaufe des Krieges Gebrauch machen, er darf es vielmehr nur in dem Zeitpunkt ausüben, in dem der „wichtige Grund“, die Einstellung oder Einschränkung des Betriebes, eintritt.
Für den nicht einberufenen Angestellten seinerseits wird ein Grund zur fristlosen Kündigung dem Geschäftsherrn gegenüber regelmäßig nicht gegeben sein. Seine Stellung wird ja durch den Kriegsausbruch in keiner Weise berührt. Weder dem Dienstberechtigten noch dem Dienstverpflichteten kann lediglich der Umstand, daß Krieg ausgebrochen ist, das Recht verleihen, unbequeme Verträge loszuwerden. Wer einen Arbeitsvertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen will, der muß darlegen, daß Umstände von einschneidender Bedeutung für das Dienstverhältnis, die infolge des Krieges, also ohne sein Zutun, eingetreten sind, ihn dazu zwingen.
Hat der Geschäftsherr seinem zum Heere einberufenen Angestellten fristlos gekündigt und kehrt dieser nach wenigen Tagen oder Wochen infolge einer Verwundung oder aus sonstigem Grund zurück, so kann sich der Angestellte nun nicht etwa darauf berufen, daß die Voraussetzung der dauernden Unmöglichkeit der Dienstleistung, die zur fristlosen Kündigung geführt habe, nun nicht mehr gegeben sei, daß aber der Geschäftsherr eine unverschuldete Dienstverhinderung von verhältnismäßig nicht erheblicher Zeit (wie bei
1-2-5(15)
Krankheit), militärische Übung gegen sich gelten lassen müsse (B.G.B.§616). Es kommt nur darauf an, daß im Zeitpunkt der Kündigung der „wichtige Grund“ gegeben ist. Der „wichtige Grund war gegeben; denn der Geschäftsherr muß bei einer Einberufung zum Kriege mit einer langdauernden Verhinderung seines Angestellten rechnen. Der einmal zu Recht aufgelöste Vertrag kann aber natürlich nicht von selbst wieder aufleben. Hat der Geschäftsherr in dem hier angenom¬menen Falle keine Kündigung ausgesprochen, oder hat die Kündigung den etwa schon eingerückten Angestellten nicht mehr erreicht, so besteht der alte Vertrag noch fort. Stellt sich der Angestellte nach „verhältnismäßig nicht erheblicher Zeit“ wieder ein, so muß der Geschäftsherr ohne Rücksicht auf etwa von ihm schon eingestellten Ersatz allen seinen Vertragspflichten weiter nachkommen und muß sogar (gemäß B.G.B. §616) dem Angestellten auch für die kurze Zeit der unverschuldeten Dienstverhinderung Gehalt zahlen. Der Angestellte, der zu den Fahnen eilt, hat das Recht zur fristlosen Kündigung ohne Rücksicht darauf, ob er einberufen ist oder sich freiwillig stellt. Auch im letzteren Falle ist der Grund, daß man mithelfen will das Vaterland zu verteidigen, wahrlich „wichtig“ genug. Die in der Literatur aufgeworfene Frage, ob für den kriegsfreiwilligen Angestellten, der am Vertrage festhalten will, für die Zeit seiner Abwesenheit eine verschuldete Unmöglichkeit der Leistung vorliegt, für die er seinem Geschäftsherrn (gemäß B.G.B. §325) schadenersatzpflichtig ist (für Einstellung eines teureren Ersatzmannes u. dgl.), hat höchstens theoretischen Wert; denn es wird wohl kein Geschäftsinhaber die Stirn haben, von seinem Angestellten vor Gericht Schadenersatz zu fordern, weil dieser sein Leben freiwillig in den Dienst des Vaterlandes gestellt hat.
Überhaupt werden in der überwiegenden Mehrzahl der
1-2-6(16)
hier besprochenen Fälle sittliche Gründe zu einer beide Teile befriedigenden Lösung führen. Die vergangenen Kriegsmonate haben dies in vollen Maße bewiesen. Hätte man sich allgemein lediglich auf den kalten Boden des Gesetzes gestellt, so wären soziale Mißständen die unausbleibliche Folge gewesen. Unsere Großbanken, unsere großen industriellen Werke und Schiffahrtsunternehmungen haben hier ein glänzendes Beispiel vaterländischer Gesinnung gegeben. Sie haben meist von ihrem Rechte zu fristloser Kündigung abgesehen und sich bereit erklärt, das Dienstverhältnis mit der Bestimmung fortzuführen, daß dem Angestellten, solange er seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommen kann, ein Teilbetrag seines Gehaltes weiter bezahlt wird. Diesen Vorbilde ist man in kaufmännischen und industriellen Kreise in weitgehendem Maße gefolgt. Auch dies wird einmal ein Ruhmesblatt bilden in der Geschichte des deutschen Volkes in schwerer Zeit.
--------------------------------
Wo dürfen wir den nächsten Schlag vermuten?
Am 12. Dezember konnte der bulgarische General Todorow ebenso wie kurz vorher Generalfeldmarschall v. Mackensen melden, daß er seine Aufgabe in Serbien erfüllt habe, daß sich jetzt kein Franzose oder Engländer mehr auf serbischem Boden befinde. Bei Freund und Feind war jetzt die große Frage, wo nun die Zentralmächte wohl zum nächsten Schlage ausholen werden.
Daß auf den serbischen Feldzug, der die freie Verbindung zwischen Berlin-Wien und Konstantinopel geschaffen hat, jetzt ein in großem Stil angelegter Feldzug gegen Ägypten folgen wird, darüber war man sich überall klar. Aber hierfür kommen in erster Linie die durch die Räumung von Gallipoli frei gewordenen türkischen Truppen in Betracht. Daß sich aber die Truppen der Zentralmächte während dieser Zeit tatenlos auf die Verteidigung
1-2-7(17)
beschränken werden, ist nicht wahrscheinlich.
Gegen wen aber wird die nächste Offensive gerichtet sein?
Drei Möglichkeiten bieten sich da: gegen Rußland, gegen Frankreich oder gegen Italien. Da Deutschland sich vorläufig immer noch nicht offiziell im Kriegszustande mit Italien befindet, kommen gegen letzteres Land wahrscheinlich nur österreichische Truppen in Frage. In diesem Falle würde wohl ein Teil der österreichischen Truppen von der russischen Front fortgenommen und durch deutsche Truppen ersetzt worden sein. Da aber nach den Meldungen der letzten Zeit die Armeen Joseph Ferdinands, Böhm-Ermollis und Pflanzer-Baltins noch immer dem Ansturm der Russen erfolgreichen Widerstand entgegensetzten, so scheinen hier vorläufig keine größeren Truppenverschiebungen stattgefunden zu haben.
Ob sich aber der Angriff gegen Westen oder gegen Osten richten wird, darüber kann man bis jetzt nur Vermutungen aufstellen. Starke deutsche Truppenverschiebungen sind vom Gegner auf beiden Seiten gemeldet worden, doch sind dies wohl nur unsichere Gerüchte, entstanden aus der Angst vor einem deutschen Vorstoß. Meiner Meinung nach scheint man in Frankreich nicht weiter vorgehen zu wollen, um es durch diesen Krieg nicht vollständig zu vernichten. Ein wehrloser Staat reizt zu sehr die Gelüste der stärkeren Nachbarstaaten, und Frankreich muß auch nach dem Kriege so stark bleiben, daß es englische Übergriffe mit eigener Hand zurückweisen kann. Drücken wir aber durch diesen Krieg Frankreich auf den Rang Spaniens herunter, dann wird Calais auch sehr bald ein zweites Gibraltar werden. Deutschland wird aber keine Lust haben, mit seinem Schwerte den Schutz Frankreichs übernehmen zu müssen.
Bestärkt wurde ich in dieser Meinung durch die auffallend franzosenfreundliche Stimmung, die man immer wieder in den
1-2-(18)
deutschen Zeitungen antrifft. Sagte doch Hindenburg einmal einem Berichterstatter direkt: „Wir lieben die Franzosen, aber wir hassen England.“ Nirgends macht man Frankreich trotz des früheren Revanchegeschreis für den Krieg verantwortlich, sondern man liest fast immer, daß Frankreich durch sein Bündnis mit Rußland und durch sein in Rußland angelegtes Geld zur Teilnahme an diesem Kriege gezwungen wurde. Aus den meisten Gefangenenlagern erfährt man, wie anstellig sich ihre Aufsichtsbehörden machen, während dauernd über die Unannehm¬lichkeiten mit den gefangenen Engländern geklagt wird.
Auch nach der letzten großen Rede des Reichskanzlers vom 9. Dezember scheinen wir keine Offensive im Westen zu erwarten zu haben. Er sagte dort über die Lage unserer Armeen: „Im Osten nehmen unsere Truppen zusammen mit den österreichisch-ungarischen eine in das russische Gebiet weit vorgeschobene, gut ausgebaute Verteidigungsstellung ein, immer bereit zum weiteren Vorgehen. Im Westen haben die mit größter Todesverachtung unternommenen Angriffe der Franzosen und Engländer zwar unsere Front an einigen Stellen eingedrückt, aber der Durchbruch, der unter allen Umständen erzwungen werden sollte, ist wie alle früheren Versuche, mißglückt.“ Während er im Osten auf neue Angriffe hinwies, sprach er im Westen lediglich von unserer Verteidigung.
Ich vermute also, daß wir inder nächsten Zeit ein weiteres Vordringen unserer Truppen in Rußland zu erwarten haben. Hier kommen wohl nur zwei Möglichkeiten in Frage: entweder ein Vorstoß Mackensens auf Kiew und Odessa oder ein Vorbrechen Hindenburgs auf Petersburg. Welche von diesen beiden der deutsche Generalstab für günstiger hält, darüber werden und wohl, wenn meine Vermutungen richtig sind, in nicht
1-2-9(19)
allzu ferner Zeit die deutschen Telegramme aufklären.
Fr.
--------------------------------
Die Vorgeschichte der
chinesischen Revolution 1911.
(Fortsetzung)
Im Frühjahr 1902 wurde in Peking eine Behörde geschaffen, deren Aufgabe es war, Reformentwürfe zu machen und Vorschläge durchzuarbeiten. Juan Schi Kai und der alte Dschang dshe dung waren die Männer, die der Kaiserin Vertrauen besaßen und sich mit Eifer an das Reformwerk machten. Dies wurde durch den japanisch-russischen Krieg wesentlich beschleunigt. War er doch für China ein Beweis, daß der neue Kurs der richtige sei und daß man auf der Bahn, die Japan vorangegangen war, so schnell wie möglich folgen müsse. 1905 wurden die Examina alten Stils abgeschafft und ein staatliches Schulsystem dafür eingerichtet, das nach japanisch-amerikanischem Muster aufgebaut war. 1906 wurden 6 verantwortliche Ministerium geschaffen. Im gleichen Jahre sandte man Studienkommissionen nach Europa und den Vereinigten Staaten, um die Verfassung der einzelnen Länder zu studieren, und im Jahre 1908 wurde in einem Edikt die Einführung der konstitutionellen Monarchie versprochen. Es hieß in diesem äußerst wichtigen Edikt, daß eine Verfassung dem Lande nicht von heute auf morgen gegeben werden könne. Man müsse erst die Selbstverwaltung in der Provinzen und Kreisen einführen und das Volk dazu erziehen, an der Verwaltung des Reichsganzen mit Verständnis teilzunehmen. Die Einberufung des ersten Parlamentes wurde für das Jahr 1916 vorgesehen.
1908 wurde die Provinzialverwaltung, die erste Stufe auf dem Wege zur konstitutionellen Monarchie, geschaffen.
Die Reformpolitik wurde nach dem Tode der Kaiserin vom
1-2-10(20)
Prinz-Regenten fortgeführt: 1919 traten die Provinziallandtage zusammen und in den Städten und Dörfern trat die Selbstverwaltung ins Leben. 1910 eröffnete der Prinz-Regent den aus 200 Mitgliedern bestehenden Reichsausschuß, der als Vorläufer des Parlaments gedacht war und sich zur Hälfte aus Vertretern der Provinziallandtage und zur Hälfte aus von der Krone ernannten Vertretern zusammensetzte. Seine erste Tat war, die ursprünglich für 1916 geplante Einberufung des Parlaments schon auf 1914 festzusetzen und alle darauf bezüglichen Arbeiten entsprechend zu beschleunigen.
Wie die Krone so in großem Stil wichtige Herrscherrechte preisgab, um sich dem Geist der neuen Zeit anzupassen, kam sie dem Volke auch in anderen Punkten weitherzig entgegen. Die Dynastie nahm nach langen Jahren der Schlaffheit einen entschiedenen Aufschwung. Sie hob die schon lange überlebte Sonderstellung der Mandschus wirtschaftlich selbständig zu machen usw.
Und was taten inzwischen die ewig unruhigen Elemente im Süden? Je entschiedener die Regierung den Weg der Reformen beschritt, desto lebhafter betrieben sie ihre Agitation gegen sie. Es schien in den letzten Jahren beinahe so, als ob sie ihr Ziel, die Republik nicht erreichen würden, da die Mandschus ihnen durch Einführung der Reformen den Boden unter den Füßen wegzogen. Mit dem neuen Kurs der Regierung wurden die Hauptargumente der Aufrührer gegenstandslos. Die Revolution war nicht mehr eine historische Notwendigkeit für das Land, aber ihre Anhänger hatten sich so in ihren Radikalismus verrannt, daß sie davon nicht mehr los konnten und wollten. Sie gingen bei ihren Bestrebungen von der falschen Voraussetzung aus, daß die republikanische Verfassung
1-2-11(21)
die beste für das Land sei. Sie erkannten nicht, daß ein so gewaltiges Reich, in dem so viel verschiedene Elemente zusammengewürfelt sind, viel besser regiert ist, wenn eine straffe Zentralgewalt dem Ganzen Halt und Stütze gibt, wenn das Volk einen Mann an der Spitze weiß, mit dessen Haus es durch altgeheiligte Tradition verbunden ist, den es als Sohn des Himmels verehrt. Indem die Umstürzler dieses persönliche Element ausschalten und die gleichsam unpersönliche republikanische Verfassung mit ständig wechselnden leitenden Männern an seine Stelle setzen wollten, haben sie ihrem Lande einen schlechten Dienst geleistet. China ist ohne Frage für ein rein republikanisches Regiment noch nicht reif. Der Kurs, den die Mandschus einschlugen – allmähliche Erziehung des Volkes zur Anteilnahme an der Regierung - war ohne Zweifel der gesunde. Aber diesem Gedanken brachten die ganz von amerikanischen Freiheitsideen eingenommenen Umstürzler kein Verständnis entgegen.
Ich habe in den Jahren 1910 und 1911 öfters mit Angehörigen der Umsturzpartei in Kanton über die von der Regierung eingeführten Neuerungen gesprochen, und habe immer gefunden, daß sie sich vollkommen ablehnend dagegen verhielten, ganz wie sie auch von Kang Yu Wei nichts wissen wollten, denn Kangs Idee war ja gewesen, im Einverständnis mit den Mandschus das Land zu reformieren, und aus China eine konstitutionelle Monarchie zu machen, während die Umstürzler die Republik für ein Allheilmittel hielten und entsprechend handelten.
Schon in den neunziger Jahren entfalteten sie im Süden eine rege Tätigkeit. Damals trat Sun i hsien (oder, wie man ihn im Kanton Dialekt nennt, Sun Yat Sen) an ihre Spitze. Er war 1876 als Sohn eines einfachen Bauers im Kwangtung geboren,
1-2-12(22)
wurde von seinem Onkel, einem Parteigänger der Taipings, erzogen und so schon früh von revolutionären Gedanken erfüllt. Er besuchte die Hongkonger Medizin¬schule, wo er den Doktorgrad erwarb, und trat 1894 der Revolutionspartei bei, die im geheimen schon einen ziemlich großen Anhang in der Provinz hatte. 1895 war er das Haupt einer Erhebung, die von Hongkong ausgehend die Regierung stürzen wollte. Das Komplott wurde entdeckt, und Sun mußte fliegen. Seine Freunde versuchten in den folgenden Jahren nicht weniger als sechsmal eine Erhebung, aber immer ohne Erfolg. Man sieht daraus, eine wie große Tätigkeit die Umstürzler schon damals entfalteten. Sun Yat Sen lebte seit 1895 hauptsächlich in Japan und Amerika, immer von dem Gedanken an sein großes Ziel beseelt. Er ist das Haupt der sich aus der jungen Revolutionspartei entwickelnden Ko Ming Tang geworden, d.h. der Partei zur Beseitigung des (der Dynastie vom Himmel gegebenen) Auftrags. Sie war die eigentlich treibende Kraft für den Umsturz. Ohne ihre im großen Stil ausgeführten Wühlereien, ohne ihre finanzielle Kraft hätte sich die Revolution nicht durchsetzen können. Sun und neben ihm Huang Hsing und die Kantonesen Dt. Wu Ting Fang und Wen Dsung Yan waren die Führer. Sun Yat Sen hat große Agitationsreisen im Interesse der Partei unternommen, die Auslandschinesen zum großen Teil für seine Sache gewonnen und Geld unter ihnen gesammelt, ferner die Partei in Japan organisiert usw.
Von der Regierung wurde die Ko Ming Tang natürlich heftig verfolgt, und sie konnte ihre Wühlarbeit selbst nur unter großen Gefahren in China ausführen. Trotzdem hat sie diese in den Südprovinzen in großen Maßstabe betrieben. Durch Wort und Schrift wurden das Volk verhetzt. Hoch Han, nieder mit Man, war die Parole. Immer und immer wie-
1-2-13(23)
der wurde darauf hingewiesen, daß die Mandschus Fremdlinge seien, Unterdrücker, die China aussaugten. Es ist hierbei bezeichnend, daß das Schlagwort von den Mandschus als Fremdlinge in China sofort verstummte, als die Mandschus dem Thron entsagten. Man sprach später nur davon, daß alle Stämme Chinas gleichberechtigt sein sollten und erkannte damit an, daß die Mandschus in dem Vierteljahrtausend ihres Aufenthalts im Reich der Mitte ganz in der chinesischen Kultur aufgegangen waren. Das Gerede von Nationalstaat, Fremdherrschaft der Mandschus usw. war nur dazu bestimmt, auf die urteilslose Menge verhetzend zu wirken.
Man setzte zahllose Geschichten über die Bestechlichkeit der Beamten, über die Unsummen, die am Hofe verpraßt und verschwendet würden, in Umlauf, jegliche Handlung der Regierung wurde bemängelt und immer wieder darauf hingewiesen, daß für China andere Zeiten kommen würden, wenn die ideale Staatsverfassung, die Republik, eingeführt sei.
Viele der Neuerer waren in oft kindlicher Weise davon überzeugt, daß mit der Änderung der Verfassung alle Schäden schwinden würden, als ob ein bloßer Wechsel der äußeren Form umwertend auf alles wirken würde. Der Gang der Revolution hat gezeigt, wie schwer sich diese Utopisten getäuscht hatten.
Ich bedaure Ihnen nicht Hetzschriften der Ko Ming Tang vorführen zu können, wie ich sie mit Hilfe meines chinesischen Lehrers 1910 und 1911 gesammelt habe. Sie kamen aus Japan und waren äußerst geschickt aufgemacht. Gut gemalte Bilder, sowie Tusch- und Kreidezeichnungen begleiteten den Text, der natürlich auf Verhetzung des Volkes hinauslief. Das farbige Mittelbild brachte immer bekannte Ereignisse aus Chinas Geschichte, sei es einer der großen Han-
1-2-14(24)
Kaiser und Volkswohltäter in einer historischen Situation, seien es Szenen wie die, wo die, wo der weise Chi Yuan, der Minister des Kaisers Chou, den Wassern sein Leid über die Verderbnis des Landes und die Verblendung seines Kaisers klagt, um sich darauf in die „Fluten zu stürzen.“
Besonderen Ruhm nahmen natürlich die Sittenschilderungen vom Hofe ein, die Eunuchenwirtschaft, die Frauenfrage. Ich erinnere mich da besonders an ein Bild, das sehr drastisch das Elend schildert, das durch Nebenfrauen und Dirnen ins Haus gebracht wird. Eine Frau überrascht ihr Ehengespons? bei einem Techtelmechtel mit einem modisch gekleideten Dämchen. Da fliegen die Stühle, von der streitbaren Xanthippe geworfen, umher, und der Galan muß zusehen, wie seine Frau das Mädchen gründlich züchtigt. Aber den Hauptraum der Zeitung nimmt doch die direkte Verhöhnung der Mandschus und die Verherrlichung der Parteigenosse ein. Einige Bilder mögen als Beispiel dienen: da wird China als schlafender, dicker Mandarin in reicher Amtstracht dargestellt, die Mütze mit dem Rundknopf über beide Augen gelegt, und dazu die knappe Überschrift: China 10 000, 10 000 Jahre! - Ein anderes Bild zeigt uns ein Eingangstor zum großen Reich der Mitte zur Nachtzeit. Einem harmlos ausschauenden Fremden hat ein verschlafener Mandschu das Tor geöffnet. Der Fremde schleppt auf dem Rücken einen ungeheuerlich großen Sack voll Gold und trägt in der Rechten einen Eisenbahnzug. Hinter ihm, dem Torhüter verborgen, steht ein gewaltiger Löwe geduckt zum Sprunge bereit. - Wieder ein anderes Bild verherrlicht die 72 „Helden“, die bei dem Putsch im Frühjahr 1911, auf den ich noch zurückkomme, ihr Leben ließen.
Sie können diesen wenigen Beispielen entnehmen, wie geschickt die Ko Ming Tang für ihre Sache warb, und sie hat da-
1-2-15(25)
durch viele Menschen aus allen Kreise der Bevölkerung zu sich hinübergezogen.
Durch ihre Reformen im Erziehungswesen arbeitete die Regierung übrigens unbewußt den Revolutionären in die Hände. Ich erwähnte schon das Edikt des Jahres 1905, durch das die Examina alten Stils abgeschafft und durch ein an japanisches Muster angelehntes Schulsystem ersetzt wurden. Leider ging die Regierung damals zu schnell vor, indem sie gleich Universitäten schuf, während es das Naturgemäße gewesen wäre, erst die mittleren und höheren Schulen aufzubauen und so ein Schülermaterial heranzubilden, das von den Kursen der Hochschulen wirklich Nutzen gehabt hätte. Die Regierung wollte gleich Erfolge sehen, im Handumdrehen sich Arzte, Ingenieure, Fachleute für Bergbau und Eisenbahnen schaffen. Dabei vermied sie ängstlich, den Fremden zu großen Einfluß auf die Schulen zu geben, und so kam es, daß nicht genügend ausländische Hilfskräfte herangezogen wurden und wichtige Lehrstühle Chinesen zufielen, deren Wessen große Lücken aufwies und die die oft durch leidige Protektion oder durch Kauf erlangten Stellen nur als erwünschte Einnahmequellen betrachteten.
(Fortsetzung folgt.) Vissering.
--------------------
Von unserer Kaiserfeier.
Der Geburtstag unseres Kaisers wurde in der Weise gefeiert, daß vormittags um 11 Uhr ein Appell in Raikoji stattfand, zu dem allerdings leider nur die Insassen des Lagers Yamagoe hatten kommen können. Nach einer Ansprache des Herrn Major Kleemann wurde „Deutschland, Deutschland über alles“ gesungen. Zum Schlusse trug der Chor unter Leitung des Unteroffiziers Schulz „die Wacht am Rhein“ und andere
1-2-16 (26)
vaterländische Lieder vor. Am Nachmittag fanden dann Einzelfeiern mit ernsten und heiteren Vorführungen im Kokaido, Dairinji und Yamagoe statt. Wir geben den einzelnen Tempeln das Wort zum Bericht über ihre Veranstaltungen:
Kaisersgeburtstag im Kokaido.
Ein rechtes Kaiserwetter hatte uns der Himmel zum Geburtstag unseres Kaisers beschert, dem zweiten, den wir in der Gefangenschaft verlebten.
Einfach und würdig verlief die Feier im Kokaido. Nach kurzer Begrüßung durch unsere Offiziere wurde sie eingeleitet durch die Jubel-Ouvertüren von Karl Maria v. Weber, vorgetragen von Untffz. Weber und Sees. Katzenstein. Es folgte ein Prolog, der vom Sees. Leonhardt verfaßt war, und vom Sees. Wegener eindrucksvoll gesprochen wurde. Dann erhob sich Herr Hauptmann Buttersack zu einer kurzen markigen Ansprache: Ausgehend,von der Gesamtlage zur Zeit des vorigen Kaisertages wies er auf die inzwischen von uns erzielten Fortschritte, auf die ungeheueren Leistungen unseres Heeres und die führende Gestalt des Kaisers hin. Die Rede schloß mit einem begeisterten Hurra. Es war bereits verklungen, als uns mitgeteilt wurde, daß wir es nicht ausbringen dürften.
Es folgte nun Mendelsohns Allegro Agitato, Violin Sonate, gespielt von Sees. Bärwald (Violine) und Sees. Katzenstein (Klavier). Sees. Frisch erfreute uns durch den „Prolog aus Bajazzo“, zu dem Utffz. Weber die Begleitung spielte.
Ein kleines in sich geschlossenes Kunstwerk war die Aufführung des „Kälberbratens?“ von Hans Sachs auf dem Puppentheater unter der kundigen Leitung von Sees. Laetzsch. Die vorzüglich geschnitzten Figuren, deren herzhafte Charakterisierung wundervoll zu den Versen des alten Meistersingers
1-2-17(27)
paßte, die überaus gelungenen Dekorationen, die ganze Vorstellung überhaupt verdient mit recht den reichen Beifall, den die Zuschauer zollten.
Zu den heiteren Stücken stimmte vorzüglich die Musik der jetzt zu glänzender Höhe entwickelten Schrammelkapelle. Besonders das Potpourri von Soldatenliedern, das sie zum Schluß spielte (Soll ich die mein Liebchen nennen, Lippe-Detmold usw.) riefen alte Erinnerungen an Tsingtau wach. Einen wahrhaft ergreifenden Schluß der Feier bildete es aber, als dieser Liederreigen ausklang in die Töne von „Deutschland, Deutschland über alles“ und die ganze Zuhörerschaft begeistert einstimmte.
In fröhlichen Nachfeiern blieben wir auf den einzelnen Stuben noch zusammen bis zur elften Stunde. Für alle Teilnehmer wird diese Kaiserfeier eine schöne Erinnerung bilden, und wir sind allen denen von Herzen dankbar, die dazu beigetragen haben, sie zu verschönern.
Kaisersgeburtstag in Yamagoe.
Der Festabend begann mit einem Liede des Chors (Leiter Untffz. Schulz) und einem gehaltvollen Prolog von Vzewchtm. Goldschmidt, vorgetragen von Utffz. Blaschke. Der Prolog leitete stufenweise durch die fünf Jahrhunderte Hohenzollernscher Geschichte vom Markgrafen zum Kaiser und zum Vorkämpfer der deutschen Welt.
Dann erschien nach einem Kaiserhoch des Herrn Major Kleemann ein lebendes Bild, in dessen Mittelpunkt ein vom Gfr. Kleidemann vorzüglich gezeichnetes Kaiserbild stand.
Als das Hauptstück des Abends dürfen wir die Aufführung von Thomas Einakter „Der erste August“ bezeichnen, der in seiner schlichten, ergreifenden Schilderung des Abschieds von Eltern und Söhnen allen Zuhörern zum Herzen gesprochen haben wird. Hier wie bei allen Vorführungen des Abends muß besonders
1-2-18(28)
der überraschenden Reichhaltigkeit der Ausstattung gedacht werden. Bayrische Volkstrachten und Damenkleider, Uniformen und sogar zwei Gewehre mit Seitengewehren von blendender Naturtreue waren herbeigezaubert als glänzende Zeugnisse für die Kunstfertigkeit unseres Lagers.
Auf das Theaterstück folgten einige turnerische Vorführungen. Sergt. Clauss führte eine schneidige Turnriege am Pferd vor, Sergt. Linke leitete eine Gruppe von Keulenschwingen, deren Bewegungen an malerischem Reiz dadurch außerordentlich gewonnen, daß die Keulen in grünem und rotem Lichte aufleuchteten, eine elektrische Leistung, um die sich Ob.Mr.Artl. Brandt große Verdienste erworben hat.
Die heiteren Darbietungen begannen mit einigen vom Utffz. Gregorcyk vorgetragenen Gesangstücken. Dann folgte der Schwank „Die geteilte Walküre“ in reinster Frankfurter Mundart der mit einer überaus eleganten Wendung in einen bayrischen Schuhplattler mit Gesang überging (Gfr. Kugler und Sees. Steppan). Einen herzerfrischenden Schluß bildete das vom Gfr. Kremer und Gfr. Krieger gesungene und in seinem Kehrreim vom Chor begleitete neuentstandene Marschlied „Ins Frankenland, ins Russenland, da wollen wir marschieren.“
Damit war die gemeinsame Feier zu Ende. Das volle Gelingen des Festes ist neben dem frischen Spiel aller Mitwirkenden vor allem der wahrlich nicht leichten, von zahlreichen Schwierigkeiten durchkreuzten Spielleitung desFeldw. Schäfer und
Vzewchtm.Goldschmidt zu verdanken, und kaum einer der dankbaren Zuschauer verließ den festlich geschmückten Tempel, ohne mit unseren geteilten Walküren-Frankfurtern darin übereinzustimmen: Schee war's wunnerschen, e Frag ob's schee war!
1-2-19(29)
Kaisersgeburtstag in Dairinji.
Die diesjährige Kaisergeburtstagsfeier war von einer Stimmung getragen, merklich frischer und gehobener als im Vorjahre; liegt doch auch ein Jahr voll unvergleichlicher Siege dazwischen. So wurde auch bei uns in Dairinji ganz von selbst der Wunsch rege, bei der diesmaligen Feier neben Reden und Gesang auch die heitere Muse zu Wort kommen zu lassen, wie in der guten alten Zeit in Tsingtau. Der glänzenden Spielleitung durch den Vz.Feldw. Zimmermann verdankten wir denn auch ein ungetrübtes Fest, wobei wir auch die Opferwilligkeit der Kameraden nicht vergessen wollen, die sich auf die Veranda ausquartierten, um den Platz für die Bühne im großen Tempelraum freizumachen. Dort nahm sich diese mit den zum Glück immer noch vorhandenen Vorhängen denn auch sehr stattlich aus.
Um 5 Uhr 30 eröffnete Herr Oberleutnant Meyer das Fest mit einer Ansprache, die in ein begeistertes Hoch auf den Allerhöchsten Kriegsherrn ausklang. Die Reihe der Vorführungen leitete ein schwungvoller Prolog von Sergt. Kitscher, vorgetragen vom Vz.Feldw. Zimmermann, ein. Es folgte ein Lebendes Bild: Die Vertreter des Heeres huldigen dem Kaiser, um dessen palmengeschmücktes Bildnis die Gruppe sich anordnete.
Einem Gesang: „Deutsche Wacht“, unseres neubelebten Chors (Leitung
Vzewchtm.Hönemann) schloß sich der Vortrag eines der wirklich schönen Gedichte an, die uns dieser Krieg geschenkt hat: „Dereinst“, dessen Stimmungsgehalt der Vortragende, Vzw.d.L. Blunck, sehr wirkungsvoll zur Geltung zu bringen verstand.
Ringkämpfergruppen folgten, und wurden abgelöst von einem Scherzgedicht: „Der neutrale Amerikaner“, gesprochen von
1-2-20(30)
dem Marineschreiber Nordmann. Nach dieser sehr gelungenen Einleitung wurde der humoristische Teil fortgesetzt durch ein Zwiegespräch zwischen einem bayrischen (Wallner) und einem sächsischen Landwehrmann (Sergt. Worms). Die beiden, deren Infanterieuniformen mit ihren roten Aufschlägen sehr echt wirkten, erzählen sich in unverfälschter Heimatmundart ihre Erlebnisse, wobei sie sich „die Hucke voll lügen“!
Den Glanzpunkt des Abends bildete das Theaterstück: „Die freie Zeche“, das einen durchschlagenden Erfolg hatte durch das flotte Spiel der Darsteller, aber auch durch den erfrischenden Wirklichkeitssinn der Bühnenleitung (lebendiger Hund, wirkliches Essen echten Pflaumenkuchens)! Auch dürfen wir den überraschenden Eindruck der Zivilanzügen nicht vergessen, die in ihrer vollendeten Eleganz den inneren Zusammenhang mit Schlafanzügen, Uniformen und Pappstücken nur dem Eingeweihten verrieten.
Mit dem Vortrage eines Kriegsgedichtes (Koch), der Vorführung eines neuartigen Grammophons eigener Bauart und mit einem Lebenden Bilde, das an den Untergang unseres Kreuzergeschwaders gemahnte, ging die eigentliche Feier zu Ende. Zwischen den einzelnen Vorführungen des humoristischen Teils trug der Chor Lieder vor, von denen besonders das neue Hindenburglied großen Beifall erntete.
Inzwischen wares fast 9 Uhr geworden. Man setzte sich bei einem Glase Bier zusammen, und zu einer richtigen Tsingtauer Kaisersgeburtstagsfeier fehlte nur noch der Tanz. Da erschien eine Zivilkapelle, der Kapellmeister in elegantem Zylinder und Hemdsärmeln, eine selbstgebaute Baßgeige wahrhaft genial handhabend, die Mitglieder der Kapelle Triangel und Mundharmonika spielend, und nun begann
1-2-21(31)
ein Tanz bei dem wir nur das weibliche Element vermißten. Trotzdem führten die Versuche auseinanderzugehen, erst um 11 Uhr zum Ziel.
Alles in allem verlief diese Kaiserfeier in so ungestörter Freude, daß sie wohl jedem Teilnehmer unvergeßlich bleiben wird.
------------------
Auflösung der Rätsel in No.1
Rösselsprung
Und wenn die Welt voll Teufel wär und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es muß uns doch gelingen.
Charade: Tsingtau.
-------------------------
Das „Lagerfeuer“ erscheint wöchentlich einmal, in der Regel Samstag. Von unserer heutigen Nummer hat bei der unerwartet großen Bezieherzahl nur ein Teil rechtzeitig fertiggestellt werden können, das Fehlende wird in wenigen Tagen nachgeliefert werden.
Der Preis der Blätter beträgt 50 Sen pro Monat.
Anmeldungen und Bezugsgelder nehmen an:
In Yamagoe: Vizew.d.R. Goldschmidt,
Dairinji: Vizew.d.Ldst. Küntzel,
Kokaido: Sees. Bohner.
Sämtliche Beiträge, Mitteilungen usw. sind an Vizew. Goldschmidt zu richten. Wir bitten Sie nach Möglichkeit in Maschinenschrift einzusenden, und zwar mit voller Namensunterschrift und Angabe, wie der Aufsatz in der Zeitung gezeichnet werden soll. Da wir anstreben, in jeder Nummer einen in sich abgeschlossenen Inhalt zu bringen, so bitten wir, die Beiträge möglichst im Rahmen von 1-3 Seiten der Zeitung zu halten.
Die Schriftleitung.